Laryngorhinootologie 1989; 68(5): 267-270
DOI: 10.1055/s-2007-998331
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Klagsamkeit und Depression bei Ohrgeräuschpatienten*

Complaint and Depression in Tinnitus PatientsR. Schönweiler1 , Claudia Neuschulte1 , G. H. Paar2
  • 1Universitäts-HNO-Klinik Essen (Kommissarischer Leiter: Prof. Dr. W. Stoll)
  • 2Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Universität Essen (Kommissarischer Leiter: G. H. Paar)
* Auszugsweise vorgetragen bei der 71. Jahrestagung der Nordwestdeutschen Vereinigung der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte in Hameln am 14. Oktober 1988.
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
29. Februar 2008 (online)

Zusammenfassung

Ohrgeräuschpatienten geben häufig Beschwerden aus dem psychosomatischen Bereich sowie auch Probleme im Zusammenleben mit anderen Menschen an. In einer hypothesengenerierenden Studie wollten wir prüfen, ob psychosoziale Probleme beim Empfinden und bei der Verarbeitung von Ohrgeräuschen möglicherweise eine Rolle spielen. Wir untersuchten 48 Patienten mit Ohrgeräuschen, davon 13 ohne und 35 mit Hörstörung. In der nach Alter, Geschlecht und Sozialstatus parallelisierten Kontrollgruppe befanden sich eine gleiche Anzahl von Patienten aus der Hals-Nasen-Ohren-Klinik ohne Ohrgeräusche und ohne Tumorerkrankung. Als Kriterium wurden die Klagsamkeit, gemessen mit dem Gießener Beschwerdebogen (Brähler, Scheer, 1983), sowie die Neigung zu depressiver Stimmungslage, gemessen mit dem Beckschen Depressionsinventar (Beck und Mitarb., 1981), ausgewählt. Wir fanden bei Ohrgeräuschpatienten im Vergleich zu Patienten ohne Ohrgeräusch einen statistisch signifikant höheren Beschwerdedruck bei vielfältigen, auch ohrfremden Symptomen. Sie wiesen einen erstaunlich hohen Depressionsindex im Sinne einer klinisch bedeutsamen Depression auf, welcher jedoch stets unter den Werten für endogene Depressionen lag. Die Ergebnisse werden auf ihre klinische Bedeutsamkeit hin diskutiert. Im besonderen erscheint es uns wichtig, bei Patienten mit Ohrgeräuschen nach weiteren Beschwerden im psychosomatischen Bereich zu fragen, die psychisch modulierte Empfindungsstärke von Ohrgeräuschen offen anzusprechen und polypragmatisch zu behandeln.

Summary

Tinnitus patients often complain of psychosomatic disorders and of problems in social life. We intended to prove the modulation of tinnitus perception by psychosocial factors. We examined 48 tinnitus patients, 35 with and 13 without hearing loss. A control group of 48 patients without tinnitus, without hearing disorder and without tumour disease was adapted to correspond to the tinnitus group in respect of age, sex and social factors. A quantitative assessment of complaints as well as of the intensity of depression was made via questionaires (Giessener Beschwerdebogen and Beck Depression Inventory). In tinnitus patients, we found a statistically significantly higher degree of complaints even for non-otological symptoms. They were statistically more depressive than the controls, but less than patients with endogenic depression usually are. Nevertheless, in tinnitus patients it seems to be reasonable to inquire after general symptoms of illness to assess whether cooperation with a psychiatrist is required before initiating somatic treatment.

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