Pneumologie 2008; 62(2): 93-98
DOI: 10.1055/s-2007-996174
Historisches Kaleidoskop
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Womit atmet der Lungenenzian? Haben Lungenwürmer Lungen?

Namen aus der Lungenheilkunde in Fauna und FloraWith what Does the Lungwort Breath? Do Lungwurms Have Lungs?Names from Pulmonology in the Flora and FaunaR.  Kropp
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Publication Date:
15 February 2008 (online)

Es gibt kuriose Lebewesen in Fauna und Flora - man denke nur an Stabheuschrecken, Sonnentau, Tintenfische, Seepferdchen oder Stachelschweine. Doch genauso kurios ist zuweilen die deutsche Namensgebung: Dürrwurz, Bärenklau oder Rührmichnichtan, Wanstschnecke, Harzrüsselkäfer und Schilfwickler, Wadenstecher, Orpheusspötter und Zwergrückenschwimmer etwa. Immer wieder trifft man dabei auch auf Namen, die an die Anatomie des Menschen angelehnt sind: Augentrost und Leberblümchen, Blutauge und Nierenfleck, Leberegel und Herzigel. Den Ursprung dieser Namen kennt man teilweise, zuweilen ist er auf den ersten Blick ersichtlich, doch manchmal bleibt er im Dunkeln.

Natürlich gibt es auch Tiere und Pflanzen, die nach der Lunge benannt sind - man denke nur an das Lungenkraut, den Lungenwurm und den Lungenfisch. Doch nicht nur das Wort „Lunge”, sondern auch seine Synonyme und verwandte Bezeichnungen sind in Gebrauch: Bronchus, Aer (Áη'ρ), Larynx, Pneuma (Πνευμα), Pulmo. Die Gründe für diese Namengebung sind verschieden und zuweilen nicht bekannt. Sie werden im Folgenden erörtert. In diesem Rahmen gewinnt man einen kleinen Einblick in die Onomatologie und in die Evolution der Atmungsorgane.

Die Lunge ist definiert als Atmungsorgan der Menschen und Tiere, die an Land leben oder sekundär ins Wasser zurückgekehrt sind [1]. Sie ist eine von mehreren Strategien der Natur zur Versorgung mit Sauerstoff, die bei den Fischen durch Kiemen und Schwimmblase, bei Insekten durch Tracheen und bei Amphibien zudem über die Haut erfolgen kann. Während die Amphibienlunge noch zumeist sackförmig ist, ist die Lunge der Reptilien bereits stark gekammert und denen der Säuger ähnlich. Die kleine Vogellunge ist schon komplizierter aufgebaut und an ein System von Luftsäcken gekoppelt [1]. Die Funktionalität der Lunge ist somit ein Prinzip des O2/CO2-Austauschs, das auf einen Teil der Fauna beschränkt ist.

Die [Tab. 1] zeigt die Systematik von Fauna und Flora. Die folgenden Seiten enthalten einige Beispiele für die Benennung von Tier und Pflanze mit „Lungen”-Namen ([Tab. 2] u. [3]). Die Gründe für diese Namengebung werden, soweit bekannt, erklärt.

Tab. 1 Taxonomische Rangstufen (Systematik) der Fauna und Flora (gekürzt) Reich regnum Klasse classis Ordnung ordo Familie familia Gattung genus Art species

Tab. 2 Fauna deutscher Name wissenschaftlicher Name Lungenegel Paragonimus Lungenmilbe Pneumonyssus Lungenwurm Metastrongylidae/Dictyocaulidae Lungenfische der Australische Lungenfisch Neoceratodus forsteri der Amerikanische Lungenfisch Lepidosiren paradoxa der Afrikanische Lungenfisch Protopterus mit vier Arten die Lungenschnecken Pulmonata Quallen Lungenqualle Rhizostoma pulmo Seelunge Pneumo marinus, Πνευμων Θαλασσİον der lungenlose Salamander Plethodontiden

Tab. 3 Flora deutscher Name wissenschaftlicher Name Lungenkraut Pulmonaria officinalis Lungenflechte/Lungenmoos Lobaria Pulmonaria Lungenenzian Gentiana pneumonanthe Lungenkresse Cochlearia officinalis

Literatur

  • 1 Lexikon der Biologie in fünfzehn Bänden. Heidelberg: Spektrum
  • 2 Steinmann P. et al . Occurrence of Strongyloides stercoralis in Yunnan Province, China, and Comparison of Diagnostic Methods.  PLoS Negl Trop Dis. 1 (1) e75. doi: 10.1371/journal.pntd.0000075
  • 3 Lüling K-H. Die Lungenfische und der südamerikanische Kurzschwanzaal: (Dipnoidea, Synbranchidae.) Heidelberg: Spektrum 1996
  • 4 Campbell N A, Reece J B. Biologie. Heidelberg: Spektrum 2003
  • 5 Ullstein Lexikon der Tierwelt. Frankfurt am Main 1974
  • 6 Westheide W, Rieger R . Spezielle Zoologie. Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere. München: Spektrum 2007
  • 7 Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike in 5 Bänden. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1979
  • 8 Heeger T. Quallen - gefährliche Schönheiten. Stuttgart: Hirzel 2004
  • 9 Jüttner G. Die Signatur in der Pflanzenabbildung. Pharmazeutische Zeitung Nr. 51 23 Dezember 1971
  • 10 Scherf G. Zauberpflanzen, Hexenkräuter. Mythos und Magie heimischer Wild- und Kulturpflanzen. München: Blv 2003
  • 11 Telesko W. Die Weisheit der Natur. Heilkraft und Symbolik der Pflanzen und Tiere im Mittelalter. München: Prestel 2001
  • 12 Pedanius Dioscurides aus Anazarba. Fünf Bücher über die Heilkunde. Aus dem Griechischen übersetzt von Max Aufmesser. Hildesheim: Olms 2002
  • 13 Hiller K, Melzig M. Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen in zwei Bänden. Erfstadt: Sonderausgabe area verlag GmbH 2005
  • 14 Britz-Kirstgen R. Phytochemische Untersuchungen an Senecio cacaliaster L., Echinacea angustifolia DC und Pulmonarfia officinalis L. Bonn: Dissertation 1985
  • 15 Sitte P. et al .Strasburger. Lehrbuch der Botanik. Heidelberg 2002
  • 16 Schmeil O. Flora von Deutschland und angrenzenden Ländern. Wiebelsheim: Quelle und Meyer 2000
  • 17 http://de.wikipedia.org/wiki/Lungen-Enzian (06.10.2007)
  • 18 http://de.wikipedia.org/wiki/Cochlearia_officinalis (06.10.2007)
  • 19 Stringer J R, Beard C B, Miller R F, Wakefield A E. A new name (pneumocystis jiroveci) for Pneumocystis from humans.  Emerg Infect Dis [serial online]. 8 2002 (a); 

1 Den geringen Sauerstoffgehalt des Wassers können die verschiedenen Arten der Lungenfische durch zwei Strategien umgehen oder kompensieren: Einmal durch die Lunge, die der Fisch nutzt, indem er regelmäßig an der Wasseroberfläche auftaucht und Luft schluckt. Die Australische Gattung braucht nicht einmal mehr dies, ist sie doch fähig, mit dem im Wasser vorhandenen Sauerstoff auszukommen.

2 Neuer Name: Pneumocystis jiroveci [19].

3 Giovanni Battista Porta (1538 - 1615), zitiert nach [8].

Dr. phil. Ruthild Kropp

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