Rehabilitation (Stuttg) 2008; 47(3): 135
DOI: 10.1055/s-2008-1077093
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zum Unterstützungsbedarf bei Angehörigen in der Rehabilitation

On the Relatives' Need for Support in Rehabilitation
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Publication Date:
13 June 2008 (online)

Die letzte Ausgabe der Zeitschrift (Heft 2/2008) hatte das Schwerpunkthema „Patientenorientierung in der Rehabilitation” zum Gegenstand und beleuchtete es in seinen verschiedenen Facetten. Der Patient soll nicht nur in der Rehabilitation selbst im Mittelpunkt stehen, sondern auch die Rehabilitationsforschung will sich stärker mit damit zusammenhängenden Fragen beschäftigen. Dabei deuten die beschriebenen Inhalte auf individueller, institutioneller und gesellschaftlicher Ebene auf die komplexen Zusammenhänge innerhalb des Gesundheits- und Rehabilitationssystems hin. Generell hat die „Bürger- und Patientenorientierung” im Gesundheitswesen in den letzten Jahren nicht zuletzt auch durch gesetzliche Normierungen zugenommen (vgl. [1]). Für den Bereich der Rehabilitation kann in diesem Zusammenhang auf das Sozialgesetzbuch IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - von 2001 hingewiesen werden. Neben der Information und Beratung von Patienten stehen im Gesundheitswesen verschiedene Formen der Beteiligung von Patienten an Entscheidungen im Vordergrund. Dabei geht es auch um die Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung durch Übernahme von mehr Verantwortung. Allerdings liegen dazu nach dem Bericht des Robert-Koch-Instituts bisher noch keine ausreichenden Daten vor [1].

Offenbar bedeutet „Patientenorientierung” aber nicht zwangsläufig, dass auch Angehörige von Patienten bzw. Betroffenen explizit in die Betrachtungen einbezogen werden. Bei Angehörigen werden meistens ihre Unterstützungsleistungen für den Patienten thematisiert und erscheinen somit letztlich eher als Ressource. Weniger häufig stehen Angehörige dagegen selbst als Betroffene mit ihrem Unterstützungsbedarf unmittelbar im Vordergrund. Auch Leitlinien beziehen sich bisher eher selten darauf, obwohl häufig eine Diskrepanz zwischen Bedarf und Angebot angenommen oder gar eine Unterversorgung vermutet wird (vgl. dazu [2] und die dort angegebene Literatur). Spätestens bei schweren Erkrankungen von Familienangehörigen, wie z. B. dem Schlaganfall, wird dieser jedoch durch gravierende Veränderungen im Leben betroffener Angehöriger offensichtlich.

In dieser Ausgabe werden u. a. zwei Studien vorgestellt, die am Beispiel der neurologischen Rehabilitation nach Schlaganfall auch explizit den Unterstützungsbedarf von Angehörigen thematisieren. So haben Schlote et al. untersucht, inwieweit bei Schlaganfallpatienten und ihren Angehörigen Kenntnisse über Unterstützungsangebote als Voraussetzung für ihre Inanspruchnahme vorliegen. Sie gehen davon aus, dass eine systematische Unterstützung für Angehörige im Gesundheitssystem Deutschlands bisher nicht implementiert ist und die vorhandenen Angebote zu wenig bekannt seien. Bei den von ihnen untersuchten Angeboten am Beispiel einer selektiven, regional bezogenen Stichprobe kommen sie zu dem Ergebnis, dass die Kenntnis von Angeboten vor allem in der nachstationären Phase nicht ausreichend sei. Dementsprechend setzen sie sich dafür ein, dass Informationen über Unterstützungsangebote bereits im Akutkrankenhaus gezielter vermittelt werden. Umfassendere Informationen über den tatsächlichen Unterstützungsbedarf von Angehörigen und darüber, inwieweit ihre Inanspruchnahme konkret zum Abbau von vorhandenen Belastungen beitragen kann, stehen allerdings noch weitgehend aus.

Eine qualitative Längsschnittstudie von Jungbauer et al., deren Ergebnisse hier ebenfalls veröffentlicht werden, hat den Unterstützungsbedarf von Angehörigen von Schlaganfallpatienten unmittelbar untersucht. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass sowohl alters- als auch geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen und sich der Bedarf im zeitlichen Verlauf verändert. So nehme der psychosoziale (emotionale) Unterstützungsbedarf gegenüber einem reinen Informationsbedarf in der sich anschließenden ambulanten Phase zu. Bei der Planung von Unterstützungsangeboten sollte deshalb der sich verändernde Bedarf, aber auch die geschlechts- und altersspezifischen Unterschiede berücksichtigt werden. Dabei wird auch auf den Zusammenhang zwischen dem Abbau von Belastungen bei Angehörigen und dem Rehabilitationserfolg von Patienten hingewiesen. Die Untersuchung derartiger Zusammenhänge steht allerdings noch aus (vgl. auch [3], S. 379, Ziffer 7).

Literatur auf S. 198 d. Z.

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