Klinische Neurophysiologie 1997; 28(3): 141-145
DOI: 10.1055/s-2008-1060167
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Intramuskuläre Koordinationsstörungen am Beckenboden nach radikaler Prostatektomie

Intramuscular dyscoordinatlon of pelvic floor after radical prostatectomyD.-H. Zermann, H. Lindner, T. Huschke, H. C. Scholle1 , N. P. Schumann1 , J. Schubert
  • Klinik und Poliklinik für Urologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena und
  • 1Funktionsbereich Motorik im Institut für Pathophysiologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Further Information

Publication History

Publication Date:
18 March 2008 (online)

Summary

Urinary stress incontinence after radical prostatectomy could be cured by physiotherapy in a high percentage.

We developed an investigation procedure for description of myoelectrical activity of pelvic floor with 8 surface electrodes (4-channel, bipolar montage). Ten patients were studied one day before, ten days and six months after radical prostatectomy.

Significant changes of amplitude and frequency characteristics could not be found in rest and during the stationary intervals of maximal contraction. But after the operation in all patients changed the activation pattern within the interval of increasing muscle contraction. The mean and median frequency decreased (Friedman-test, p < 0.001).

Changes were interpreted as a problem of intramuscular coordination. After physiotherapy urinary incontinence was cured or improved. The typical activation pattern of dyscoordination was not more evident after six months.

Zusammenfassung

Die Harnstreßinkontinenz nach radikaler Prostatektomie kann durch konsequente Physiotherapie in einem hohen Prozentsatz geheilt werden. Die Beurteilung von funktionellen und koordinativen Veränderungen der Beckenbodenmuskulatur sind mit der Oberflächenpolygraphie vorteilhaft möglich.

Es wurde eine vierkanalige Oberflächen-EMG-Untersuchungstechnik zur Beschreibung der myoelektrischen Aktivität des Beckenbodens mit acht Oberflächenelektroden (bipolare Montage) erarbeitet. Zehn Patienten wurden am Tag vor, zehn Tage und sechs Monate nach radikaler Prostatektomie untersucht. Ab zehntem postoperativen Tag wurde eine Physiotherapie zur Kräftigung des Beckenbodens durchgeführt.

Signifikante Veränderungen im Amplituden- und Frequenzbereich in Ruhe und unter quasistationären Bedingungen bei maximaler Beckenbodenkontraktion konnten nicht nachgewiesen werden. Bei allen Patienten fanden sich jedoch in der ersten postoperativen Kontrolle Veränderungen im Aktivierungsmuster des Beckenbodens während der Phase zwischen Ruhe und maximalem Kontraktionsniveau. Die mittlere und Medianfrequenz in diesem Bereich waren erniedrigt (Friedman-Test; p < 0,001).

Durch die Operation wurden Kontraktionsstörungen der Bekkenbodenmuskulatur verursacht, die im Sinne einer muskulären Dyskoordination interpretiert wurden. Nach Physiotherapie kam es zu einer deutlichen Verbesserung der postoperativen Problematik der Harnstreßinkontinenz. Einhergehend mit der Besserung waren in der zweiten postoperativen Untersuchung keine veränderten EMG-Aktivierungsmuster im Vergleich zur präoperativen Situation mehr nachweisbar.

    >