Z Sex Forsch 2013; 26(1): 1-18
DOI: 10.1055/s-0033-1335055
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schamlos ausgestellt?

Arbeiten Tracey Emins
Insa Härtel
a   International Psychoanalytic University Berlin
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Publication Date:
21 March 2013 (online)

Übersicht

Ausgehend von den Irritationspotentialen künstlerischer Produktionen behandelt dieser Text Arbeiten der britischen Künstlerin Tracey Emin, die westliche Deutungsmuster von „schamloser Gesellschaft“ oder „sexueller Verwahrlosung“ neuartig zu beleuchten vermögen. Die Kunst Emins wird nicht selten als „Bekenntniskunst“ rezipiert; die Künstlerin inszeniert darin wiederkehrend ihre scheinbar eigene (sexuelle) Vergangenheit auf eine Weise, die gelegentlich als schamlos gilt. Vor dem Hintergrund einer angenommenen Dialektik von Scham und Schamlosigkeit geht dieser Aufsatz der Frage nach, wie Emins Spiel mit Schande, Scham oder deren Fehlen funktioniert. Dafür nimmt er sich Why I never became a dancer (1995) und Top Spot (2004) vor. Die frühere Videoarbeit bricht mit der ausgestellten Beschämungsdynamik, indem sie aus einer demütigenden Szene einen Triumph und schamhaft Besetztes durch die künstlerische Form genießbar macht. Der spätere Feature Film führt dem Betrachtenden gleichsam seine eigene Sicht vor Augen, die selbst eine Form der Schamlosigkeit enthält und auf diese Weise die Rede von der „schamlosen Gesellschaft“ in einen anderen Rahmen stellt.