CC BY-NC-ND 4.0 · Dtsch Med Wochenschr 2023; 148(05): e21-e28
DOI: 10.1055/a-1973-6533
Originalarbeit

Ein fallbasiertes Unterrichtskonzept mit praktischen Übungen im Fach Hygiene und Mikrobiologie: ein nachhaltiges Unterrichtskonzept zur Umsetzung der neuen Approbationsordnung in klinisch-theoretischen Fächern

Case-based learning with practical exercises in the course hygiene and microbiology as a model for the implementation of the new medical licensing regulations
Jan P.W. Himmels
1   Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland
,
Jasmina Sterz
2   Frankfurter Interdisziplinäres Simulationszentrum, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland
,
Miriam Rüsseler
2   Frankfurter Interdisziplinäres Simulationszentrum, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland
,
Volkhard A.J. Kempf
1   Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland
,
Claudia Brandt
1   Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland
› Author Affiliations
Diese Arbeit wurde durch ein „Lehrverbesserungsprojekt“ an der Medizinischen Fakultät der Goethe-Universität Frankfurt (S 35/2016) gefördert.
 

Zusammenfassung

Hintergrund Im Rahmen eines Lehrverbesserungsprojekts an der Goethe-Universität, Frankfurt am Main wurde das Praktikum Hygiene und Mikrobiologie für Studierende der Humanmedizin von einem Organsystem-bezogenen auf ein fallbasiertes Unterrichtsmodell umgestellt. Begleitend wurde diese Umstellung im Hinblick auf eine Verbesserung der Lernwahrnehmung und des Lernerfolgs untersucht.

Methoden An dem Projekt nahmen 54 Personen teil. In homogenen Fokusgruppen wurden 45 Studierende mit bis zu fünf Personen interviewt. Neun der Teilnehmenden waren Ärztinnen oder Ärzte, die in Einzelinterviews befragt wurden. Die Interviews wurden anhand eines Leitfadens offen durchgeführt, anschließend anonym transkribiert und einer strukturierten qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen.

Ergebnis Die Ergebnisse belegen, dass sowohl Studierende als auch Ärztinnen und Ärzte im Praktikum Hygiene und Mikrobiologie eine fallbasierte Unterrichtsführung in Kombination mit dem Erwerb praktischer Kompetenzen präferieren. Studierende, die fallorientiert unterrichtet wurden, waren zufriedener und beklagten einen geringeren nachfolgenden Verlust des erworbenen theoretischen Fachwissens. Praktische Übungen im Fach Hygiene und Mikrobiologie waren allen Teilnehmenden auch noch nach langer Zeit gut erinnerlich. Unabhängig vom Unterrichtskonzept wurden die Dozenten als motivierende Schlüsselfigur identifiziert.

Schlussfolgerung Die Umstellung von einem Organsystem-bezogenen auf ein fallbasiertes Unterrichtskonzept mit praktischen Übungen führt im Fach Hygiene und Mikrobiologie zu einem besseren Verständnis für die Relevanz der Lerninhalte und zu einer subjektiven Steigerung des Lernerfolgs. Aufgrund der klinisch-theoretischen Verknüpfungen stellt das Unterrichtsmodell im Praktikum Hygiene und Mikrobiologie entsprechend den Vorgaben der neuen Approbationsordnung eine nachhaltige Unterrichtsalternative für klinisch-theoretische Fächer dar.


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Abstract

Background Within the scope of an educational improvement project, the teaching concept of the course hygiene and microbiology at the Goethe-University in Frankfurt was transferred from an organ system-based teaching concept into a case-based teaching concept. Concomitantly, this transformation was qualitatively reviewed to evaluate self-perceived learning success.

Methods 54 participants were included in this qualitative study. 45 students were interviewed in homogeneous focus groups of up to five. Nine physicians were interviewed individually. Following anonymization and transcription, a structured and qualitative text analysis was conducted.

Results Both groups, students and physicians, prefer a case-based teaching concept in hygiene and microbiology, especially in combination with a hands-on approach to learn practical skills. Students taught with the case-based approach were more satisfied and reported better knowledge retention. The practical elements of the course hygiene and microbiology were positively remembered by all participants. Regardless of the teaching concept, the individual lecturer is considered most essential in shaping motivation.

Conclusions Overall, the implementation of a case-based teaching concept with practical elements in the course hygiene and microbiology increases the ability of medical students to understand the relevance of core knowledge and improves self-perceived learning. The fusion of theoretical and clinical contents elements in the course hygiene and microbiology meets the new national medical licensing regulations in Germany and promises to be a sustainable concept for clinical-theoretical subjects like hygiene and microbiology.


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Einleitung

Das Fach Hygiene und Mikrobiologie stellt in der zukünftigen Ausbildung der Studierenden der Humanmedizin eine besondere Herausforderung dar. Neben der Neuausrichtung des Medizinstudiums hin zu einer kompetenzorientierten Lehre, deren Lernziele im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin [1] verbindlich festgelegt sind, müssen die Studierenden darauf vorbereitet werden, mit bestehenden und akut auftretenden Problematiken wie beispielsweise der bedrohlichen Zunahme an multi- und panresistenten Erregern sowie der pandemischen Verbreitung von emerging pathogens bei der Behandlung von Patienten umzugehen. Der Referentenentwurf der neuen Approbationsordnung für Ärztinnen und Ärzte (ÄApprO) sieht ab 2025 eine durchgängige klinisch-theoretische Verknüpfung für alle Lerninhalte des Medizinstudiums verbindlich vor. Für die Umsetzung dieser praxisnahen Medizinerausbildung erscheinen Organsystem-bezogene oder sogar Erreger-bezogene Unterrichtsmodelle, in denen sich die Lehre in erster Linie an Erregergattungen unter Einsatz von „Mikroskop und Petrischale“ orientiert, nicht mehr geeignet.

Nach motivationspsychologischer Auffassung entsteht ein besonders starkes Interesse am Erlernen neuer Zusammenhänge, wenn die Fragestellung zeitlich vor die Vermittlung von Lerninhalten gestellt wird [2]. Hierdurch wird der Erwerb des eigentlichen Fachwissens zu einem sachlichen Interesse und führt zu einer intrinsischen Motivationssteigerung der Studierenden, auch selbstverantwortlich Probleme zu lösen [3]. Der klinische Fall ist für angehende Ärztinnen und Ärzte einer der wichtigsten Impulse für den Lernprozess und fördert diesen nachhaltig. Durch die „fallorientierte Begegnung“ mit praxisrelevanten interdisziplinären Problemen und die Umlenkung des didaktischen Fokus von fachspezifischem Wissen auf die Entwicklung von Lösungsstrategien werden die Studierenden befähigt, ein medizinisches Problem in einem klinischen Kontext zu durchdringen und das erworbene Wissen auf ähnliche Situationen und Probleme zu übertragen.

Um durch eine tiefere Reflexion neue nachhaltige Wissenszusammenhänge mit einem langfristigen Transfer in die Praxis zu erlernen, wurde das bisherige, auf Organsysteme bezogene Unterrichtskonzept im Fach Hygiene und Mikrobiologie an der Goethe-Universität, Frankfurt zum Wintersemester 2016/17 umgestellt. Hierfür wurden klinische Fälle für praktische Übungen entwickelt, sodass sich für die Studierenden eine neue Lernperspektive aus fallbasiertem Lernen und praktischem Arbeiten ergab. Die Auswahl der zu erlernenden fachspezifischen Kompetenzen wurde anhand des 2015 erschienenen Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin getroffen [1].

Bisher sind keine Daten zu einem fallbasierten Lernen im Fach Hygiene und Mikrobiologie publiziert. Ziel der vorliegenden Studie war es, Einsicht in die Perspektive der Studierenden hinsichtlich Unterrichtswahrnehmung und subjektivem Lernerfolg in Abhängigkeit von der eingesetzten Lehrmethode zu erlangen sowie die longitudinale Wissensretention bei Ärztinnen und Ärzten zu analysieren. Zusätzlich sollten Erwartungen von Studierenden und jungen Ärztinnen und Ärzten an die fachspezifischen Lehrinhalte und Lehrkonzepte erfragt sowie vom Unterrichtsmodell unabhängige Störfaktoren identifiziert werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen als Hilfestellung für die Entwicklung und Implementierung eines neuen Curriculums im Fach Hygiene und Mikrobiologie im Zuge der Neugestaltung des Medizinstudiums gemäß den Vorgaben der anstehenden Novellierung der ÄApprO dienen.


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Methoden

Studiendesign und Teilnehmende

Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine qualitative Interviewstudie. Das explorative Studiendesign wurde gewählt, um durch die Formulierung offener Fragen tiefergehende Einblicke für die Situationsbeschreibung zu erhalten als es durch die Verwendung eines standardisierten Fragebogens möglich gewesen wäre. Somit konnte eine möglichst genaue, vollständige und facettenreiche Darstellung des Forschungsgegenstands ermöglicht werden [4]. Teilgenommen haben Studierende der Humanmedizin an der Goethe-Universität, Frankfurt und Ärztinnen und Ärzte mit Approbation in Deutschland, die bereits erste Berufserfahrungen gesammelt hatten. Es wurde weder nach Weiterbildungsfach rekrutiert noch nach Studienort differenziert.

Einschlusskriterium für die Studierenden war die regelmäßige und erfolgreiche Teilnahme am Praktikum Hygiene und Mikrobiologie im Wintersemester 2015/16 oder im Wintersemester 2016/17 an der Goethe-Universität, Frankfurt am Main. Die Rekrutierung der Teilnehmenden erfolgte durch persönliche Ansprache im Rahmen von Lehrveranstaltungen sowie über die Fachschaft Medizin, der Goethe-Universität, Frankfurt am Main. Die Studienteilnahme erfolgte freiwillig nach ausführlicher schriftlicher und mündlicher Aufklärung und konnte jederzeit widerrufen werden.


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Studienprotokoll

Basierend auf den Fragestellungen der Studie erfolgte die Erstellung zweier Interviewleitfäden bestehend aus ausformulierten, offenen Fragen sowie Hinweisen zur Spezifizierung. Diese dienten zum einen dazu, die Thematik der Interviews zu definieren, zum anderen sollte die Vergleichbarkeit der Interviews gewährleistet werden. Der Interviewleitfaden für die Studierenden bestand aus sechs offenen Fragen, wobei der thematische Schwerpunkt auf der Erfassung des fachbezogenen Wissensstandes der Studierenden sowie auf der persönlichen Wahrnehmung und Bewertung des Unterrichts lag. Für die Interviews mit Ärztinnen und Ärzten wurde dieser Fragebogen um Fragen hinsichtlich der subjektiv wahrgenommen Bedeutung der Hygiene und Mikrobiologie im klinischen Alltag und zur Retention des im Kurs erworbenen Wissens modifiziert. Die Fragebögen wurden nach ihrer Erstellung in ersten Interviews sowohl mit einer Fokusgruppe bestehend aus fünf Studierenden als auch in einem Einzelinterview mit einem Arzt getestet. Hier erwiesen sich die in den beiden Interviewleitfäden formulierten Fragen als verständlich und präzise, sodass basierend auf den Probeinterviews nur marginale Umformulierungen erfolgten. Die folgenden Boxen zeigen die so erstellten Interviewleitfäden.

Interviewleitfaden für Studierende der Humanmedizin
  • Vorstellung des Moderators

  • Vorstellung des Projekts

  1. Wie haben Sie das Praktikum Hygiene und Mikrobiologie wahrgenommen und bewerten den Nutzen hinsichtlich

    • Ihres Verständnisses von Infektionserkrankungen?

    • der Bedeutung des Erlernten für Ihr weiteres Studium und späteren Berufsalltag?

  2. Wie bewerten Sie den Unterricht im Hinblick auf

    • den didaktischen Aufbau des Praktikums?

    • den Stellenwert der praktischen Tätigkeiten?

    • die Bedeutung der klinischen Falldemonstrationen für Ihren Wissenserhalt?

  3. Wie bewerten Sie

    • das Verhältnis von theoretischem Wissenserwerb und praktischen Kompetenzen?

    • das Volumen und die Überschaubarkeit des Lernstoffes?

    • den Einsatz von Hilfsmaterialien (z.B. Begleitheft; Vorlesungsfolien)?

  4. Sehen Sie Verbesserungspotential in der Praktikumsgestaltung und -durchführung bei

    • dem Einsatz von Hilfsmitteln?

    • den Techniken der Wissensvermittlung?

    • dem Heranführen an die Nutzung von Lernmitteln?

  5. Über welche Themeninhalte hätten Sie gerne mehr gelernt?

  6. Wie bewerten Sie die Platzierung des Praktikums im Curriculum des Studiums der Humanmedizin?

Interviewleitfaden für Ärzte und Ärztinnen in Weiterbildung
  • Vorstellung des Moderators

  • Vorstellung des Projekts

  1. Wie haben Sie das Praktikum Hygiene und Mikrobiologie wahrgenommen hinsichtlich

    • Ihres Verständnisses von Infektionserkrankungen?

    • der Bedeutung des Erlernten für Ihre ärztliche Tätigkeit, insbesondere in Bezug auf Hygiene?

  2. Wie bewerten Sie

    • das Verhältnis von theoretischem Wissenserwerb und praktischen Kompetenzen?

    • das Volumen und die Überschaubarkeit des Lernstoffes?

  3. Bezüglich „Wissensstand zu Krankenhaushygiene und Mikrobiologie“:

    • Wie ist der Wissenserwerb und -erhalt aus dem Praktikum versus späteren Selbststudium?

    • Wie haben Sie das Selbststudium gestaltet, welche Quellen haben Sie hierfür genutzt?

    • Ist das erworbene Wissen aus dem Praktikum ausreichend für den klinischen Alltag?

  4. Sehen Sie Verbesserungspotential in der Praktikumsgestaltung und -durchführung bei

    • dem Einsatz von Hilfsmitteln?

    • den Techniken der Wissensvermittlung?

    • dem Heranführen an die Nutzung von Lernmitteln?

  5. Über welche Themeninhalte hätten Sie gerne mehr gelernt?

  6. Wie bewerten Sie die Platzierung des Praktikums im Curriculum des Studiums der Humanmedizin?

Für die studentischen Kohorten wurden Fokusgruppen mit maximal fünf Teilnehmenden gebildet. Die Interviews mit Ärztinnen und Ärzten wurden aus Respekt gegenüber den Kolleginnen und Kollegen und mit der Erwartung, dass über potenziell schambehaftete Themen wie Wissenslücken wahrheitsgemäß berichtet werden konnte, als Einzelinterviews geführt. Alle Interviews wurden in einer reizarmen Umgebung durchgeführt und als Tondatei aufgezeichnet. Jedes Interview wurde mit einer standardisierten Eingangsfrage eröffnet, danach wurde der Interviewverlauf je nach Gesprächsverlauf variiert. Die Sitzungen wurden geschlossen, sobald alle Themengebiete des Leitfadens besprochen waren, spätestens jedoch nach 60 Minuten. Alle aufgezeichneten Interviews wurden wortwörtlich transkribiert. Die Auswertung erfolgte nach den Prinzipen der qualitativen Inhaltsanalyse [5] und unter Verwendung des Programmes MAXQDA (VERBI Software. Consult. Sozialforschung GmbH, Berlin). Hierzu wurden basierend auf den Interviewleitfäden Hauptkategorien (Wissensstand, Lernumfeld, Lernmethoden) sowie Unterkategorien (Wissenslücken, praktische Fähigkeiten, theoretisches Wissen) definiert. Alle Transkripte wurden anschließend vollständig von jeweils zwei Autoren unabhängig voneinander kategorisiert. Im Anschluss wurden die Analysen verglichen, abweichende Kodierungen zwischen den Autoren diskutiert und konsentiert. Danach erfolgte eine qualitative Auswertung der Daten. Die Anzahl der durchgeführten Interviews wurde nach dem Prinzip der inhaltlichen Sättigung definiert (das heißt, wenn durch die Hinzunahme neuer Teilnehmenden kein Erkenntnisgewinn mehr zu erwarten war, wurde die Datenerhebung beendet).


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Ethikvotum

Für die vorliegende Studie ist kein Ethikvotum erforderlich, da es sich nicht um ein biomedizinisches Forschungsvorhaben im engeren Sinne der Deklaration von Helsinki handelt (Ethikkommission des Universitätsklinikums Frankfurt am Main, Aktenzeichen W22/Hi).


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Ergebnisse

Studienteilnehmende

Insgesamt nahmen 45 Studierende in 13 Fokusgruppeninterviews an der vorliegenden Studie teil. Hiervon wurden 22 Studierende (in 6 Fokusgruppeninterviews, Altersdurchschnitt: 23 Jahre, 12 weiblich, 10 männlich) mit dem Organsystem-bezogenen und 23 Studierende (in 7 Fokusgruppeninterviews, Altersdurchschnitt: 22 Jahre, 11 weiblich, 12 männlich) mit dem fallbezogenen Unterrichtskonzept unterrichtet. Neun Ärztinnen und Ärzte (Altersdurchschnitt: 29 Jahre, 2 weiblich, 7 männlich) nahmen an den Einzelinterviews teil. Die soziodemographischen Daten der Teilnehmenden sind in [Tab. 1] dargestellt.

Tab. 1 Soziodemographische Daten der Teilnehmenden.

Studierende

Ärztinnen und Ärzte

Gesamt

Anzahl

  • weiblich

  • männlich

45

23

22

9

2

7

54

25

29

Alter in Jahren

(MW; min-max)

23 (20–29)

29 (26–34)

24 (20–34)

Art des besuchten Unterrichts

  • Organsystem-bezogen

  • fallbezogen


23

22


9

0


32

22


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Einfluss des Kursformates auf die wahrgenommene Bedeutung des Unterrichts für den klinischen Alltag

Das Kursformat, mit dem die Studierenden unterrichtet wurden, hatte einen deutlichen Einfluss darauf, für wie wichtig die Studierenden die unterrichteten Inhalte für ihr späteres Berufsleben bewerteten. Diejenigen Studierenden, die fallbezogen unterrichtet wurden, beschrieben, dass ihnen die Bedeutung der Lernziele für ihre spätere klinische Tätigkeit deutlicher geworden sei. Ihnen wurde bewusst, dass sie sich an das im Kurs erlernte Wissen nicht vollständig während des weiteren Studiums im Detail erinnern würden. Dennoch glaubten sie, sich durch die Patientenfälle und den damit einhergehenden Bezug zu einer Person/Geschichte an die damit verknüpften Lernziele schneller und inhaltlich detaillierter erinnern zu können. Sie empfanden daher die im Kurs erlernten Inhalte als theoretische Grundlage, auf deren Basis sie später im Rahmen ihrer klinischen Tätigkeit ein tiefergehendes Verständnis für Infektionserkrankungen entwickeln könnten.

„Für mich war es schon hilfreich, weil die Relevanz der Mikrobiologie dargestellt wurde.“ (Fokusgruppe 3, fallbezogener Unterricht).

„Das wird einem ja später, denke ich, auch mal so begegnen, dann hat man es wenigstens schon mal gesehen, auch wenn man es nicht mehr eins-zu-eins im Kopf hat“ (Fokusgruppe 1, fallbezogener Unterricht).

Im Gegensatz hierzu berichteten die Studierenden, die mittels Organsystem-bezogenen Lehrkonzept unterrichtet wurden, dass ihnen die Bedeutung des Lernstoffes für die klinische Tätigkeit nicht völlig ersichtlich war. Ohne konkrete Bezüge zu Patienten(fällen) könnten sie die Bedeutung des erlernten Wissens für ihre spätere Tätigkeit als Ärztinnen und Ärzte nicht einordnen, weshalb sie auf mehr Patientenbezug im Unterricht drängten. Gefragt nach Verbesserungsmöglichkeiten, wünschten sich die Studierenden, die mit dem Organsystem-bezogenen Lehrkonzept unterrichtet wurden, mehr konkreten Patientenbezug, da sie glaubten, so die Bedeutung der Lerninhalte für ihre spätere klinische Tätigkeit besser herstellen zu können.

„Ich denke, das Praktikum [Anmerkung: Organsystem-bezogene Lehre…] ist als Arzt, der … in der Klinik … arbeiten wird, eigentlich sinnlos“ (Fokusgruppe 2 Organsystem-bezogener Unterricht).

„Mehr Fälle, das macht das besser. Mehr klinisch ist das, was man im Alltag braucht“ (Fokusgruppe 4 Organsystem-bezogener Unterricht).

Diese Einschätzung spiegelt sich auch in den Interviews der Ärztinnen und Ärzte wider. Diese berichteten, dass ihnen die große Bedeutung des Faches Hygiene und Mikrobiologie für den Berufsalltag erst rückblickend deutlich geworden sei. Hierfür hätten sie sich einen vermehrten Bezug der Lerninhalte zu konkreten Patientenfällen gewünscht. Sie gehen davon aus, dass ihnen dieser Bezug geholfen hätte, sich an die Inhalte des Kurses besser zu erinnern und bereits während des Kurses verstehen zu können, wie die Inhalte für den Berufsalltag relevant sein würden. Hierbei zeigten sich keine Unterschiede in Abhängigkeit des Weiterbildungsfaches der befragten Ärztinnen und Ärzten.

„[Ich merke erst jetzt], dass mir gar nicht klargeworden ist, wie wichtig das eigentlich ist, was ich da hätte lernen müssen“ (Arzt 5).

„[Die Nachhaltigkeit der Lehre war nicht gegeben], weil man über die Krankheitsbilder überhaupt noch nicht informiert war, weil man auch keine Patienten gesehen hatte zu dem Zeitpunkt. Dann ist es mir persönlich sehr schwergefallen, mich da zu disziplinieren, das zu lernen. Weil ich nicht verstanden hatte, welchen Sinn das hat.“ (Arzt 6).


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Stellenwert der praktischen Kursinhalte für den klinischen Alltag

Alle Studierenden berichteten unabhängig vom Kursformat, mit dem sie unterrichtet wurden, dass ihnen besonders die im Praktikum durchgeführten praktischen Übungen, wie beispielsweise die Erstellung von Blutausstrichen oder Abklatschplatten, in Erinnerung geblieben seien. Sie hätten hierdurch nicht nur Einblicke in die praktische Arbeit in einem infektionsdiagnostischen Labor gewonnen, sondern könnten dadurch auch die Bedeutung der korrekten Gewinnung, Lagerung und des zügigen Versandes von mikrobiologischen Proben einschätzen.

„Ich finde, das (Anmerkung: praktische Arbeiten mit mikrobiologischen Präparaten) hat einen Einblick gegeben…. Man schickt ja wahrscheinlich auch Proben… an die Mikrobiologie, da dann einen Einblick zu bekommen, wie das … läuft.“ (Fokusgruppe 4, fallbezogener Unterricht).

Besonders eindrücklich war für die Studierenden unabhängig vom Kursformat der Themenblock, in dem sie die Bedeutung der hygienischen Händedesinfektion anhand von Abklatschplatten ihrer eigenen Hände vor und nach Desinfektion sowie diverser Oberflächen anfertigten. Sie berichteten, die besiedelten Abklatschplatten noch deutlich visualisieren zu können und erst so gelernt zu haben, welchen Stellenwert die Händedesinfektion für die Patientensicherheit habe.

„Ich fand damals sehr eindrücklich, als wir das mit dem fluoreszierenden Händedesinfektionsmaterial gemacht haben, und in diesem Rahmen auch diese Abklatschplatten von Smartphones oder Türklinken …“ (Fokusgruppe 4, Organsystem-bezogener Unterricht).

„Was ich auch noch gut fand, war so ein Modul, wo wir […] mit Abklatschplatten … Gegenstände … untersucht haben auf Bakterien ... Das fand ich auch nochmal sehr eindrücklich, wo sich überall Bakterien befinden. Zum Beispiel am Handy.“ (Fokusgruppe 6, Organsystem-bezogener Unterricht).

Obwohl die meisten Studierenden die praktischen Experimente im Kurs schätzten, spiegelt sich auch hier wider, dass das verwendete Kursformat einen wesentlichen Einfluss darauf hat, wie die Studierenden die Relevanz der Inhalte für den späteren Klinikalltag bewerteten. Gerade diejenigen Studierenden, die mit dem Organsystem-bezogenen Lehrkonzept unterrichtet wurden, berichteten, dass ihnen die Bedeutung der im Kurs erworbenen Kompetenzen für ihren späteren Berufsalltag nicht vollständig ersichtlich gewesen sei. Im Gegensatz hierzu nahmen Studierende aus dem fallbezogenen Unterricht die Relevanz der praktischen Inhalte für ihre spätere Tätigkeit als Ärztin oder Arzt deutlich differenzierter war. Sie berichteten, durch die Versuche die Abläufe und die Dauer bei der Analyse infektionsdiagnostischer Proben besser einschätzen zu können.

„Ich glaube, man wollte im Praktikum versuchen, dass die Studenten auch was Praktisches machen, aber das war oft wirklich nicht sinnhaft. Es war eine Pipette in ein Glas, und dann gucken was passiert.“ (Fokusgruppe 2, Organsystem-bezogener Unterricht).

„Also ich finde, was man gut gelernt hat, ist die Laborarbeit, also auch die Arbeit im Team. Was ich gut fand, wie man an so Fälle herangeht, aus mikrobiologischer Sicht, dass man ein Krankheitsbild hat und dass man dann systematisch vorgeht, um herauszufinden, welcher Erreger das ist oder welcher Krankheitstyp. Und wie man das dann mit welchen Diagnostikmethoden macht.“ (Fokusgruppe 2, fallbezogener Unterricht).


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Platzierung des Kurses im Curriculum Humanmedizin

Eine Vielzahl der befragten Studierenden befürwortete unabhängig vom Kursformat die Durchführung des Kurses im fünften Fachsemester. Dies entspricht dem ersten Semester des klinischen Studienabschnittes an der Goethe-Universität in Frankfurt, an der das Medizinstudium als Regelstudiengang angeboten wird. Zur Begründung wurde von den Studierenden der theoretische Bezug zur Vorklinik genannt, da sie so auf das hier erworbene Wissen als Fundament für weitere Fächer zurückgreifen könnten.

„Ich fand es gerade bei Mikrobiologie, das passt gut in den Anfang des klinischen Teils [des Studiums], weil es sehr greifbar ist, weil es sehr eingängig ist, besonders, wenn man anfängt, klinisch zu denken. Das kann man super daran üben.“ (Fokusgruppe 7, fallbezogener Unterricht).

Ein nicht unerheblicher, aber kleinerer Teil der Studierenden wünschte sich dagegen, das Fach erst später im Curriculum anzusiedeln und würde sich gerne erst ein klinisches Fundament erwerben. Ein Zusammenhang mit dem Unterrichtsformat zeigte sich hier nicht.

„Es passt besser, wenn es später käme, wenn man eben die Krankheitsbilder selbst schon gesehen hat und dann mehr darüber lernt.“ (Fokusgruppe 6, fallbezogener Unterricht).

Die Studierenden kritisierten mehrheitlich, dass ihre Lern- und Arbeitsbelastung im ersten klinischen Semester insgesamt sehr hoch sei, besonders sei dies durch die anderen großen Fächer bedingt wie beispielsweise das Fach Pharmakologie, das an der Goethe-Universität ebenfalls im ersten klinischen Semester unterrichtet wird. Auch wegen dieser hohen Gesamtbelastung wurde der Wunsch geäußert, das Fach Hygiene und Mikrobiologie semesterübergreifend zu lehren. Ein Zugewinn an Zeit wurde einerseits wegen der daraus resultierenden zusätzlichen Lernzeit befürwortet, andererseits aber auch, um die Relevanz des Fachs besser wahrzunehmen zu können. Auch die befragten Ärztinnen und Ärzte waren bezüglich der optimalen Platzierung des Kurses im Curriculum unterschiedlicher Meinung. Zum einen böte die frühe Platzierung des Kurses die Möglichkeit auf die theoretischen Grundlagen der Vorklinik aufzubauen, zum anderen könnten die Kursinhalte bei einer Platzierung des Kurses zu einem späteren Zeitpunkt besser in den klinischen Kontext eingeordnet werden. Zudem befürwortete ein Teil der Befragten eine Ausweitung der Kursdauer über mehrere Semester, um das erworbene Wissen zu festigen und in einen klinischen Zusammenhang setzen zu können.

„Also ich fand es auch cool, dass wir es am Anfang [des klinischen Studienabschnittes] gemacht haben, weil es … oft interdisziplinär war…. Man kann es halt überall anwenden, auch zum Beispiel in der Orthopädie, wo ich nur ein Spektrum abarbeite“ (Fokusgruppe 3, fallbezogener Unterricht).

„Ich glaube, es wäre gut, wenn man es verteilen könnte. Wenn man tatsächlich Basismikrobiologie [lehren würde] -…, dann kommt irgendwo nochmal ein Block, wenn man Chirurgie und Innere oder Gynäkologie hat, in diesem Block nochmal ein kleiner Schwenk in die klinische Mikrobiologie.“ (Arzt 1).


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Unterrichtsmodell-unabhängige Einflussfaktoren auf die Bewertung des Unterrichts

Als maßgeblich für die Qualität des Unterrichtes wurde von den Studierenden unabhängig vom Kursformat die individuelle Lehrkraft gesehen. Als stärkste positive Einwirkung auf das Lernumfeld wurde eine durch die Dozenten sichergestellte gute Lehr- und Lern-Atmosphäre genannt. Eine gute fachliche Vorbereitung und gute didaktische Fähigkeiten der Lehrkraft wurden als fördernd für die Vermittlung von Wissen empfunden. Außerdem wurden die Freude am eigenen Tun und eine Wertschätzung der Studierenden als motivierende Einflüsse auf das Lernverhalten beurteilt.

„Der Mikrobiologie-Kurs war – glaube ich – der Kurs, der am liebsten besucht wurde von den ganzen Kursen im ersten klinischen Semester. Weil die Atmosphäre gut war, also bei meinem Dozenten war die Atmosphäre super gut.“ (Fokusgruppe 2, Organsystem-bezogener Unterricht).

Als größter negativer Einflussfaktor auf die durch die Studierenden wahrgenommene Qualität des Unterrichtes wurde eine zu große Gruppengröße genannt. Hierdurch entstünde vor allem ein dauerhafter erhöhter Lautstärkepegel, der das Lernumfeld nachhaltig belastet habe. Dies wurde von der Studierenden als störend empfunden. Als negativ wurde zudem das zu geringe Platzangebot des Kursraumes genannt. Die Studierenden befürchteten, dass ihnen aufgrund zu weit hinten im Raum gelegener Plätze Nachteile entstünden, da die Lehrkräfte sie nicht erreichen könnten. So könnten ihnen besonders bei der Durchführung praktischer Arbeiten wie dem Mikroskopieren zu wenig Hilfestellungen gegeben werden.

„Ich fand den Raum schlecht für das Praktikum, [weil] zu viele Leute in einem zu kleinen Raum zu eng gesessen [haben]. Ich saß zwar relativ weit vorne, aber […] das war alles so unruhig; das hat es schwergemacht, zuzuhören und dann parallel die Untersuchungen zu machen“ (Fokusgruppe 4, fallbezogener Unterricht).

„Nur ich hatte … Probleme mit den Arbeitsanweisungen umzugehen, dadurch, dass ich in der letzten Reihe saß, ich habe das nicht mitbekommen, bis dann ein Hiwi [Anm. wissenschaftliche Hilfskraft] zu uns vorgedrungen ist, waren schon fast alle anderen Gruppen fertig. Und wir haben da gerade erst angefangen, und dann ging es direkt mit dem nächsten Thema weiter“ (Fokusgruppe 1, Organsystem-bezogener Unterricht).


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Diskussion

In der vorliegenden Untersuchung wurde erstmalig das Unterrichtskonzept der Lehre im Praktikum der Hygiene und Mikrobiologie für Studierende der Humanmedizin mittels Fokusgruppeninterviews und Einzelinterviews analysiert. Die offene Leitfadeninterviewführung im geschützten Umfeld ermöglichte eine gegenseitige Anregung der Teilnehmer. Durch die balancierte und reflektierte Wiedergabe von Wahrnehmungen wurde ein tiefgreifendes Bild der studentischen und ärztlichen Perspektive in Bezug auf deren Unterrichtswahrnehmung und subjektiven Lernerfolg gewonnen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollen zukünftig auch als Grundlage für weitere Projekte zur langfristigen Steigerung der Nachhaltigkeit und Qualität der Lehre dienen.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass die Teilnehmenden des fallbezogenen Unterrichtes durch die Patientenfälle nicht nur die Lernziele für ihren späteren Berufsalltag als bedeutender einschätzten, sondern sich auch an die Lerninhalte schneller und detaillierter erinnern konnten. Zwar muss die subjektiv bessere Wissensretention bei den fallbezogen unterrichteten Studierenden in dieser Analyse unter dem Vorbehalt betrachtet werden, dass die Zeitspanne seit Abschluss des Kurses bei dieser Kohorte am kürzesten war, dennoch entspricht sie den Ergebnissen bisher publizierter Studien zum fallbasierten Unterricht [6] [7]. Dieses Ergebnis erscheint umso bedeutsamer, da mit der Änderung des Unterrichtskonzepts inhaltlich kein bedeutender Kompromiss zwischen Lerninhalten oder deren Vermittlung eingegangen wurde, sondern im Wesentlichen die Betrachtungsperspektive der Lernenden verschoben wurde. Die Kohorte der Studierenden, die fallbasiert unterrichtet wurde, zeigte durch die wahrgenommene klinische Relevanz zudem eine höhere Zufriedenheit. Die Orientierung an klinischen Fällen sollte daher verstärkt im Medizinstudium genutzt werden. Es ist beispielsweise bereits bekannt, dass Studierende die Einführung von Patientenfällen in einem unfallchirurgischen Seminar als motivierend empfanden und den Kurs entsprechend besser evaluierten [8]. Auch beim fallbasierten Unterricht in der Onkologie wiesen Studierende einen höheren Wissenszuwachs auf und bewerteten den Unterricht besser [6]. Darüber hinaus erscheint der Aspekt des individuellen Durchdringens und Verständnisses von Konzepten für Entscheidungsprozesse vor dem Hintergrund der wachsenden Komplexität im Umgang mit infektiösen Patienten im Fach Hygiene und Mikrobiologie besonders relevant, auch wenn durch die Digitalisierung jederzeit Zugriff auf viele Aspekte des spezifischen Fachwissens möglich ist.

Gleichzeitig wurde in der vorliegenden Analyse beobachtet, dass im Gegensatz zur Retention von theoretischem Wissen die verwendete Unterrichtsform wenig Einfluss auf das Erinnerungsvermögen an die praktischen Tätigkeiten hat. Die praktischen Elemente des Kurses blieben sowohl den Studierenden als auch den Ärzten besonders gut in Erinnerung. Selbst ein Teil der weniger auf den Berufsalltag bezogenen Versuche erfreuten sich wegen ihrer visuellen Einprägsamkeit und ihres Lerneffektes großer Beliebtheit. Diese Beobachtung unterstützt die Theorie des erfahrungsbasierten Lernens [9] und die Einbettung zahlreicher praktischer Elemente in das Unterrichtsgeschehen für einen langfristigen Lernerfolg.

Hinsichtlich einer optimalen Platzierung des Kurses Hygiene und Mikrobiologie im Curriculum Humanmedizin gibt es von Seiten der Studierenden, Ärztinnen und Ärzte kein eindeutiges Meinungsbild, da sie vor dem Hintergrund der Komplexität des Fachs für das individuelle Durchdringen und Verständnis der fachspezifischen Konzepte sowohl ihre theoretischen Kenntnisse aus der Vorklinik als auch ihre klinischen Erfahrungen aus den höheren Semestern als hilfreich ansahen. Dieser Einschätzung der Befragten trägt das Konzept des neuen Curriculums des Medizinstudiums Rechnung, in dem die Effekte der Inhaltswiederholung im Rahmen des fächerübergreifenden Unterrichts gefördert werden und so auch schwierig zu vermittelnde, abstrakte und komplexe Zusammenhänge über die Dauer des Studiums mehrmalig aufgegriffen und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung unterstreichen deutlich, dass die Rolle der kompetenten und motivierten Dozenten unter den fachunabhängigen Faktoren entscheidend für ein positives Lernumfeld ist. Neben einem klar strukturierten Unterricht trägt insbesondere auch die Wertschätzung der Studierenden zu einer kollegialen Atmosphäre bei, die engagiertes Lernen fördert. Diese Erkenntnisse bestätigen bisher publizierte Studien [10] [11] und untermauern trotz des oftmals vorherrschenden Personalmangels die Forderung nach ausreichend Zeit und Unterstützung für das Lehrpersonal sowie Fortbildungsangebote zur Schulung der didaktischen Fähigkeiten. Als weiteren fachunabhängigen Faktor für eine Verbesserung der Lehre wurde die Reduktion der Gruppengröße angeführt, da bei der aktuellen Gruppegröße in Frankfurt am Main von etwa 50 Studierenden die individuelle Interaktion zwischen den Dozenten und den Studierenden leidet und eine persönliche Betreuung der Studierenden fehlt. In der Folge kam den wissenschaftlichen Hilfskräften eine einflussreiche Rolle auf den Wissenszuwachs bei den Studierenden zu, die stark von deren fachlicher und sozialer Kompetenz abhängt.

Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine isolierte Betrachtung des Unterrichtes im Fach Hygiene und Mikrobiologie an der Medizinischen Fakultät der Goethe-Universität Frankfurt. Auch wenn eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Fakultäten und andere klinisch-theoretische Fächer wahrscheinlich erscheint, sollte dies in zukünftigen Studien gezielt untersucht werden. Bedingt durch das gewählte Studiendesign lassen zwar sich aus der vorliegenden Studie keine quantitativen Aussagen ableiten, dennoch können durch die Nutzung des Prinzips der „inhaltlichen Sättigung“ Rückschlüsse auf die Gesamtpopulation der Studierenden in Frankfurt gezogen werden. Weitere potenzielle Limitationen der Studie liegen in der gewählten explorativen Gesprächsführung und der damit verbundenen Möglichkeit zu einer zu starken gegenseitigen Beeinflussung der Teilnehmenden oder Selbstinszenierung von einzelnen Teilnehmenden. Durch den strukturierten und dadurch objektiven Interviewleitfaden sowie durch die Moderation des Interviewers wurde jedoch ein ausgewogener Redeanteil jedes Teilnehmenden sichergestellt. Eine weitere mögliche Limitation der vorliegenden Studie liegt darin, dass die Interviews mit den Ärztinnen und Ärzten im Einzelgespräch durchgeführt wurden, während die der Studierenden als Fokusgruppeninterviews erfolgten. Hierdurch war eine Verblindung der Auswertenden nicht möglich. Die Autoren der Studie entschieden sich allerdings bewusst für dieses Design, um sicherzustellen, dass Ärztinnen und Ärzte auch über potenziell schambehaftete Themen wie Wissenslücken wahrheitsgemäß berichten konnten.

Die Resultate der vorliegenden Analyse bestätigen, dass durch das fallbasierte Unterrichtskonzept eine deutliche Verbesserung der Ausbildung der Studierenden der Humanmedizin im Fach Hygiene und Mikrobiologie an der Goethe-Universität Frankfurt erreicht wurde. Eine moderne Gestaltung des Unterrichts durch fallorientiertes Lernen mit praktischen Arbeiten sowie fächerübergreifenden Wiederholungen von wichtigen und schwierigen Lerninhalten stellt eine zukunftsfähige und nachhaltige Lehr- und Lernalternative in diesem Fach dar, die anderen Fakultäten besonders im Zuge der Implementierung der durch die neue Approbationsordnung geforderten interdisziplinären Lehrangebote als Leitfaden dienen kann.

Kernaussagen
  • Fallorientiertes Lernen wird im Praktikum Hygiene und Mikrobiologie von Studierenden und Ärzten gleichermaßen präferiert.

  • Fallorientiertes Lernen führt subjektiv zu höherem Wissenserhalt im Fach Hygiene und Mikrobiologie.

  • Praktische Tätigkeiten in Hygiene und Mikrobiologie bleiben Studierenden und Ärzten am besten in Erinnerung.

  • Der Dozent / die Dozentin stellt den wichtigsten Faktor für Motivation und Lernerfolg dar.

  • Es besteht kein einheitliches Meinungsbild bezüglich der Platzierung des Fachs Hygiene und Mikrobiologie im Curriculum Humanmedizin.


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Contributorsʼ Statement

C.M.B., V.A.J.K und M.R. haben die Studie geplant. J.P.W.H. hat die Befragungen durchgeführt und dokumentiert. J.P.W.H. und J.S. haben die Daten analysiert. C.M.B., J.S. und V.A.J.K. haben das Manuskript verfasst. Alle Autoren sind mit der Publikation einverstanden.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Wir danken den Studierenden, Ärztinnen und Ärzten, die an dieser Untersuchung teilgenommen haben.


Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. med. Claudia Brandt
Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Frankfurt
Paul-Ehrlich-Straße 40
60596 Frankfurt am Main

Publication History

Article published online:
23 December 2022

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