Zentralbl Gynakol 2002; 124(1): 1-2
DOI: 10.1055/s-2002-20314
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das Endometriumkarzinom - von der molekularen Pathogenese über die Histomorphologie zur individualisierten Therapie

Eine interdisziplinäre HerausforderungEndometrial Carcinoma - Molecular Pathogenesis Meets Histomorphology and TreatmentAn Interdisciplinary ApproachL.-C. Horn
  • Institut für Pathologie, Universität Leipzig
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Publikationsdatum:
25. Februar 2002 (online)

Das Endometriumkarzinom ist in der Regel eine Erkrankung der älteren, postmenopausalen Patientin und nimmt, nach dem Mammakarzinom und den kolorektalen Karzinomen sowie den Leukämien/Lymphomen den 4. Platz unter allen Malignomen der Frau ein [1]. Unter den Malignomen des inneren weiblichen Genitales steht es vor dem Ovarial- und Zervixkarzinom an erster Stelle [1] [6]. Die Zahl jährlicher Neuerkrankungen in Deutschland wird auf ca. 10 000 geschätzt, wobei den betroffenen Frauen durchschnittlich 4 Jahre ihrer Lebenserwartung verloren gehen. Unabhängig vom Stadium und dem histologischen Typ zählt es in Europa, Nordamerika und weltweit mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von mehr als 75 % zu den prognostisch günstigeren Karzinomen [4] [5] [6].

Wie morphologische, tumorbiologische und molekulare Untersuchungen der vergangenen Jahre ergeben haben, bestehen jedoch zwischen verschiedenen morphologischen Typen des EC bezüglich der Pathogenese, den therapeutischen Optionen und der Prognose erhebliche Unterschiede, wie das vorliegende interdisziplinär überwiegend von Mitgliedern der Organgruppe Uterusmalignome der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) erstellte Themenheft verdeutlicht (Zentralbl Gynakol 2002; 124: 1-78).

Mit rund 85 % wird die Majorität der EC vom endometrioiden Adenokarzinom gestellt. Mit Ausnahme der familiären Form des endometrioiden Adenokarzinoms beim HNPCC-Syndrom (Lynch-I-Syndrom), dem genetische Alterationen verschiedener Mismatch-Repair-Gene zugrunde liegen [13] [15], wird mehrheitlich davon ausgegangen, dass diese Form des EC estrogenabhängig ist [18]. Dieses Karzinom ist auch der Prototyp der estrogenabhängigen Karzinome (sog. Typ-1-Karzinome), die mit endometrialen Hyperplasien einhergehen, die in Abhängigkeit von ihrer Morphologie ein unterschiedliches Karzinomrisiko aufweisen [9] [11] [16].

Bei der Entstehung eines Karzinoms ist molekularpathogenetisch beim sporadischen endometrioiden Karzinom der Hyperöstrogensimus bedeutsam, der eine Mikrosatelliteninstabilität und Veränderungen des k-ras-Onkogens sowie des PTEN-Tumorsuppressorgens bedingt [15]. Die unterschiedliche Präsenz und differente Verteilung verschiedener Östrogenrezeptortypen (α, β1, β2) sind möglicherweise für die unterschiedlichen Wirkmechanismen der Östrogene an hormonresponsiblen Organen, wie Mamma und Endometrium, verantwortlich [8]. Im Rahmen der Tumorprogression des endometrioiden Karzinoms kommt es u. a. zum p16-Verlust, Mutationen des p53-Gens und zur Amplifikation des c-erbB-2-(c-Neu/HER 2) Onkogens [15]. Morphologisch findet sich erst im fortgeschrittenen Tumorstadium und bei schlecht differenzierten Karzinomen (G3-Karzinom) eine immunhistochemisch nachweisbare Überexpression des p53-Onkoproteins im Zellkern und des membranständigen c-erbB-2-Rezeptors [10].

Das serös-papilläre Adenokarzinom (3,9 % aller EC) als Prototyp der nicht-östrogenabhängigen Karzinome (sog. Typ-2-Karzinome) entsteht nicht selten im atrophen Endometrium, möglicherweise über eine flache, nicht-invasive Läsion, die als endometriales, intraepitheliales Karzinom (EIC) [16] bezeichnet wird. Im Rahmen der Kanzerogenese stehen hier Mutationen des p53-Suppressorgens im Vordergrund. Bei Ausbildung eines invasiven Karzinoms tritt noch ein LOH von p53, ein Verlust von p16 und eine c-erbB-2-Amplifikation hinzu [15]. Ein weiteres Typ-2-Karzinom ist das klarzellige Karzinom.

Die Abklärung post- oder perimenopausaler Blutungsstörungen erfolgt mittels transvaginaler Sonographie, Hysteroskopie und fraktionierter Abrasio [17], an die sich in Abhängigkeit vom histopathologischen Befund [10] eine Gestagentherapie oder Operation anschließt. Die Entscheidung zur Operation bzw. Planung der operativen Radikalität hat sich in Abhängigkeit vom Ergebnis weiterer diagnostischer Verfahren [7] an Evidenz-basierten Kriterien zu orientieren [3]. Eine Grundlage dazu sollen die von der Organgruppe der AGO erarbeiteten interdisziplinären Leitlinien darstellen [2]. Neben den operativen Verfahren haben, insbesondere bei fortgeschrittenen Tumoren und in der Rezidivsituation radio-onkologische Verfahren sowie die Hormon- und Chemotherapie ihren festen Platz [14] [20].

Einen ganz wichtigen, oft unterschätzten und vernachlässigten Aspekt bei der interdisziplinären Betreuung gynäkologischer Patientinnen, auch mit einem Endometriumkarzinom, stellt die psychoonkologische Nachbetreuung dar. Deren Aspekte werden in den Beiträgen von Singer und Schwarz [9] sowie Höwer et al. [12] u. a. mit Angabe von direkten Ansprechpartnern detailliert dargestellt.

Literatur

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  • 12 Höwer S, Möslein G, Unger A, Vogel T, Goecke T, Alberti L. Psychoonkologische Aspekte bei der Betreuung von Patientinnen im Rahmen eines HNPCC-Syndroms.  Zentralbl Gynakol. 2002;  124 71-75
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  • 14 Krauß T, Huschmand H, Hinney B, Viereck V, Emons G. Hormon- und Chemotherapie beim Endometriumkarzinom.  Zentralbl Gynakol. 2002;  124 45-50
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  • 16 Schmidt D, Horn L C. Präkanzeröse Läsionen des Endometriums und Veränderungen unter Tamoxifen-Therapie.  Zentralbl Gynakol. 2002;  124 3-9
  • 17 Schmidt T, Römer T. Sonographie und Hystereoskopie beim Endometriumkarzinom und seinen Vorstufen.  Zentralbl Gynakol. 2002;  124 20-26
  • 18 Sherman M E, Kurman R J. Evolving concepts in endometrial carcinogenesis: Importance of DNA repair and deregulated growth.  Hum Pathol. 1998;  29 1035-1038
  • 19 Singer S, Schwarz R. Psychoonkologische Nachbetreuung von Patientinnen mit einem Zervix- und Endometriumkarzinom.  Zentralbl Gynakol. 2002;  124 64-70
  • 20 Sommer H, Weidner N, Würschmidt F, Engel J. Radioonkologische Optionen beim Endometriumkarzinom.  Zentralbl Gynakol. 2002;  124 51-57

PD Dr. Lars-Christian Horn

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