NOTARZT 2007; 23(5): 172-173
DOI: 10.1055/s-2007-971004
Recht
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Melderechtliche Einstufung der notärztlichen Tätigkeit in mehreren Kammerbezirken - Ein Überblick

P.  Kalb1
  • 1Rechtsabteilung der Bayerischen Landesärztekammer
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Publication Date:
04 October 2007 (online)

Problembeschreibung

In den letzten Jahren nahm aufgrund einer „Knappheit” von Notärzten die bundeslandübergreifende Notarzttätigkeit zu. Konkret werden Notärzte dann in mehreren Kammerbereichen der jeweiligen Ärztekammern tätig.

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der komplizierten berufsrechtlichen Situation, in welche sich die Notärzte in einigen Kammerbezirken begeben könnten.

In allen Bereichen ärztlichen Handelns macht sich die Flexibilität sowohl am Arbeitsplatz als auch im niedergelassenen Bereich durch die Tätigkeit an unterschiedlichen Orten bemerkbar. Dies wird auch zunehmend im Bereich der notärztlichen Tätigkeit sehr deutlich. Viele Notärzte versehen diesen Dienst zusätzlich zu ihrer hauptberuflichen Tätigkeit - meist in Form genehmigter Nebentätigkeit - quasi als freie Unternehmer.

Die Rettungszweckverbände sind dankbar für dieses hohe Engagement neben der ohnehin schon belastenden Tätigkeit - über Landesgrenzen (gemeint sind die Landesgrenzen innerhalb Deutschlands) hinweg.

Dies wirft auf der anderen Seite Fragen der Mitgliedschaft in den einzelnen Ärztekammern auf, was nachfolgend erörtert werden soll, mit einem kleinen Ausblick über hoffentlich alsbald angeglichene Strukturen, die aus Sicht des Notarztes eine - zumindest bürokratische - Erleichterung mit sich bringen werden.

Die Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG, die insbesondere den vorübergehenden Dienstleistungsverkehr innerhalb der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erleichtern soll, hat diesbezüglich Denkanstöße gegeben, wie auch die Veränderungen der ärztlichen Arbeitsweisen und der beruflichen Strukturen, die die Musterberufsordnung 2004 im Hinblick auf die Gestaltung von Kooperationen zwischen den Ärzten ebenso schon vollzogen hat. Zudem ist es nunmehr durch das Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes am 1.1.2007 auch Vertragsärzten erlaubt, ihre Berufsausübung flexibler zu gestalten.

Die Ärzte haben weiter erstmals unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften zu gründen und somit auch in anderen Kammerbezirken ärztlich tätig zu sein.

Nach dem bislang geltenden Berufsrecht war die ärztliche Berufsausübung nur an einem Ort, allenfalls darüber hinaus an einem weiteren Ort, in Form einer genehmigten Zweigpraxis, zulässig.

Aber schon vor Einführung dieser neuen Möglichkeiten war es im notärztlichen Bereich nicht unüblich, dass entsprechend qualifizierte Ärztinnen und Ärzte über die jeweiligen Landesgrenzen hinweg notärztlich tätig waren. Viele Kolleginnen und Kollegen im notärztlichen Bereich nutzten ihre Freizeit, sich durch „learning by doing” im notärztlichen Bereich auf dem Laufenden zu halten. Dies brachte auch mit sich, dass sie, insbesondere wenn sie in der Nähe zweier benachbarter Bundesländer hauptberuflich tätig waren, dies auch entsprechend in beiden Bundesländern nutzen konnten. So ist es in dem notärztlichen Bereich nicht selten, dass kammerübergreifende Notarzteinsätze absolviert wurden und werden.

Insbesondere wegen der neuen Entwicklungen körperschaftsgebietsübergreifender Tätigkeiten stellt sich heute die Frage, welcher Ärztekammer ein Notarzt als beitragspflichtiges Mitglied angehört, wenn seine ärztliche Tätigkeit zu einem nicht unbeträchtlichen Teil in beiden Kammerbezirken für den jeweils zuständigen Rettungszweckverband oder für entsprechend andere zuständige Institutionen erfolgt.

Die Zuordnung hängt zum einen von den unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen der einzelnen Bundesländer hinsichtlich einer kammerübergreifenden ärztlichen Tätigkeit ab.

Zum anderen ist dafür entscheidend, ob die notärztliche Tätigkeit als niedergelassener, angestellter oder freiberuflich ohne Praxissitz tätiger Arzt durchgeführt wird.

Die aktuelle Rechtslage bezüglich einer in mehreren Kammerbezirken ausgeübten ärztlichen Tätigkeit weist folgende zwei Grundmodelle auf, deren Ausgestaltung sich in variierender Form in den einzelnen landesrechtlichen Heilberufsgesetzen wiederfindet:

Zum einen die Monomitgliedschaft, bei der der Arzt nur bei einer Kammer (ordentliches) Mitglied sein kann, zum anderen die Mehrfachmitgliedschaft, bei der der Arzt in jeder Kammer Mitglied ist, in deren Kammerbereich er ärztlich tätig ist. Mehrheitlich schließen die Heilberufsgesetze vom Wortlaut her weder die Mitgliedschaft in nur einer Kammer noch die Mehrfachmitgliedschaft aus, indem die Mitgliedschaft regelmäßig an die Berufsausübung in einem bestimmten Kammerbezirk anknüpft.

Zwar verbieten die meisten Heilberufsgesetze die Mehrfachmitgliedschaft nicht ausdrücklich, das bedeutet aber nicht, dass der Gesetzgeber die Mehrfachmitgliedschaft positiv zulassen wollte.

So geht beispielhaft aus den Regelungen des § 2 Abs. 3 des sächsischen und aus Art. 4 Abs. 3 des bayerischen Heilberufe-Kammergesetzes eindeutig hervor, dass eine Mehrfachmitgliedschaft von diesen Landesgesetzgebern nicht beabsichtigt ist.

Nach diesen Regelungen können Mitglieder, die gelegentlich oder vorübergehend außerhalb des jeweiligen Bundeslandes ärztlich tätig sind, von der Mitgliedschaft entbunden werden, wenn sie Mitglied der dort zuständigen Kammer sind.

Weiter werden Ärzte, deren Mitgliedschaft bei der einen Kammer wegen gelegentlicher oder vorübergehender ärztlicher Tätigkeit erlischt, Mitglied bei der anderen Kammer.

Die Heilberufe-Kammergesetze Baden-Württembergs, Berlins und Brandenburgs gehen dagegen bei einer kammerübergreifenden Tätigkeit von der genannten Mehrfachmitgliedschaft aus, weil darin kein Befreiungstatbestand für diese Fälle besteht.

Bei allen Heilberufe-Kammergesetzen findet sich aber als Anknüpfungspunkt der Ort der beruflichen Tätigkeit und der Wohnort, wenn keine Berufstätigkeit ausgeübt wird.

Für den kammerübergreifenden Notarzteinsatz kommt es demnach zum einen auf die jeweiligen geltenden kammerrechtlichen Vorgaben an.

Zum anderen kann bei angestellten und niedergelassenen Notärzten aufgrund derselben Anknüpfungspunkte in allen Heilberufsgesetzen klar festgestellt werden, bei welcher Kammer die Mitgliedschaft begründet wird. So ist entscheidend, wo sich die Haupttätigkeit des angestellten Arztes oder der Hauptpraxissitz befindet.

Bei ebenso freiberuflich und selbstständig, aber ohne Praxissitz, tätigen Notärzten kann sich die Frage der Kammerzugehörigkeit nach der aktuellen Rechtslage kompliziert darstellen und muss deswegen jeweils anhand des Einzelfalles von den betroffenen Kammern geprüft werden. Dabei ist die Kammer zunächst zuständig, in deren Bezirk der Arzt überwiegend ärztlich tätig ist.

In Form eines Ausblicks ist darauf hinzuweisen, dass die Regelungen im Bereich der Europäischen Union - wonach entsprechende ärztliche Tätigkeiten bei Vorliegen der erforderlichen Qualifikation grenzüberschreitend möglich sein müssen - sowie die Entwicklungen im Bereich der vielfältigen, über große Entfernungen hinweg, zulässigen neuen Betätigungsmöglichkeiten alle Ärztekammern veranlassen müssen, über eine gleichlautende mitgliedschaftsbegründende Vorschrift nachzudenken.

Vor dem Hintergrund der zwei unterschiedlichen Varianten der Mitgliedschaft bei kammerübergreifender Tätigkeit und der daraus resultierenden Unstimmigkeiten hinsichtlich der berufsrechtlich zulässigen überörtlichen Tätigkeit, gibt es derzeit auf Bundesebene bei der Bundesärztekammer die Bestrebung, eine einheitliche Regelung für solche Fälle zu finden und zur gleichlautenden Übernahme allen Landesärztekammern - und damit allen Landesgesetzgebern - zu empfehlen.

Der derzeitige Diskussionsstand der zuständigen Gremien der Bundesärztekammer beinhaltet das Ziel sowohl bundeseinheitlich die Monomitgliedschaft einzuführen als auch für Ärzte, die in mehreren Kammerbereichen tätig sind, die vorhandenen Verzeichnisse bei den Ärztekammern zu erweitern und eine Regelung hinsichtlich des dafür notwendigen Datenaustausches zu finden.

Die Berufsaufsicht soll nach einhelliger Meinung nach dem Tatortprinzip bei der Kammer liegen, in der der Verstoß begangen worden ist.

Für alle kammerübergreifend tätigen Notärzte werden die neuen gesetzlichen Regelungen die Unsicherheit hinsichtlich der Mitgliedschaft hoffentlich beseitigen und zu einem bundeseinheitlich geregelten Verfahren führen.

Sobald die Vorbereitungen der entsprechend korrespondierenden kammergesetzlichen Regelungen abgeschlossen sind, wird dies Anlass sein, hierüber in gleicher Weise zu informieren und einen Gesamtüberblick über die Rechtslage in Deutschland abzugeben.

Praxistipp der Herausgeber

Aus anwaltlicher Sicht ist der Notarzt gut beraten, sich vor Aufnahme einer (not)ärztlichen Tätigkeit in einem „fremden” Kammerbezirk, die jeweilige „Fremdärztekammer” hinsichtlich der berufsrechtlichen Verpflichtung zur Meldung zu befragen, um so berufsrechtliche Sanktionen und Ärger zu vermeiden. Es empfiehlt sich darüber hinaus, diese Anfragen schriftlich zu stellen. Ferner sollten notärztliche Tätigkeiten nur auf der Grundlage eines schriftlichen Vertrages vereinbart werden.

Peter Kalb, Rechtsreferent

Rechtsabteilung Bayerische Landesärztekammer

Mühlbaurstr. 16

81677 München

Email: p.kalb@blaek.de

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