Z Sex Forsch 2005; 18(2): 198-201
DOI: 10.1055/s-2005-836646
Dokumentation

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Fallbericht eines Patienten mit sexueller Sucht [1]

Wolfgang Berner1
  • 1Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
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Publication History

Publication Date:
01 August 2005 (online)

Symptomatik

Herr T. ist ein 52-jähriger, groß gewachsener, schlaksig wirkender, etwas nachlässig, aber sauber gekleideter Mann mit großen Händen und unregelmäßig gewachsenen Zähnen. Das schüttere blonde Haar hängt ihm etwas ungeordnet in die Stirn. Er ist seit Dezember 1999 wegen eines unwiderstehlich empfundenen Zwangs, Pornofilme in Videokabinen zu konsumieren, bei mir in Behandlung. Dieser Zwang trat phasenweise auf und dauerte oft viele Stunden, manchmal auch durchgehend zwei Tage, und ging gelegentlich mit Alkohol- und Nikotinmissbrauch einher. Erst völlige Erschöpfung beendete den Zwang zu schauen. Dieses zwischen Zwang und Sucht liegende Sexualverhalten entwickelte sich über viele Jahre, erreichte 1992/93 einen Höhepunkt (damals gab der Patient bis zu 1 000 DM pro Monat für Peepshows aus) und veränderte sich deutlich nach einer sechswöchigen psychosomatischen Kur im Jahr 1995, während der er seine zweite Frau kennen lernte. Trotz der im Gegensatz zur ersten Ehe positiv empfundenen Sexualität mit dieser Frau kam es ab 1996 etwa halbjährlich wieder zu Phasen intensiven Pornokonsums, der an Abstürze von Quartalstrinkern erinnert. In solchen Phasen begebe er sich mit einer Rolle von Fünfmarkstücken oder einer Anzahl von 10- und 20-DM-Scheinen in Videokabinen, in denen 30 bis 120 Filme zur Auswahl stünden. Er nehme eine Flasche Wodka und Zigaretten mit, die Zigarette dürfe dabei nie ausgehen. Er möchte Szenen sehen, in denen Partner eng umschlungen sind bzw. normalen Geschlechtsverkehr haben. Er zappt jeweils weiter, wenn Frauen und Männer hässlich sind, wenn sie sich anpinkeln, bei Sado-Maso-Szenen oder „Rudelbumsen”. Er halte dabei die Ejakulation ganz lange zurück. Wenn es zur Ejakulation komme, dann sei für etwa ein bis zwei Stunden Pause, er gehe dann essen oder trinken und danach wieder ins Kino. Durchschnittlich dauerten solche Phasen acht bis neun Stunden. Er gehe von einer Videokabine in die Nächste.

1 Überarbeitete Fassung des auf der 2. Klinischen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung vom 24. bis 26. September 2004 in Münster gehaltenen Vortrags

1 Überarbeitete Fassung des auf der 2. Klinischen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung vom 24. bis 26. September 2004 in Münster gehaltenen Vortrags

Prof. Dr. Wolfgang Berner

Institut für Sexualforschung und Forensische PsychiatrieZentrum für Psychosoziale MedizinUniversitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Martinistr. 52

20246 Hamburg

Email: berner@uke.uni-hamburg.de