Aktuelle Ernährungsmedizin 2003; 28(4): 259-264
DOI: 10.1055/s-2003-40787
Originalbeitrag
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ethische Aspekte der Gentechnologie: Beispiel Stammzellforschung

Ethical Aspects of Genetic Engineering: For Example Stem Cell ResearchL.  Honnefelder1
  • 1Philosophisches Seminar LFBII, Universität Bonn
Vortrag anlässlich der 3. Wissenschaftlichen Tagung des Berufsverbandes Deutscher Ernährungsmediziner e. V., 27. - 28.9.2002, Münster
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Publication Date:
22 July 2003 (online)

Zusammenfassung

Die Stammzellforschung bildet ein Forschungsfeld, das nicht allein grundlegende naturwissenschaftliche Erkenntnisse vermittelt und medizinische Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen verspricht, sondern darüber hinaus schwerwiegende ethische Fragen aufwirft. Dies liegt insbesondere daran, dass die Gewinnung von humanen ES-Zellen die Vernichtung menschlicher Embryonen und gegebenenfalls deren gezielte Herstellung zu Forschungszwecken voraussetzt. Inwieweit solch eine Vernichtung bzw. Herstellung von Embryonen zu rechtfertigen ist, hängt wesentlich von 2 Fragen ab: 1. welche genauen Ziele mit der naturwissenschaftlich-medizinischen Verwendung von Stammzellen verfolgt werden und in welchem Verhältnis die dazu verwendeten Mittel stehen; 2. welchen moralischen Status man Embryonen im frühen Entwicklungsstadium beimisst und inwiefern die hiermit verbundene Schutzwürdigkeit sich gegen hochrangige Forschungsziele und langfristige Heilungsoptionen abwägen lässt. In letzterem Zusammenhang lassen sich verschiedene Grundpositionen in der Debatte ausmachen, welche entweder die Schutzwürdigkeit des Embryos mit Hilfe von Identitäts-, Potenzialitäts- und Kontinuitätsargumenten aus der allgemeinen Schutzwürdigkeit des Menschen zu begründen suchen oder aber diese Schutzwürdigkeit vom Erreichen bestimmter mentaler Fähigkeiten abhängig machen. Entsprechend unterschiedlich fällt die ethische Analyse einschlägiger Verfahren wie des so genannten therapeutischen Klonens oder der Verwendung überzähliger Embryonen zu Forschungszwecken aus.

Abstract

Stem cell research provides basic scientific insights in the development of life and promises future options of medical application. However, it also raises fundamental ethical questions, especially as the production of human ES cells implies the destruction and, possibly, deliberate creation of a human embryo. The question whether such a destruction and/or creation can be morally justified crucially depends on 2 issues: 1. on the exact relation of means and ends in the scientific and medical application of stem cells; 2. on the moral status of the human embryo and the possibility of balancing this status with high-ranking targets of research and possible options of curing diseases. Concerning the latter, various basic positions can be identified within the ethical debate, relying either on arguments of identity, potentiality or continuity in order to establish the proper degree of protection of human embryos; or, alternatively, determining this status in relation to certain mental abilities achieved. Depending on these different approaches, the ethical assessment of special techniques such as the so-called therapeutic cloning or the application of spare embryos differ considerably.

Literatur

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Prof. Dr. phil. L. Honnefelder

Philosophisches Seminar LFBII · Universität Bonn

Heinrich-von-Kleist-Straße 14

53113 Bonn

Email: honnefelder@uni-bonn.de