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DOI: 10.1055/a-2361-7194
Professor Dr. med. Hans Ditschuneit (1927-2024)
Hans Ditschuneit wurde am 20. April 1927 in Ostpreußen geboren [Abb. 1]. Aus dem Gymnasium wurde er mit 17 Jahren zum Kriegsdienst eingezogen und geriet in amerikanische Gefangenschaft. Die Flucht aus Frankreich führte ihn nach Ulm, wo er große Hilfe erfahren hat und Ulm und die Ulmer ins Herz geschlossen hat.
Nach dem Abitur studierte Hans Ditschuneit Physik und Medizin in Frankfurt. Der berufliche Einstieg in die Medizin begann in der Inneren Medizin der Universität Frankfurt bei Prof. Hoff. Dort habilitierte er sich auf dem Gebiet des Diabetes mellitus. Für seine Forschung im Rahmen der Habilitationsarbeit wurde ihm der renommierte Frerichspreis im Rahmen der DGIM verliehen.
1967 erhielt er einen Ruf an die neu gegründete Reformuniversität Ulm unter dem Gründungsrektor Prof. Heilmeyer. Er übernahm die Abteilung Stoffwechsel- und Ernährungswissenschaften und 1977 auch die Abteilung für Gastroenterologie.
Wissenschaftlich hat Hans Ditschuneit das Gebiet Fettstoffwechsel, Ernährungsmedizin und Gastroenterologie auf höchstem Stand verbunden, vertreten und erfolgreich vorangebracht. Er hat früh die Zeichen der digitalen Welt der EDV in der Klinik und die Entwicklung von Befundsystemen erkannt.
Zahlreiche Publikationen auf dem Gebiet der Arteriosklerose-Forschung und der Hyperlipoproteinämien wurden ergänzt durch Studien zum Totalen Fasten und haben zu regionalem und internationalem Bekanntheitsgrad geführt. Es spricht für Hans Ditschuneit, erkannt zu haben, dass die Null-Diät wissenschaftlich nicht mehr vertretbar und nicht evidenzbasiert war. Die Zugabe von Protein sollte den Eiweißverlust und Komplikationen verhindern, es entstand der Ulmer Trunk. Das modifizierte Fasten (PSMF) wurde in zahlreichen Studien evaluiert, erforscht, weiterentwickelt und über MODIFAST und OPTIFAST erfolgreich in die Adipositas-Therapie eingeführt.
Die Entwicklung der Formuladiäten wurde von der Arbeitsgruppe Ditschuneit erfolgreich vorangetrieben. Die Formuladiäten sind heute Leitlinienstandard und werden vom Spitzenverband der GKV uneingeschränkt empfohlen.
Die Forschungen auf dem Gebiet der Adipositas führten 1984 zur Gründung der Deutschen Gesellschaft für Adipositasforschung (DGAF), später Deutsche Adipositasgesellschaft (DAG). Unter Hans Ditschuneit, F. A. Gries und J. G. Wechsler wurden zahlreiche nationale und internationale Kongresse (u. a. EASO Ulm, 1993) durchgeführt. Lange Jahre war Hans Ditschuneit Präsident der DAG und wurde in Anbetracht seiner Verdienste zum Ehrenmitglied der DAG ernannt.
Weitere wissenschaftliche Forschungsschwerpunkte setzte er auf den Gebieten der Leber (W. Fleig), der chronisch entzündlichen Darmkrankheiten (E. F. Stange), des Pankreas (P. Malfertheiner), der Endoskopie (Belohlavek und Junge), Ultraschall (J. G. Wechsler, W. Swobodnik, P. Janowitz), KI- und EDV (K. Kuhn), Elektronenmikroskopie (G. Bode), Bodycomposition, Densitometrie, Ulmer Fass (H. Wenzel), Gaschromatographie (H. Jäger), Diätstudien (H. H. Ditschuneit) und GI-Hormone (R. Fussgänger).
Hans Ditschuneit verstand es junge Wissenschaftler zu motivieren, zu fördern und an der langen Leine laufen zu lassen. Zahlreiche Promotionen, Habilitationen, Publikationen, Originalbeiträge, Kongressbeiträge und Fortbildungsveranstaltungen kamen aus der Abteilung Ditschuneit.
Seine Schüler erhielten Berufungen auf Lehrstühle und in leitende Positionen in der Inneren Medizin mit Schwerpunkt Gastroenterologie.
Als Chef war Hans Ditschuneit bei seinen Schülern und Mitarbeitern wegen seines kollegialen und auch väterlichen Umgangs beliebt. Bei den Patienten war er als hochkompetenter und einfühlsamer Arzt anerkannt und geschätzt.
Die Vorlesungen für die Studenten waren ihm mehr Freude als Verpflichtung.
Trotz der beruflichen Belastung, Forschung, Lehre und Krankenversorgung fand er Zeit für zwei Hobbies. Die Jagd war ihm mehr Hege, als Jagd. Er hatte Freude bei Fütterungsversuchen zu sehen, dass auch Rehe adipös werden können. Das Fliegen war seine Leidenschaft. Vom Gleitflieger, zum Segelflieger, zum Motorflieger mit zuerst einem, und dann zwei Motoren. Zuletzt mit Radar wegen einiger Irrflüge. Auch Flugzeugabstürze konnten ihn nicht aufhalten.
Nach einem Absturz in der Schweiz humpelte er am nächsten Tag in die Klinik und sagte zu mir „Siehste Wechsler, mit mir kommste immer runter“.
Am 16.01.2024 ist Hans Ditschuneit im Alter von 96 Jahren verstorben.
Er hat in der Medizin große Spuren hinterlassen und bleibt als Arzt, Wissenschaftler, vor allem aber als Mensch unvergessen.
Prof. Dr. med. Johannes G. Wechsler, München
Publication History
Article published online:
07 October 2024
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