Z Orthop Unfall 2015; 153(2): 146-152
DOI: 10.1055/s-0034-1396157
Originalarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zementhaftung auf keramischen Oberflächen – Oberflächenaktivierung der Retentionsflächen von Knieendoprothesen durch atmosphärisches Plasma vs. thermischer Oberflächenbehandlung

Bone Cement Adhesion on Ceramic Surfaces – Surface Activation of Retention Surfaces of Knee Prostheses by Atmospheric Plasma versus Thermal Surface Treatment
B. Marx
1   Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik, RWTH Aachen
,
R. Marx
2   Zentrum für Bio-Medizintechnik der RWTH Aachen, CC&A Medical Components Ltd., Aachen
,
U. Reisgen
1   Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik, RWTH Aachen
,
D. Wirtz
3   Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinik Bonn
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Publication History

Publication Date:
14 April 2015 (online)

Zusammenfassung

Studienziel: CoCrMo-Legierungen sind kontraindiziert bei Allergikern. Für diese Patienten sind im Hüftbereich zementfreie und zementierte Prothesen aus Titanlegierungen verfügbar. Knieendoprothesen aus dieser Legierung, insbesondere auch die Tibiateile dieser Prothesen, können im Zusammenwirken mit dem UHMWPE-(Ultra-High-Molecular-Weight Polyethylene-)Inlay ein problematisches Abriebverhalten zeigen. Deshalb sind im Kniebereich zementierte Endoprothesen aus nicht allergener Oxidkeramik sinnvoll. Die Oxidkeramikoberfläche hat für Knochenzement eine deutlich geringere Retention im Vergleich zu einer texturreichen Metalloberfläche. Durch Raustrahlen erzeugte Texturen auf einer keramischen Oberfläche sind wegen des Sprödbruchverhaltens von Keramik ungeeignet. Scharfe Kanten und Texturen an der Keramikoberfläche verursachen eine Kerbwirkung, welche zur Rissausbreitung und in Folge zu einer Reduzierung der mechanischen Festigkeit der Keramik führt. Mangelnde Retention des Knochenzements auf der Keramikoberfläche begünstigt Mikrobewegungen der Prothese, die das Risiko für „Debonding“ erhöhen. Eine Silikatbeschichtung kann durch spezifische Adhäsion die Retention auch ohne Texturen gegen hydrolytische Degradation stabilisieren und so „Debonding“ verhindern; allerdings setzt diese spezifische Adhäsion die Reinigung und die Aktivierung der Oberfläche voraus. Methode: Gegenstand der Untersuchungen ist eine Kompositkeramik aus einer Aluminiumoxidmatrix, die mit Zirkoniumoxid und Stängelkristallen (Platelets) verstärkt ist (Zirkoniumoxid- und Platelet-verstärktes Aluminiumoxid: ZPTA. Durch die Umwandlungsverstärkung von Zirkoniumoxid und dem zusätzlichen Rissablenkungsverhalten der Stängelkristalle kombiniert der Werkstoff so die sehr geringe Abriebrate von Aluminiumoxid mit der hohen Festigkeit und Bruchzähigkeit von Zirkoniumoxid. Um die Wirksamkeit der Reinigung und Aktivierung durch atmosphärisches Plasma bzw. durch thermische Oberflächenbehandlung und anschließender PVD-(Physical Vapour Deposition/Physikalische Gasphasenabscheidung-)Beschichtung mit Silikat zu untersuchen, wurde die auf ihre Haftfestigkeit zu untersuchende ZPTA-Keramikoberfläche „as-fired“ gereinigt und oberflächenaktiviert. Nach der Silikatbeschichtung wurden auf die scheibenförmigen Keramikprüfkörper TiAlV-Sonden (Durchmesser 6 mm) als Stirnzugprüfkörper zentrisch aufzementiert und nach vorgegebenen Fristen hydrolytischer Belastung von bis zu 150 Tagen bei 37 °C in Ringer-Lösung („Auslagerung“) im Stirnzugversuch die Haftfestigkeit geprüft. Als Referenz dienten gereinigte, nicht aktivierte Prüfkörper aus „as-fired“-ZPTA-Keramik ohne Silikatbeschichtung. Ergebnisse: Die Haftfestigkeit auf der aktivierten, silikatbeschichteten ZPTA-Oberfläche erwies sich für beide Aktivierungsmethoden innerhalb des 5-monatigen Beobachtungsintervalls als hydrolysestabil und war nach allen untersuchten Auslagerungsintervallen stets größer als 20 MPa. Die anfängliche Haftfestigkeit ohne Auslagerung auf der gewaschenen, aber nicht aktivierten Oberfläche ohne Silikatbeschichtung war 5 MPa. Schlussfolgerung: Die Oberflächenaktivierung durch atmosphärisches Plasma oder thermische Oberflächenbehandlung ist gleichwertig und führt bei der untersuchten Oxidkeramik in Verbindung mit einer anschließenden Silikatbeschichtung zu einer Retention, die klinisch ausreichend sein sollte, um haftungsbedingte Migration, Mikrobewegung und haftungsbedingtes „Debonding“ zu unterbinden.

Abstract

Aim: CoCrMo alloys are contraindicated for allergy sufferers. For these patients, uncemented and cemented prostheses made of titanium alloy are indicated. Knee prostheses machined from that alloy, however, may have poor tribological behaviour, especially in relation to UHMWPE inlays. Therefore, for knee replacement cemented high-strength oxide ceramic prostheses are suitable for allergy sufferers and in cases of particle-induced aseptic loosening. For adhesion of bone cement, the ceramic surface, however, only exposes inefficient mechanical retention spots as compared with a textured metal surface. Undercuts generated by corundum blasting which in the short-term are highly efficient on a CoCrMo surface are not possible on a ceramic surface due to the brittleness of ceramics. Textures due to blasting may initiate cracks which will weaken the strength of a ceramic prosthesis. Due to the lack of textures mechanical retention is poor or even not existent. Micromotions are promoted and early aseptic loosening is predictable. Instead silicoating of the ceramic surface will allow specific adhesion and result in better hydrolytic stability of bonding thereby preventing early aseptic loosening. Silicoating, however, presupposes a clean and chemically active surface which can be achieved by atmospheric plasma or thermal surface treatment. Method: In order to evaluate the effectiveness of silicoating the bond strengths of atmospheric plasma versus thermal surface treated and silicate layered ZPTA surfaces were compared with “as-fired” surfaces by utilising TiAlV probes (diameter 6 mm) for traction-adhesive strength tests. After preparing samples for traction-adhesive strength tests (sequence: ceramic substrate, silicate and silane, protective lacquer [PolyMA], bone cement, TiAlV probe) they were aged for up to 150 days at 37 °C in Ringerʼs solution. Results: The bond strengths observed for all ageing intervals were well above 20 MPa and much higher and more hydrolytically stable for silicate layered compared with “as-fired” ZPTA samples. Conclusion: Silicoating may be effective for achieving high initial bond strength of bone cement on surfaces of oxide ceramics and also suitable to stabilise bond strength under hydrolytic conditions as present in the human body in the long-term. Activation by atmospheric plasma or thermal surface treatment seems to be effective for activation prior to silicoating. Due the proposed silicate layer migration, micromotions and debonding should be widely reduced or even eliminated.