Pneumologie 2007; 61(1): 9-10
DOI: 10.1055/s-2006-954975
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Tabakkontrolle in Deutschland und die Rolle der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin

Tobacco Control in Germany and the Role of the German Society of Pneumology (DGP)R.  Loddenkemper
  • 1Lungenklinik Heckeshorn, HELIOS Klinikum Emil von Behring, Berlin
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Publication Date:
23 January 2007 (online)

Deutschland gilt als das raucherfreundlichste Land Westeuropas, sind hier doch viele der in anderen EU-Ländern eingeführten und bewährten Maßnahmen zur Tabakkontrolle durch erfolgreiche Lobby-Arbeit verhindert oder verzögert worden. Die Gründe für Deutschlands Zurückhaltung in der Tabakkontrolle werden zum Teil in einer engen Verbindung zwischen der Tabakindustrie und einigen Politikern gesehen. Ein falsch verstandener Liberalismus als Reaktion auf die staatlichen Maßnahmen des Nazi-Regimes dürfte eine zusätzliche Rolle spielen [1].

In den letzten Wochen und Monaten nimmt jedoch der Druck der deutschen Öffentlichkeit auf die deutsche Politik erheblich zu, Regelungen zur besseren Tabakkontrolle, z. B. zum Werbeverbot oder zur Durchsetzung rauchfreier Gaststätten, einzuführen. Als Beispiel sei hier die Ausgabe Nr. 24 des „Spiegel” vom 12.06.06 mit dem Titelblatt „Rauchen: Das Ende der Toleranz” und den beiden Titelgeschichten „Deutschland - das letzte Raucherparadies Europas” und „Wie die Tabak-Lobby die Gesundheitspolitik manipulierte” zitiert. Wie weit jetzt gesetzliche Maßnahmen realisiert werden, wird einerseits vom Einfluss der Lobby-Gruppen, vor allem Tabakindustrie, Werbeindustrie und Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, abhängen, andererseits aber vom Druck der Öffentlichkeit, der die Gefahren des aktiven und passiven Rauchens immer stärker bewusst werden. Dies ist der Aufklärung durch die Ärzteschaft mit ihren Fachgesellschaften und anderen Organisationen zu verdanken, und es ist sehr zu begrüßen, dass sich jetzt die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) mit offiziellen Stellungnahmen verstärkt in diese Aktivitäten einbringt. Die Lunge ist schließlich das am stärksten betroffene Organ.

Die DGP hat jetzt den Ethischen Kodex zur Ablehnung von Tabakindustriegeldern für die pneumologische Forschung verabschiedet, wonach erstens die Annahme jeglicher finanzieller Mittel der Tabakindustrie für Forschungsförderung, Gutachterhonorare, Vortragshonorare, Reisekosten, Wissenschafts- und andere Preise und zweitens die Mitwirkung an Veranstaltungen der Tabakindustrie oder Dritter, die von der Tabakindustrie unterstützt werden, abgelehnt werden [2]. Jetzt müsste noch als Sanktion beschlossen werden, wie auf der Pressekonferenz der DGP und der Deutschen Lungenstiftung in einer gemeinsamen Presseerklärung während des diesjährigen DGP-Kongresses in Nürnberg angekündigt, dass bei Nichtbefolgen der Ausschluss aus der Gesellschaft erfolgt.

Als weiterer Schritt ist für die Zeitschrift „Pneumologie”, das offizielle Organ der DGP, zu wünschen, dass von den Autoren wissenschaftlicher Arbeiten, wie z. B. beim European Respiratory Journal, in Zukunft eine Erklärung abgegeben wird, ob sie Gelder von der Tabakindustrie erhalten haben oder ob sie oder ihr Ehepartner Aktien der Tabakindustrie besitzen. Im bejahenden Fall wird ein Interessenkonflikt angenommen, weshalb bei der Veröffentlichung darauf hingewiesen wird [3]. Für Deutschland ist in diesem Zusammenhang wichtig, dass z. B. hinter der Stiftung „Verum” der Verband der deutschen Zigarettenindustrie steht. Dieser hat geschickt in der Vergangenheit auch Forscher für seine Lobby-Arbeit genutzt [4] [5] [6] [7]. Auch ist weltweit erst in den letzten Jahren nach langen Diskussionen Übereinstimmung erzielt worden, keinerlei Forschungsgelder mehr von der Tabakindustrie anzunehmen [8]. Die Begründung ist in erster Linie, dass die Tabakindustrie hierüber versucht, das wissenschaftliche Vorgehen zu manipulieren und Kontroversen über Rauchen und Krankheit auszulösen, die letztlich die Gefahren des Rauchens verharmlosen und alle Bemühungen zur Aufklärung über die Gefahren des Tabakkonsums unterlaufen sollen.

Das Positionspapier der DGP mit dem Titel „Rauchen und pneumologische Erkrankungen, positive Effekte der Tabakentwöhnung”, das im selben Heft veröffentlicht ist [2], ist ebenfalls sehr zu begrüßen. Der Artikel befasst sich einleitend mit der Epidemiologie und den Folgen des aktiven Tabakrauchens sowie des Passivrauchens, zielt aber speziell auf die Tabakentwöhnung. Diese ist von großer Bedeutung, da ja immerhin ein Drittel der Erwachsenen raucht (38 % der Männer und 27 % - mit zunehmender Tendenz - der Frauen) und viele Raucher und Raucherinnen Unterstützung benötigen, um von ihrem Suchtverhalten loszukommen. Wichtig ist der Hinweis, dass es lohnt, die Patienten bei jedem Arztkontakt auf ihr Rauchverhalten anzusprechen, weil dies die Bereitschaft erhöht, das Rauchen zu beenden [9]. Nach amerikanischen Statistiken wollen 70 % der RaucherInnen aufhören, jedoch gelingt dies ohne medizinische Hilfe nur 5 % [10]. Die heute wirksamste Hilfe bei der Entwöhnung besteht in einer Kombination [2] von psychosozialer Unterstützung, von Nikotinersatz - wobei die Nikotindosis individuell je nach Höhe des vorherigen Tabakkonsums eingestellt werden sollte [11] - sowie ggf. zusätzlich von Medikamenten, wie dem Antidepressivum Bupropion [11] oder dem in den USA bereits zugelassenen Varenicline, einem partiellen Nikotin-Rezeptoragonisten, welcher etwas wirksamer als Bupropion sein [12] und im nächsten Jahr auch in Deutschland auf den Markt kommen soll.

Die im DGP-Positionspapier getroffene Schlussfolgerung, dass die Tabakentwöhnung eine der effektivsten medizinischen Interventionen ist, ist voll zu unterstreichen. Dies gilt sowohl für die Tabakentwöhnung bei (noch) RaucherInnen (sekundäre Prävention) als auch bei RaucherInnen, die bereits unter Schädigungen leiden, z. B. COPD-PatientInnen (tertiäre Prävention).

Ganz zum Schluss des Positionspapiers wird auf einige Aspekte der primären Prävention durch staatliche Maßnahmen eingegangen, die den Beginn einer „Raucherkarriere” bei Kindern und Jugendlichen verhindern helfen und den Schutz vor Passivrauchen verstärken sollen. Hier erscheint ein gesondertes Positionspapier der DGP wünschenswert, welches die notwendigen Regelungen, die sich in vielen Ländern bereits bewährt haben, aufzählt [13]. Dazu sollten bislang erfolgreiche pneumologische Aktivitäten auf diesem Gebiet, wie „Klasse 2000” [14], geschildert werden. Die Wirksamkeit der frühzeitigen Aufklärung von Kindern und Jugendlichen über die Gefahren des Rauchens konnte eindeutig nachgewiesen werden. Die Kinder und Jugendlichen müssen vor allem auch dabei unterstützt werden, sich gegen Verlockungen zum Rauchen erfolgreich zur Wehr zu setzen („Nicht der Raucher ist der Held ....”).

Ganz aktuell ist neben dem Werbeverbot, das sehr wahrscheinlich auf Druck der EU demnächst auch für Deutschland gelten wird, die Diskussion zum Passivrauchen im Gange [15] [16] [17]. Nach den sehr positiven Erfahrungen vieler anderer Länder mit rauchfreien Gaststätten, die nicht zu wirtschaftlichen Einbußen geführt haben [18], sollten dringend die Initiativen auf Bundesebene zum konsequenten gesetzlichen Schutz vor Passivrauchen, besonders auch wegen der betroffenen Beschäftigten, unterstützt werden. Inzwischen gibt es genügend gut belegte wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema, die als Argumentationshilfe gegen die Kritik der Tabakindustrie und anderer Lobby-Gruppen genutzt werden können [5] [16] [17] [18] [19] [20].

Jedes einzelne Mitglied der DGP ist aufgerufen, hier einen wichtigen persönlichen Beitrag zu leisten, indem es rasch Kontakt zu seinem/ihrem zuständigen Bundestagsabgeordneten sucht und ihn/sie anhand der Fakten davon überzeugt, sich für weitgehende gesetzgeberische Maßnahmen, insbesondere für ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie, einzusetzen.

Literatur

  • 1 Editorial . Germany’s fatal stance on tobacco advertising.  Lancet. 2006;  367 1292
  • 2 Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin . Rauchen und pneumologische Erkrankungen, positive Effekte der Tabakentwöhnung. (Positionspapier der DGP).  Pneumologie. 2007;  61 11-14
  • 3 European Respiratory Journal .Instructions to Authors. http://www.erj.ersjournals.com
  • 4 Hirschhorn N. Shameful science: four decades of the German tobacco industry’s hidden research on smoking and health.  Tob Control. 2000;  9 242-248
  • 5 Bornhäuser A, McCarthy J, Glantz S A. German tobacco industry’s successful efforts to maintain scientific and political respectability to prevent regulation of secondhand smoke.  Tob Control. 2006;  15 e1
  • 6 Grüning T, Gilmore A B, McKee M. Tobacco industry influence on science and scientists in Germany.  Am J Pub Health. 2006;  96 21-32
  • 7 Diethelm P A, Rielle J-C, McKee M. The whole truth and nothing but the truth? The research that Philip Morris did not want you to see.  Lancet. 2005;  366 86-92
  • 8 Glantz S A. Tobacco money at the University of California.  Am J Respir Crit Care Med. 2005;  171 1067-1069
  • 9 Deutsches Krebsforschungszentrum, Bundesärztekammer (Hrsg.) .Dem Tabakkonsum Einhalt gebieten - Ärzte in Prävention und Therapie der Tabakabhängigkeit. Heidelberg und Berlin 2005
  • 10 US Department of Health and Human Services .Sustaining state programs for tobacco control: data highlights 2004. Atlanta, Ga: US Dept. of Health and Human Services, Centers for Disease Control and Prevention, National Center for Chronic Disease Prevention and Health Promotion, Office on Smoking and Health 2004 http://www.cdc.gov/tobacco/datahighlights/
  • 11 Sachs D PL. Tobacco dependence treatment. Time to change the paradigm (Editorial).  Chest. 2006;  129 836-839
  • 12 Klesges R C, Johnson K C, Somes G. Varenicline for smoking cessation: definite promise, but no panacea (Editorial).  JAMA. 2006;  296 94-95
  • 13 Deutsches Krebsforschungszentrum (Hrsg) .Gesundheit fördern - Tabakkonsum verringern: Handlungsempfehlungen für eine wirksame Tabakkontrollpolitik in Deutschland. Heidelberg 2002
  • 14 Kraus D, Duprée T, Bölcskei P L. Eltern als Partner in der schulischen Gesundheitsförderung und Suchtvorbeugung: Eine empirische Studie am Beispiel Klasse 2000.  Gesundheitswesen. 2003;  65 371-377
  • 15 Deutsches Krebsforschungszentrum (Hrsg) .Passivrauchen - ein unterschätztes Gesundheitsrisiko. Heidelberg 2005
  • 16 WHO Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle, Deutsches Krebsforschungszentrum (Hrsg) .Positionspapier zur Gesundheitsgefährdung durch Passivrauchen. http://www.tabakkontrolle.de
  • 17 Deutsches Krebsforschungszentrum (Hrsg) .Rauchfreie Gaststätten - mehrheitliche Zustimmung der deutschen Bevölkerung. Heidelberg 2006
  • 18 Smoke Free Partnership . Lifting the smokescreen. 10 reasons for a smoke free Europe.  ERSJ Ltd. 2006;  1-146 (www.ersnet.org)
  • 19 US Department of Health and Human Services . The health consequences of involuntary exposure to tobacco smoke.  A report of the Surgeon General.. 2006;  1-709 www.surgeongeneral.gov/library/secondhandsmoke
  • 20 Jaakkola M S, Jaakkola J JK. Impact of smoke-free workplace legislation on exposures and health: possibilities for prevention (Review).  Eur Respir J. 2006;  28 297-408

Prof. Dr. med. Robert Loddenkemper

Lungenklinik Heckeshorn HELIOS Klinikum Emil von Behring

Zum Heckeshorn 33

14109 Berlin

Email: loddheck@zedat.fu-berlin.de

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