Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2008; 43(1): 46-47
DOI: 10.1055/s-2008-1038090
Fachwissen
Topthema: Sepsis und septischer Schock
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zwischen steigender Inzidenz und sinkender Letalität

Thomas Hachenberg
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Publication Date:
15 January 2008 (online)

Die schwere Sepsis ist eine der häufigsten Erkrankungen im Bereich der operativen wie der konservativen Intensivtherapie. In Deutschland beträgt die Prävalenz für die Sepsis 12,4 %, für die schwere Sepsis einschließlich septischem Schock 11 %. Die erwartete Anzahl neu diagnostizierter Fälle mit schwerer Sepsis wird zwischen 76 und 110 Erwachsenen/100000 angegeben - bei einer insgesamt schlechten Prognose: nach den Daten der SepNet-Studie muss mit einer ITS- und Krankenhausletalität von 48,4 % und 55,2 % gerechnet werden [1].

Lange Liegezeiten, hohe Kosten

Die Krankenhausverweildauer für Patienten mit Sepsis oder schwerer Sepsis ist deutlich verlängert. Zusätzlich sind sowohl die direkten Krankenhauskosten als auch die ökonomischen Belastungen in der Nachsorgephase hoch. Weltweit nimmt auch die Inzidenz der Sepsis zu.

In einer Longitudinalstudie konnten Dombrovskiy und Mitarbeiter zeigen [2], dass sich die Anzahl der Krankenhauspatienten mit schwerer Sepsis von 1993 bis 2003 mehr als verdoppelt hat [Abb. 1]. Während die populationsbasierte Mortalität und die Anzahl der Organdysfunktionen bei schwerer Sepsis deutlich anstiegen, nahm die fallbezogene Krankenhausmortalität (Letalität) ab. Dies deutet möglicherweise auf eine verbesserte Therapie der schweren Sepsis und des septischen Schocks hin - wenngleich die Sterblichkeitsraten in unterschiedlichen Studien stark variieren.

Abb. 1

Enstehungshintergrund dieses Topthemas

Im Topthema Sepsis werden drei Schwerpunkte dargestellt. Die vorliegenden Beiträge haben ihren Entstehungshintergrund in den 2. Bielefelder Intensivtagen 2006, die von Merzlufft und Bach sehr erfolgreich gestaltet wurden.

Veränderungen der Mikrozirkulation

Das Wissen um die pathophysiologischen Abläufe bei sepsisinduzierten Störungen der Mikrozirkulation ist die Voraussetzung für die Entwicklung effektiver Therapien - auch wenn ein modellierendes Eingreifen auf der Zytokinebene zurzeit klinisch nur begrenzt möglich ist. Dieses Thema behandelt Max Ragaller in seinem Beitrag. Durch die Übertragung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse in die klinische Praxis kann erhofft werden, die Mortalität der schweren Sepsis und des septischen Schocks in den nächsten Jahren deutlich zu senken.

Rolle der kardiovaskulären Dysfunktion

In der Pathogenese der schweren Sepsis und des septischen Schocks nimmt die kardiovaskuläre Dysfunktion eine zentrale Stellung ein. Bemerkenswerterweise ist schon in ersten klinischen und experimentellen Studien im 20. Jahrhundert auf diese Problematik hingewiesen worden [3]. Zu den Eckpfeilern der Intensivtherapie bei schwerer Sepsis und septischem Schock gehört unbestritten die Optimierung der Hämodynamik. Diesem Aspekt widmen sich Uwe Janssens und Jürgen Graf in ihrem Topthema-Beitrag. Bei Patienten mit septischem Schock sind das Ausmaß sowie die Dauer einer Hypotension (mittlerer arterieller Blutdruck <65mm/Hg) und eines inadäquaten Herzzeitvolumens (charakterisiert als zentralvenöse Sauerstoffsättigung <70 %) mit einem schlechten klinischen Ausgang assoziiert [4]. Ein persistierender mikrovaskulärer Perfusionsschaden führt nahezu unausweichlich zu Multiorganversagen und Tod. Frühe zielorientierte Interventionen können die 28-Tage- und Hospitalmortalität bei septischem Schock verbesseren - das Konzept entspricht bereits etablierten Behandlungsprotokollen bei Patienten mit Trauma, akutem Myokardinfarkt und apoplektischem Insult [5].

O2-Versorgung im Hepatosplanchnikusgebiet

Christopher Beck, Benedikt H.J. Pannen und Olaf Picker beschreiben im Detail die Dysfunktion im Hepatikus-Splanchnikus-Gebiet und gehen dabei auf Möglichkeiten ein, die regionale Sauerstoffversorgung zu verbessern. Eine wesentliche Schwierigkeit bei der Umsetzung dieses Konzeptes liegt darin, dass genau definierte therapeutische Endpunkte fehlen. Dennoch konzentriert sich ein erheblicher Teil der intensivmedizinischen Maßnahmen auf eine Optimierung der Perfusion von Leber, Pankreas und Magen-Darm-Trakt, da ein Versagen dieser Organsysteme häufig als Motor einer Sepsis wirkt.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre der Beiträge und eine Reihe neuer Erkenntnisse, die Sie für die Behandlung dieser kritisch kranken Patienten umsetzen können!

Literaturverzeichnis

  • 1 Engel C, Brunkhorst FM, Bone HG, Brunkhorst R, Gerlach H, Grond S, Gruendling M, Huhle G, Jaschinski U, John S, Mayer K, Oppert M, Olthoff D, Quintel M, Ragaller M, Rossaint R, Stuber F, Weiler N, Welte T, Bogatsch H, Hartog C, Loeffler M, Reinhart K.. Epidemiology of sepsis in Germany: results from a national prospective multicenter study.  Intensive Care Med. 2007;  33 606-18
  • 2 Dombrovskiy VY, Martin AA, Sunderram J, Paz HL.. Rapid increase in hospitaliza-tion and mortality rates for severe sepsis in the United States: a trend analysis from 1993 to 2003.  Crit Care Med. 2007;  35 1244-50
  • 3 Hachenberg T, Gründling M.. Acute failure of the intestinal barrier - pathophysiology, diagnosis, prophylaxis and therapy.  Anaesthesiol Reanim. 1999;  24 4-12
  • 4 Rivers E, Nguyen B, Havstad S, Ressler J, Muzzin A, Knoblich B, Peterson E, Tomlanovich M;. Early Goal-Directed Therapy Collaborative Group. Early goal-directed therapy in the treatment of severe sepsis and septic shock.  N Engl J Med. 2001;  345 1368-77
  • 5 Huang DT, Clermont G, Dremsizov TT, Angus DC. ProCESS Investigators. Implementation of early goal-directed therapy for severe sepsis and septic shock: A decision analysis.  Crit Care Med. 2007;  35 2090-100

Prof. Dr. med. Dr. Thomas Hachenberg

Email: thomas.hachenberg@medizin.uni-magdeburg.de