Gesundheitswesen 2007; 69(3): 113-114
DOI: 10.1055/s-2007-972559
Vorwort

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Soziale Medizin: Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit

Social Medicine: Quality, Humanity and Economic EfficiencyG. von Mittelstaedt 1
  • 1MDK Hessen, Oberursel
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Publication Date:
17 April 2007 (online)

Die moderne Sozialmedizin als medizinisches Fach ist durch integrative Ausrichtung und interdisziplinären Charakter gekennzeichnet. We-sentliche Ansätze zeitgemäßer Sozialmedizin und fortschrittlicher Prävention fanden sich schon bei Rudolf Virchow. Gegenwärtig übernehmen Sozialmedizinerinnen und Sozialmediziner in großem Umfang vermittelnde Aufgaben. Deren ärztliche Leistungen entfalten ihre Wirkung in enger Bindung an ein Gesundheitssystem, das sozialgesetzlich verankert den allgemeinen Grundsätzen der „Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit” verpflichtet ist.

Im aktuellen Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) stehen Qualität und Wirtschaftlichkeit im Fokus des ordnungspolitischen Rahmens. Zudem sollen bei Wahrung des sozialen Schutzes „gleichzeitig auch mehr Individualität verwirklicht und eine am jeweiligen Bedarf orientierte medizinische Versorgung weiter gefördert werden”. Bei der Weiterentwicklung des Gesundheitssystems werden also auf einem umfassenden Erfahrungs-schatz basierende sozialmedizinische Expertisen zunehmende Bedeutung erlangen.

Einen wichtigen Beitrag dazu leistet neben den akademischen Bereichen der Sozialmedizin die angewandte Sozialmedizin mit ihrem jetzt schon beachtlichen Versorgungsauftrag. Im breiten Spektrum der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention ist sie dem Fachbereich „Praktische Sozialmedizin und Rehabilitation” zugeordnet. Dazu gehören insbesondere auch die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) und der Medizinische Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen e. V. (MDS). Mit ihren bundesweit anerkannten Kompetenzeinheiten bilden sie die MDK-Gemeinschaft.

Im Auftrag der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen werden jährlich mehr als 7 Millionen Begutachtungen im Einzelfall, zahlreiche Beratungen einschließlich der Grundsatzstellungnahmen sowie rund 10.000 Qualitätsprüfungen in Versorgungseinrichtungen durchgeführt. Die Medizinischen Dienste nehmen somit einen bedeutenden Versorgungsauftrag im System der sozialen Sicherung der Bundesrepublik Deutschland wahr. Bereits 1997 hat in Anerkennung dieser Leistungen der MDK Mecklenburg Vorpommern e. V. eine Jahrestagung der DGSMP in Schwerin organisiert.

Der MDK hat seitdem sein Profil als sozialmedizinische Expertenorganisation geschärft. Den ihm übertragenen Auftrag erfüllt er als gestaltende Kraft im Gesundheitssystem. Nach 9 Jahren hat nun im Jahr 2006 der MDK Hessen erfolgreich die 42. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGSMP ausgerichtet. Einen besonderen Schwerpunkt bildeten die Veranstaltungen der Kompetenzeinheiten der MDK-Gemeinschaft zu aktuellen Themengebieten: Leistungsbeurteilung und Teilhabe, Pflege und Hilfebedarf, Versorgungsstrukturen, Vergütung, Hilfsmittel, Medizinprodukte, Methoden- und Produktbewertung, Geriatrie, Onkologie, Psychiatrie und Psychotherapie sowie Qualität.

Die weit mehr als 150 Beiträge in aufschlussreichen Vortragsveranstaltungen, instruktiven Posterpräsentationen und arbeitsintensiven Workshops spiegelten das gesamte Spektrum der modernen Sozialmedizin wider, angefangen bei der Epidemiologie über die Prävention bis hin zur Versorgungs- und geschlechtsspezifischen Gesundheitsforschung.

Die Fachgesellschaft verleiht in Anerkennung besonderer Verdienste um die Sozial- und Präventionsmedizin regelmäßig die Salomon-Neumann-Medaille. Ihr ist sein Diktum „Medicin ist eine Sociale Wissenschaft” aufgeprägt. Im Jahr 2006 ehrte die Fachgesellschaft erstmalig nicht eine einzelne herausragende Persönlichkeit, sondern eine Institution mit der Medaille. Die Auszeichnung des Gemeinsamen Bundesaus-schusses (G-BA) für seine außerordentlichen Verdienste um die Evidenz-basierte Medizin (EbM) nahm stellvertretend der Gesundheitswissenschaftler Prof. Dr. med. Norbert Schmacke entgegen. In seinem differenziert ausformulierten Referat, das Teil dieses Schwerpunktheftes ist, erörterte Schmacke seine Kernthese: „Evidenzbasierte Medizin und Health Technology Assessment sind für sich genommen eine maßgebliche Innovation der Regulierung gesundheitsbezogener Dienstleistungen.”

Zu Tagungsbeginn hatte die Hessische Sozialministerin Silke Lautenschläger anerkennende Worte für die Sozialmedizin. Sie betonte die Notwendigkeit für weiterhin qualitativ beachtliche sozialmedizinische Versorgungsleistungen im gegliederten System der sozialen Sicherung Deutschlands. Wie stellte bereits Rudolf Virchow fest: „Die Medicin ist eine sociale Wissenschaft, und die Politik ist nichts weiter als Medicin im Großen.”

Alles in allem belegen die Tagung und das vorliegende Schwerpunktheft die gesellschaftstragende Dimension der Sozialmedizin im Spannungsfeld von Innovation, Versorgungsgerechtigkeit und Gesundheitsökonomie.

Korrespondenzadresse

Dr. med. G. von Mittelstaedt

MDK Hessen

Zimmersmühlenweg 23

61440 Oberursel

Email: k.jesgarek@mdk-hessen.de

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