Geburtshilfe Frauenheilkd 2007; 67(1): R1-R28
DOI: 10.1055/s-2007-964906
GebFra-Refresher

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

HPV-Infektion: Impfung, Diagnostik und Therapie

P. Hillemanns1 , G. Mehlhorn2 , F. Rinnau1 , P. Soergel1 , M. W. Beckmann2
  • 1Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Medizinische Hochschule Hannover
  • 2Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen
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Publication History

Publication Date:
09 February 2007 (online)

Ätiologie und Pathogenese der humanen Papillomvirusinfektion

Epidemiologie

Das Papillomvirus

Die HPV werden in 2 Gruppen eingeteilt: low risk und high risk, je nach ihrem kanzerogenen Potenzial. HPV16 und 18 verursachen die meisten Zervixkarzinome.

ist ein ca. 55 nm kleines Viruspartikel, das ein doppelsträngiges zirkuläres virales Genom von 7904 Basenpaaren einschließt. Die HP-Viren gehören der Papovaviren-Familie an und besitzen ein ikosaedrisches Proteinkapsid. Es gibt ca. 100 verschiedene HPV-Typen, die sowohl die Haut als auch die Schleimhäute infizieren können. Im Bereich des Uro-Anogenitaltrakts treten ca. 40 verschiedene HPV-Typen in den Vordergrund, die aufgrund ihres onkogenen Potenzials (Vorkommen in prämalignen und malignen Läsionen) in zwei Gruppen eingeteilt werden [18]. Die Low-risk-HPV-Typen (LR‐HPV: 6, 11, 42, 43, 44) haben ein niedriges Potenzial, eine maligne Erkrankung entstehen zu lassen. Die LR‐HPV-Typen 6 und 11 sind die Hauptverursacher von genitalen Warzen. Darunter leiden ca. 1 - 2 % der Bevölkerung. Die High-risk-HPV-Typen (HR‐HPV: 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59, 68, 73, 82 und eventuell auch 26, 53, 66) haben ein hohes onkogenes Potenzial. Die Odds Ratio (OR 95 % CI = 9 - 548), bei einer persistierenden HR‐HPV-Infektion an einer prämalignen oder malignen Veränderung der Cervix uteri zu erkranken, ist statistisch sehr hoch [6, 18, 30]. Die Mehrheit der Gebärmutterhalskrebs-Erkrankungen (ca. 70 %) wird durch zwei Vertreter der HR‐HPV-Typen verursacht. Die Virus-Typen HPV16 und 18 sind bereits seit 1995 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als kanzerogen für den Menschen eingestuft worden [5, 14, 15, 17, 18, 23, 27].

Die Infektion

Der Altersgipfel der häufigsten sexuell übertragbaren Erkrankung liegt zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr.

mit humanen Papillomviren zählt weltweit zu den häufigsten sexuell übertragbaren Erkrankungen. Ungefähr 70 % aller Menschen haben sich im Laufe des Lebens mindestens einmal mit genitalen HPV infiziert. Die Prävalenz der HPV-Infektion variiert zwischen 3 - 50 % bezogen auf verschiedene Bevölkerungsgruppen und ist von verschiedenen Faktoren wie Alter, soziale Schicht und Kulturkreis abhängig. In bestimmten Kulturkreisen konnte eine kumulative Inzidenz von 50 % erreicht werden. Der Altersgipfel der Infektion liegt zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr [11].

Auf Europa bezogen liegt die Infektionsrate ohne klinisch relevante Veränderung zwischen 16 - 33 Mio. Menschen/Jahr. Das Risiko einer Neuerkrankung für eine leichtgradig prämaligne Veränderung (CIN 1) ist dort mit einer Inzidenz von 1,2/1000 angegeben. Die Inzidenz für eine höhergradige zervikale Neoplasie (CIN 2 - 3) liegt bei 1,5/1000 [7, 12]. In Deutschland

Erst wenn eine HPV-Infektion persistiert, steigt das Risiko für eine prämaligne oder maligne Veränderung der Zervix, Vagina oder Vulva.

liegt die Prävalenz einer HPV-Infektion von Frauen bei 6,4 - 7,9 %, die Häufigkeit der Erkrankung (CIN 3 und Zervixkarzinome) liegt bei 2 - 3 % [6, 19, 21].

Die meisten Infektionen heilen nach 10 - 14 Monaten wieder aus. Nur wenn die HPV-Infektion persistiert, steigt das Risiko, an einer prämalignen und malignen Veränderung der Zervix, Vagina oder auch Vulva zu erkranken. Eine Dysplasie entwickelt sich langsam fortschreitend über mehrere Jahre. Ist eine HPV-assoziierte CIN 1 oder CIN 2 vorhanden, kann in 50 - 56 % der Fälle eine spontane Regression eintreten. Nur in 14 - 22 % können leicht- und mäßiggradige Veränderungen der Zervix in ein In-situ-carcinoma übergehen. Eine schwergradige Läsion der Zervix hat eine hohe Wahrscheinlichkeit für Progression (64 %) und Entstehung eines In-situ-carcinoma. Bis ein invasiver Tumor entsteht, vergehen mindestens 10 Jahre [5, 23].

Molekularbiologie und Onkogenese der HPV-Infektion

Die Grundstruktur verschiedener Papillomviren unterscheidet sich in der Genomorganisation nicht wesentlich voneinander. Die Gene des HP-Virus, z. B. Typ 16, sind in [Abb. 1] angeordnet.

Abb. 1 Genomstruktur HPV16.

Das ikosaedrisch

Die einfache Struktur des HPV unterteilt sich in die early region (ER) und late region (LR). In der ER befinden sich die Onkogene.

, hüllenlose Virus besitzt eine einfache Struktur und wird unterteilt in einen frühen Bereich (early region), der eine regulatorische Funktion einnimmt und einen späten Bereich (late region), der zwei Strukturproteine kodiert. Das Papillomviruskapsid besteht zu 80 % aus dem Strukturprotein L1 und zu 20 % aus dem Kapsidprotein L2. In der early region (ER) befinden sich sechs virale Gene, von denen zwei als Onkogene (E6 und E7) bezeichnet werden, die für die Virusreplikation, die Immortalisierung und Transformation von infizierten Zellen wichtig sind [5]. Das virale Gen E5 interagiert mit Zellmembranwachstumsfaktoren und spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Zelltransformation. Die Proteine E1 und E2 sind für die DNA-Replikation und Transkription des Virusgenoms verantwortlich. E4 scheint indirekt auch zur Replikation des viralen Genoms beizutragen [5, 9, 27].

Papillomviren infizieren

Die maligne Transformation entsteht, wenn die viralen Onkogene in Zellen exprimiert werden, die ihr eigenes Genom replizieren.

die Basalzellschicht des Epithels und führen zunächst zu einer latenten Infektion, bei der sich das virale Genom parallel mit der Wirtszelle vermehrt. Klinisch bleiben diese Infektionen inapparent. In einigen Zellen kommt es zur Replikation von Papillomviren und schließlich zur Freisetzung von viralen Kapsiden im Bereich der superfiziellen Epithelschichten mit abgeschilferten Epithelresten. In den teilungsaktiven Basalzellschichten findet keine Expression von viralen Onkogenen (E6, E7) statt. Dieses Stadium der Zellveränderung mit ausgeprägter Virusvermehrung entspricht im histologischen Schnitt einer leichtgradigen zervikalen Läsion (CIN 1) mit Nachweis von Koilozyten (blasige Anschwellung der Zellen) [21]. Werden aber die viralen Onkogene (E6, E7) in Zellen (epitheliale Stammzellen) exprimiert, die ihr eigenes Genom replizieren, dann kann es zur malignen Transformation kommen. Es entstehen dysplastische Zellen, die sich im weiteren zeitlichen Verlauf zu einer hochgradig dysplastischen Läsion entwickeln [27]. Die zelluläre Interaktion der Onkoproteine ist im Detail noch nicht komplett aufgeklärt. Das Zusammenwirken der Genprodukte der viralen Gene E6 und E7 der HR‐HPV-Typen tragen im Wesentlichen zum onkogenen Potenzial dieser Viren bei. Das E6-Genprodukt von HR‐HPV-Typen bindet an das Tumorsuppressorprotein p53 und führt zur Inaktivierung von zellulärer Apoptose. Die Hauptrolle im Transformationsprozess wird jedoch dem Genprodukt von E7 zugesprochen. Die Expression des E7-Onkogens in teilungsfähigen epithelialen Zellen der Zervix interagiert mit dem Retinomblastomprotein pRb und führt zur Auflösung des Retinomblastomprotein-E2F-Transkriptionsfaktor-Komplexes und löst somit ebenfalls eine Inaktivierung apoptotischer Prozesse in der Zelle aus. Zudem verbindet sich das E7 mit dem Retinoblastomgenprodukt (Rb), und es kommt zur Freisetzung des Transkriptionsfaktors E2F. Dies löst eine ungeregelte und gesteigerte Zellproliferation aus, die letztendlich zum Krebswachstum führt. Zusätzlich wird durch diesen Prozess ein weiteres Zellprotein, p16 INK4a, vermehrt gebildet, das im Ablauf einer normalen Zellteilung durch eine strenge Rückkopplung eine erneute Teilung der Zelle verhindern würde [5, 24].

Neue Biomarker in der Diagnostik der zervikalen Neoplasien p16INK4a p16INK4a ist ein Inhibitor Eine fortgeschrittene HPV-Infektion kann durch Nachweis von p16INK4a diagnostiziert werden. zyklinabhängiger Kinasen und wird im Zytoplasma und Zellkern von humanen Zervixepithelzellen exprimiert. Das zelluläre Protein spielt eine entscheidende Rolle in der Retinoblastomprotein(Rb)-vermittelten strengen Kontrolle des Zellzyklus in der Zellproliferation (G1-S). Normalerweise wird Rb phosphoryliert durch zyklinabhängige Kinasen (Zyklin D und CDK4/6). Die phosphorylierte Form von Rb verbindet sich mit sogenannten E2F-Transkriptionsfaktoren, die die Expression S-Phasen-spezifischer Proteine ermöglichen. Als eine negative Rückkopplung fördert das freigesetzte E2F die Bildung von p16INK4a, das wiederum die zyklinabhängigen Kinasen (cdk4 und cdk6) hemmt. In dysplastischen und neoplastischen Läsionen wird die Kontrolle über den Zellzyklus durch HPV-Onkoproteine (E6 und E7) gestört. E7 interagiert mit Rb, setzt somit E2F frei und löst damit eine Überexpression von p16INK4a aus. Der inhibitorische Effekt von p16INK4a wird durch E7 aufgehoben, der natürliche Rückkopplungsprozess läuft ins Leere, und p16INK4a wird in solchen Mengen gebildet, dass es mit immunzytochemischen und immunhistochemischen Methoden nachgewiesen werden kann. Der Nachweis des Proteins zeigt somit die fortgeschrittene HPV-Infektion an. p16INK4a ist ein Surrogatmarker für die aktivierte Onkogenexpression von HR‐HP-Viren in dysplastischen Zervixepithelzellen. Eine Diskriminierung zwischen potenziell progredierenden und regredierenden Läsionen ist nicht möglich [24, 26, 27]. HPV-L1-Protein Bisher sind keine morphologischen oder molekularbiologischen Marker bekannt, die den Verlauf einer CIN-Läsion zuverlässig vorhersagen können. Hier bietet eventuell der Nachweis des HPV‐L1-Kapsidproteins einen neuen Ansatz. Es sind die leicht- bis mäßiggradigen Zellveränderungen der Cervix uteri, die zu häufigen Kontrollen führen und bei Persistenz, aus Angst vor Progression, auch zu einer Therapie zwingen. In einer ersten retrospektiven Voranalyse und folgend auch in einer prospektiven Folgestudie konnte gezeigt werden, dass der Nachweis des HPV‐L1-Kapsidproteins in Abstrichpräparaten einer HR‐HPV-assoziierten leicht- bis mäßiggradigen zervikalen Läsion (CIN 1 - 2) nur in 20 % mit einer Progression einherging, während bei HPV‐L1-negativen Frauen in 80 % der Fälle eine Progression beobachtet wurde [10]. Die Ursache hierfür scheint in einer stark immunstimulierenden Wirkung des HPV‐L1-Kapsidproteins zu liegen, dass aufgrund dieser Eigenschaft auch von den Impfstoffherstellern als Impfstoff eingesetzt wird [16]. Ein abwartendes Verhalten mittels Abstrichkontrollen bei HPV‐L1-positiven Frauen könnte eventuell ausreichend sein. Dies wird man in weiteren prospektiven Studien durch zuverlässige Diagnostika (Pap-Abstrich, Kolposkopie; Histologie und HPV-Diagnostik) fortführen müssen [1, 10].

Prof. Dr. Peter Hillemanns  Direktor der Abt. für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Straße 1

30625 Hannover

Email: frauenklinik@mh-hannover.de