Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0043-122001
Familiäre Herkunftsbedingungen und die sexuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen – ein empirischer Überblick
The importance of family conditions of origin for the sexual development of children and adolescents – An empirical overviewPublication History
Publication Date:
04 January 2018 (online)
Zusammenfassung
Sexuelle Bildung findet im Spannungsfeld zwischen Familie und außerfamiliären Sozialisationsinstanzen statt. Professionelle Sexualpädagog*innen benötigen deshalb Kenntnisse auch zu familiärer Sexualerziehung und über den Zusammenhang familiärer Herkunftsbedingungen und sexueller Entwicklung. Angesichts der in der Bundesrepublik seit 2014 geführten Debatte zum Verhältnis von familiärer und außerfamiliärer sexueller Bildung werden in folgendem Beitrag empirische Befunde ausgewählter Studien zu familiären Herkunftsbedingungen in ihrer Bedeutung für die Sexualentwicklung von Kindern und Jugendlichen dargestellt. Dafür werden neben soziokulturellen Bedingungen wie Bildung der Eltern, Religiosität und nationale Herkunft auch Aspekte des Erziehungsstils, die verbale Kommunikation in der Familie, der Umgang mit Nacktheit sowie die liebevolle Beziehungsgestaltung analysiert. Die Ergebnisse deuten auf einen qualitativen Wandel der „Familiarisierung“ sexueller Entwicklung hin: Verbale Kommunikation im Sinne aufklärender Wissensvermittlung durch Eltern hat aufgrund der angewachsenen Informationsmöglichkeiten in den modernen Medien an Bedeutung verloren. Der Einfluss auf die sexuelle Entwicklung generell hat sich hingegen verstärkt. Eltern agieren zurückhaltender und grenzachtender – kommunikativ wie körperlich. Trotz eines historischen Angleichs der Erziehungsmodi gegenüber Töchtern und Söhnen ist die sexuelle Entwicklung von Mädchen nach wie vor stärker familiär beeinflusst als die von Jungen.
Abstract
Sex education takes place in the conflicted area between family and extrafamilial social institutions (school, peer groups, media). Professional sexual pedagogues require knowledge about sex education in families. This contribution considers the debate that has been taking place since 2014 about the relationship between the empirical findings of various studies in the field of familial and extrafamilial sex education on family conditions of origin and their importance for the sexual development of children and adolescents. These are presented in a historical perspective. Besides sociocultural conditions such as parental educational level, religion and national origin, aspects of parenting style, verbal communication in the family, dealing with nudity and the creation of loving relationships will also be analyzed. Results suggest a qualitative change in the “familiarization” of sexual development: Knowledge transfer through verbal communication from the parents has lost its significance due to the growing opportunities for accessing information via modern media. The influence of parents on sexual development has however in general increased. In communication and physical contact, parents act more cautiously and respectfully. A historical comparison of education models between sons and daughters shows that the sexual development of girls is still more influenced by the family than the development of boys.
-
Literatur
- Bathke GW. Die Bedeutung von Herkunfts- und Entwicklungsbedingungen für sexuelle Einstellungen und sexuelles Verhalten von Jugendlichen. In: Ehe-Familie-Sexualverhalten. III. Seminar sozialistischer Länder der Sektion Ehe und Familie der Gesellschaft für Sozialhygiene der DDR. Leipzig: ZIJ; 1983
- Bathke GW. Herkunftsbedingungen und Liebes- und Sexualverhalten. In: Starke K, Friedrich W. Hrsg. Liebe und Sexualität bis 30. Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften; 1984: 248-257
- Block K, Schmidt G. Jugendliche Schwangere und ihre Partner. In: Matthiesen S, Block K, Mix S. et al. Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Frauen. Köln: BZgA; 2009: 41-58
- [BZgA] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Hrsg. Jugendsexualität. Wiederholungsbefragung von 14- bis 17jährigen und ihren Eltern. Ergebnisse der Repräsentativbefragung aus 2001. Köln: BZgA; 2001
- [BZgA] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Hrsg. Jugendsexualität 2010. Repräsentative Wiederholungsbefragung von 14- bis 17-Jährigen und ihren Eltern. Aktueller Schwerpunkt Migration. Köln: BZgA; 2010. a
- [BZgA] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Hrsg. Sexualität und Migration: Milieuspezifische Zugangswege für die Sexualaufklärung Jugendlicher. Köln: BZgA; 2010. b
- [BZgA] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Hrsg. Migrantinnen und Migranten als Zielgruppe in der Sexualaufklärung und Familienplanung. Köln: BZgA; 2011
- Dannenbeck C, Stich J. Sexuelle Erfahrungen im Jugendalter. Aushandlungsprozesse im Geschlechterverhältnis. Köln: BZgA; 2005
- Giese H, Schmidt G. Studentensexualität. Reinbek: Rowohlt; 1968
- Heßling A, Bode H. Sexual- und Verhütungsverhalten Jugendlicher und junger Erwachsener. Bundesgesundheitsblatt 2013; 56: 184-191
- Heßling A, Bode H. Jugendsexualität 2015. Die Perspektive der 14- bis 25-Jährigen. Ergebnisse einer aktuellen Repräsentativen Wiederholungsbefragung. Köln: BZgA; 2015
- Kluge N. Ist die familiale Sexualerziehung besser als ihr Ruf? Erste Ergebnisse einer Repräsentativbefragung in den alten und neuen Bundesländern. In: Dokumentation der 1. Europäischen Fachtagung „Sexualaufklärung für Jugendliche“ der BZgA. Köln: BZgA; 1995: 66-71
- Kluge N. Christlich geprägte Eltern klären besser auf. Epd-Meldung vom 9.12.1997. In: Kluge N. Aufklären statt Verschweigen. Informieren statt Verschleiern. Studien zur Sexualpädagogik, Bd. 12. Frankfurt/M.: Peter Lang; 1998
- Kramer B. Proteste gegen Sexualkunde: Wer sind die „besorgten Eltern“?. In: Spiegel online, Hrsg. Schulspiegel. 2015 Als Online-Dokument: http://www.spiegel.de/schulspiegel/ besorgte-eltern-und-ihr-seltsamer-protest-gegen-sexualkundeunterricht-a-1017578.html
- Matthiesen S. Jugendsexualität im Internetzeitalter. Eine qualitative Studie zu sozialen und sexuellen Beziehungen von Jugendlichen. Köln: BZgA; 2013
- Matthiesen S, Block K, Mix S. et al. Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Frauen. Köln: BZgA; 2009
- Schmidt G. Hrsg. Jugendsexualität. Sozialer Wandel. Gruppenunterschiede. Konfliktfelder. Stuttgart: Enke; 1993
- Schmidt G. Familie, Gesellschaft, Jugendsexualität. In: [BZgA] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Hrsg. Learn to love. Dokumentation der 1. Europäischen Fachtagung „Sexualaufklärung für Jugendliche“. Köln: BZgA; 1995: 62-64
- Schmidt G. Was machen Jungen mit Pornografie?. In: Matthiesen S. Jugendsexualität im Internetzeitalter. Eine qualitative Studie zu sozialen und sexuellen Beziehungen von Jugendlichen. Köln: BZgA; 2013: 171-197
- Schmid-Tannwald I, Urdze A. Sexualität und Kontrazeption aus der Sicht der Jugendlichen und ihrer Eltern. Ergebnisse einer haushaltsrepräsentativen Erhebung in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlin. Stuttgart: Kohlhammer; 1983
- Sigusch V, Schmidt G. Jugendsexualität. Dokumentation einer Untersuchung. Beiträge zur Sexualforschung, Bd. 52. Stuttgart: Enke; 1973
- Spiegel. Die unaufgeklärte Nation. Nr. 93. 2002: 70-76
- Starke K, Weller K. Partner- und Sexualforschung. In: Friedrich W, Förster P, Starke K. Das Zentralinstitut für Jugendforschung Leipzig 1966–1990. Geschichte, Methoden Erkenntnisse. Berlin: edition ost; 1999
- Weller K. Zusammenfassung und Diskussion zum Workshop „Familie: Wichtigster Ort der Sexualaufklärung“. In: [BZgA] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Hrsg. Learn to love. Dokumentation der 1. Europäischen Fachtagung „Sexualaufklärung für Jugendliche“. Köln: BZgA; 1995: 74-79
- Weller K. Deutschland – eine „unaufgeklärte Nation“?. In: Forum Sexualaufklärung und Familienplanung. Köln: BZgA; 2003 Als Online-Dokument: http://forum.sexualaufklaerung.de/index.php?docid=467
- Weller K. Raue Schale – romantischer Kern. Gibt es eine „sexuelle Verwahrlosung unter Jugendlichen?. Dokumentation des Fachtags „Sexualität und Sexualisierung. Eine Herausforderung für die Kinder- und Jugendhilfe“. München: 2009 Als Online-Dokument: http://www.muenchen.de/cms/prod2/mde/_de/rubriken/Rathaus/85_soz/06_jugendamt/99_veroeffentlichungen/Tagungsdoku_ohneanhang.pdf
- Weller K. PARTNER 4. Sexualität und Partnerschaft ostdeutscher Jugendlicher im historischen Vergleich. Handout zum Symposium an der HS Merseburg am 23.Mai 2013. Merseburg: 2013 a Als Online-Dokument: http://www.ifas-home.de/downloads/PARTNER4_Handout_06%2006.pdf
- Weller K. Jugendsexualität 2013. PARTNER 4 – Sexualität und Partnerschaft ostdeutscher Jugendlicher im historischen Vergleich. Tabellenband 2013 – 1990 – 1980. Merseburg: 2013. b
- Weller K, Starke K. Veränderungen 1970 – 1990 (DDR). In: Schmidt G. Hrsg. Jugendsexualität. Sozialer Wandel. Gruppenunterschiede. Konfliktfelder. Stuttgart: Enke; 1993: 49-65
- Wüllenweber W. Voll Porno! Stern.de 14.7.2007. Als Online-Dokument: http://www.stern.de/politik/deutschland/sexuelle-verwahrlosung-voll-porno--3362430.html