Dtsch Med Wochenschr 2008; 133(3): 65
DOI: 10.1055/s-2008-1017474
Editorial
Allgemeinmedizin
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Zeitplanung in der Hausarztpraxis

Time planning in general medical practiceG. Rüter1
  • 1Praxis für Allgemeinmedizin, Benningen
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Publication Date:
09 January 2008 (online)

Wenn man die Stichworte Wartezeit - Arztpraxen - Patientenzufriedenheit „googelt”, erhält man gut 600 Angaben aus dem deutschen Sprachraum. Darunter finden sich Dissertationen (www.metrik.org/weitere-projekte/wartezeit.htm) und Diplomarbeiten, die deutlich machen, dass Wartezeiten nicht nur in Deutschland und Österreich, sondern auch in einem ganz anders strukturierten System wie in Dänemark eine Rolle spielen. Seit im SGB V festgelegt wurde, dass auch Arztpraxen interne Qualitätsmanagementsysteme einführen müssen, werden im Rahmen der dort obligaten Patientenbefragungen regelmäßig Daten zur Zufriedenheit mit der Terminpräzision erhoben. Die Befragungen weisen die Wartezeit in den Praxen als wichtigen Parameter für die Patientenbindung und die Patientenzufriedenheit aus (Dtsch Ärztebl, Beilage Praxis 1/2007: 8-11; Thill K-D. Analysetool Arztpraxis, Analyse, Auswertung, Umsetzung. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag, 2006).

Da jede Arztpraxis auch ein Wirtschaftsunternehmen ist und die Patientenbindung einen wichtigen Faktor zur Absicherung dieses Unternehmens darstellt, wird bedeutsam sein, sich um Terminpräzision und eine Minimierung von Wartezeiten zu bemühen. Zufriedene Patienten berichten im Schnitt drei weiteren Personen von ihren positiven Erfahrungen, Unzufriedenheit hingegen wird an elf potenzielle Kunden/Patienten kommuniziert (Theis H-J. Patientenzufriedenheitsstudien. Impfdialog 2/2005: 87-93).

Deshalb sind im Feld der praktischen Patientenversorgung Untersuchungen von Interesse, welche helfen, Wartezeiten in Arztpraxen zu mindern indem der Zeitbedarf eines Patienten für die Konsultation im Vorhinein besser eingeschätzt werden kann. Meistens werden wohl im Rahmen der hausärztlichen Versorgung Konsultationszeiten von 5 - 20 Minuten eingeplant. Ausnahmen könnten z. B. längere Gespräche, die Kombination aus Gesundheitsuntersuchung und Krebsfrüherkennung, das geriatrische Assessment oder Erstvorstellungen sein. Erfahrene medizinische Fachangestellte kennen oft auch die Patienten, die „länger brauchen”.

Stunder et al. (s. dieses Heft S. 67 - 70) stellen dazu eine Untersuchung aus einer Hausarztpraxis vor, bei der Patienten gebeten wurden, den voraussichtlichen Zeitbedarf ihrer Konsultation einzuschätzen. Die Richtigkeit dieser Schätzung wurde in Beziehung gesetzt zu der nach der Konsultation erhobenen Zufriedenheit der Patienten mit der Arzt-Patienten-Begegnung. Besonderes Augenmerk lag auf Konsultationen in denen psychische und psychosomatische Aspekte von Kranksein eine bedeutende Rolle spielten, weil solche Beratungen erfahrungsgemäß zu Turbulenzen der Terminplanung beitragen. Ähnliche Fragestellungen wurden bislang in europäischen Vergleichsstudien, auch in Schweden, den Niederlanden und im Vereinigten Königreich untersucht, nicht aber in Deutschland. Besonders interessant war hier, ob Patienten vor der Konsultation in etwa abschätzen konnten, wie viel Zeit ihr Problem beanspruchen würde.

Ein Beispiel aus der eigenen Praxis kann illustrieren: Eine Patientin hatte, da sie nur etwas Kurzes vorzutragen habe, um einen 5-Minuten-Termin gebeten. Die Konsultation dauerte dann aber eine Ÿ Stunde, weil ein Alkoholproblem und dessen familiärer Kontext sich in den Vordergrund schob und bearbeitet wurde. Der eigentliche Konsultationsanlass, nämlich die Bitte um eine neue Krankengymnastikverordnung, war überdies vergessen worden. Die Patientin bat dann telefonisch um die Ausstellung, da „beim letzten Mal alles so schnell gehen musste”.

Häufige Terminkiller sind angst- oder schambesetzte Themen, die oft noch im Hinausgehen geäußert werden: „Könnten Sie mir noch etwas gegen Potenzprobleme verschreiben?” Oder die angemeldete Mutter, die noch bittet, zwei mitgebrachte Kinder schnell anzuschauen, „weil die auch husten und der Kinderarzt Urlaub hat”. Notbesuche aus der laufenden Sprechstunde sind der Termin-GAU und stellen die Mitarbeiterinnen vor die Herausforderung, eine ganze Sprechstunde umzuplanen. Ob die „Versenkung” von ohnehin niedrig bewerteten Gesprächsleistungen in Pauschalen des neuen EBM 2008 sich auf die Konsultationszeiten der „sprechenden Medizin” auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Stunder et al. fanden im Ganzen eine hohe Zufriedenheit der Patienten mit der Konsultation. Nur zu einem Drittel waren die untersuchten Patienten in der Lage, die tatsächliche Konsultationszeit vorherzusagen. Patienten mit psychosomatischen und psychosozialen Problemen unterschätzen nicht nur den Zeitbedarf für die Konsultation, sondern sind auch dann in höherem Maße unzufrieden, wenn sie mehr Zeit erhielten als die übrigen Patienten. Die vorgelegte Untersuchung macht auf eine in England vorgenommen Studie aufmerksam, bei der Patienten innerhalb eines Rasters von 5 - 20 Minuten (5-Minuten-Schritte) recht gut ihren Zeitbedarf einschätzen konnten. So lohnt sicherlich der Versuch, in Praxen von Allgemeinärzten und hausärztlichen Internisten, die Patienten bei der Terminvereinbarung zu fragen, wie viel Konsultationszeit sie für angemessen halten.

Dr. med. Gernot Rüter

Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie

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