Viszeralchirurgie 2007; 42(2): 116-118
DOI: 10.1055/s-2007-960672
Das viszeralchirurgische Prüfungsgespräch

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Pankreastumoren, Pankreaskarzinom und chronische Pankreatitis

Pancreatic Tumours, Pancreatic Carcinoma and Chronic PancreatitisJ. Kleeff1 , A. Kolb1 , M. W. Büchler1 , H. Friess1
  • 1Abteilung für Allgemein-, Viszeral-, und Unfallchirurgie, Chirurgische Klinik, Universität Heidelberg
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Publication Date:
22 May 2007 (online)

1. Was ist histologisch der häufigste bösartige Pankreastumor und welche anderen Tumoren gibt es?

Man unterscheidet exokrine und endokrine Pankreastumoren. 80-90 % der bösartigen Pankreastumoren sind Adenokarzinome wovon fast alle zum Typ des duktalen Adenokarzinoms zählen. Andere seltenere Tumoren des exokrinen Pankreas sind seröse oder muzinöse zystische Neoplasien (SCN, MCN), intraduktale papilläre muzinöse Neoplasien (IPMN) und Azinuszellkarzinome. Die Gruppe der seltenen neuroendokrinen Tumoren (NET) umfasst hormoninaktive neuroendokrine Tumoren und hormonproduzierende Tumoren wie Gastrinome, Insulinome, Somatostatinome, VIPome und Glucagonome. SCN sind fast immer gutartig, wohingegen MCN, IPMN und NET sowohl gut- als auch bösartig sein können. Zu den Raumforderungen, die differenzialdiagnostisch von Neoplasien abgegrenzt werden müssen, gehören entzündliche / sklerosierende Veränderungen bei chronischer Pankreatitis oder Autoimmunpankreatitis (AIP) oder auch Pseudozysten nach akuter Pankreatitis oder bei chronischer Pankreatitis.

2. Was gehört zur Standarddiagnostik bei Pankreas-Raumforderungen?

Wenn der Verdacht auf eine Neoplasie des Pankreas besteht, wird neben der Routinelabordiagnostik mit Tumormarkern (CA 19-9) und der konventionellen Ultraschalluntersuchung eine CT- oder MRT / MRCP-Untersuchung gefordert. Diese Untersuchungen sind ausreichend zur Klärung der potenziellen Resektabilität in Hinblick auf Gefäßinfiltration und Fernmetastasierung. Bei fraglicher Gefäßinfiltration kann eine Endosonografie eventuell weiter Aufschluss bieten, sie wird aber nicht generell gefordert (eine Endosonografie kann auch indiziert sein zur Vorsorgeuntersuchung bei Risikopatienten z. B. Patienten mit hereditärer Pankreatitis). Die diagnostische Laparoskopie wird nur in Ausnahmefällen durchgeführt z. B. zur Sicherung / Ausschluss von Peritoneal- und /oder Lebermetastasierung, die in der Bildgebung vermutet werden, sich jedoch bioptisch nicht sichern lassen. Eine transkutane Biopsie sollte nur von metastasenverdächtigen Läsionen, nicht jedoch vom Primärtumor durchgeführt werden.

Falls anamnestisch und klinisch der Verdacht auf eine chronische Pankreatitis besteht, erfolgt zunächst die Analyse der exokrinen und endokrinen Organfunktion. Die weitere Abklärung sowie Verlaufskontrollen werden routinemäßig sonografisch durchgeführt. Auch hier ist bei unklaren Befunden sowie zur Operationsvorbereitung eine CT- oder MRT / MRCP-Diagnostik notwendig. Kann eine Raumforderung im Pankreas nicht konklusiv abgeklärt werden, sollte wegen der infausten Langzeitprognose des Pankreaskarzinoms die Operationsindikation großzügig gestellt werden.

3. Welches sind die Standardoperationen bei Pankreastumoren?

Der aktuelle Stand der Therapie bei Karzinomen des Pankreaskopfes ist die partielle Pankreatikoduodenektomie entweder nach Kausch / Whipple oder pyloruserhaltend. Studien haben gezeigt, dass beide Operationsverfahren onkologisch gleichwertig sind, sodass heutzutage häufiger die pyloruserhaltende Variante durchgeführt wird. Die Linksresektion wird bei Tumoren angewandt, die links lateral der Pfortader lokalisiert sind. Bei Tumoren des Korpus, die auf diese Weise nicht komplett entfernt werden können, wird im Rahmen einer erweiterten Linksresektion das Pankreas rechts der Pfortader durchtrennt. Die totale Pankreatektomie wird nur in Ausnahmefällen angewandt, wie z. B. bei Tumoren, die das ganze Pankreas befallen (z. B. IPMN vom Hauptgang-Typ), oder falls aus technischen Gründen eine Pankreasanastomose nicht sicher durchführbar ist. Benigne Raumforderungen (SCN, MCN, NET) im Bereich des Pankreaskorpus /-schwanzes können besonders organerhaltend durch eine Pankreassegmentresektion entfernt, oder in Ausnahmefällen auch enukleiert werden.

4. Wann sollte eine Resektion eines Pankreaskarzinoms durchgeführt werden bzw. wann sollte keine Resektion durchgeführt werden?

Kontraindikationen für eine Resektion eins Pankreaskarzinoms sind Fernmetastasen sowie eine arterielle Gefäßinfiltration (d. h. Truncus coeliacus, A. mesenterica superior). Es gibt aber Einzelfälle, bei denen auch bei Vorliegen von Metastasen oder arterieller Gefäßinfiltration eine Resektion sinnvoll erscheinen kann. Die vorhandenen Daten zeigen, dass Patienten mit Lymphknotenbefall, die eine Resektion erhalten haben, deutlich - im Sinne von Überleben - von einer Resektion profitieren. Daher gilt die Resektion auch bei lokalem Lymphknotenbefall ohne Fernmetastasen und Gefäßinfiltration inzwischen als Standard.

5. Ist eine Resektion bei Pfortaderinfiltration indiziert?

Infiltrationen der Pfortader als Ausschlusskriterium der Resektabilität werden kontrovers diskutiert, was zum Teil darauf beruht, dass oftmals erst nach Durchtrennung des Pankreas eine Beteiligung der Pfortader bemerkt wird, und dass zwischen einer Infiltration und einer entzündlichen Adhäsion erst in der endgültigen histologischen Untersuchung unterschieden werden kann (bei intraoperativer makroskopischer Verdachtsdiagnose auf Pfortaderinfiltration lässt sich diese nur in 50 % der Fälle histologisch nachweisen). Zu Resektabilität bei Tumorinfiltration der Pfortader gibt es leider noch keine randomisiert-kontrollierten Studien. Die letzten Jahre haben aber gezeigt, dass bei einer partiellen Resektion der Pfortader die Morbidität und Mortalität nicht signifikant höher ist, als bei einer Pankreatikoduodenektomie ohne Gefäßresektion. Es ließ sich bisher aber auch keine Verbesserung der Prognose bei Patienten mit Pfortaderresektion beweisen. Da aber bei Pfortaderinfiltration nur durch die Gefäßresektion eine R 0-Situation, also eine potenziell kurative Operation, erreicht werden kann, gilt hier momentan als Standard, dass eine Infiltration der Pfortader zumindest keine Kontraindikation für eine Resektion darstellt.

6. Ist ein palliative Resektion oder eine Resektion von Lokalrezidiven sinnvoll?

Prinzipiell wird weder eine palliative (d. h. R 2) Resektion noch eine Resektion bei Lokalrezidiven empfohlen. Allerdings gibt es Studien die zeigen, dass palliative Resektionen mit vertretbar geringem Operationsrisiko durchgeführt werden können, und im Vergleich zu keiner Resektion zu einem längeren Überleben und besseren Lebensqualität führen. Solange aber keine randomisiert-kontrollierten Studien zu dieser Fragestellung vorliegen, bleibt die palliative Resektion Einzelfällen vorbehalten. Betreffend der Resektion von Lokalrezidiven gibt es neue Daten, die zeigen, dass es Patienten geben könnte, die von diesem Vorgehen profitieren, v. a. wenn das Lokalrezidiv vergleichsweise spät nach der Primäroperation auftritt. Bei den allermeisten Patienten bedeutet ein Lokalrezidiv jedoch ein systemisches Wiederauftreten der Erkrankung ohne - oder mit nur begrenzten - chirurgischen Therapieoptionen.

7. Gibt es einen Unterschied zwischen der pyloruserhaltenden und der klassischen partiellen Pankreatikoduodenektomie in Bezug auf Indikationsstellung und Ergebnisse?

Zusammenfassend betrachtet zeigen die vorliegenden randomisiert-kontrollierten Studien, dass die pyloruserhaltende Operation die gleiche onkologische Radikalität wie die klassische Kausch / Whipple-Operation bietet. Durch die Tatsache, dass keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Operationsverfahren festgestellt werden konnten, speziell auch unter Betrachtung der Magenentleerung und der Lebensqualität, findet die pyloruserhaltende partielle Pankreatikoduodenektomie immer mehr Akzeptanz. Dies auch unter dem Aspekt eines organerhaltenden Verfahrens, das unter anderem mit kürzerer Operationszeit und weniger Blutverlust möglicherweise Vorteile für den Patienten bietet. Standard ist also heutzutage die pyloruserhaltende Operation für Tumoren des Pankreaskopfes und der periampullären Region. Die klassische Kausch / Whipple-Operation hat ihren Stellenwert, wenn der distale Magen aus technischen Gründen oder aus Gründen der onkologischen Radikalität entfernt werden muss.

8. Wann sollte eine erweiterte Lymphknoten-Dissektion durchgeführt werden?

Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung haben 70-80 % der Patienten bereits Lymphknoten- oder Fernmetastasen. Fernmetastasen sind eine Kontraindikation für eine Resektion des Pankreaskarzinoms mit kurativer Zielsetzung. Metastasen in den regionären Lymphknoten können im Rahmen einer Lymphknoten-Dissektion mitentfernt werden, sodass zumindest theoretisch eine kurative Resektion ermöglicht wird. Sehr häufig entwickeln Patienten nach einer Pankreasresektion Lokalrezidive, was den Gedanken nahe legt, dass durch eine radikalere Operationsmethode bessere Langzeitergebnisse zu erzielen sein müssten. Aus diesem Grund wurden die Verfahren der erweiterten Lymphknoten-Dissektion entwickelt, die je nach Lokalisation des Tumors und der gewählten Operationsmethode eine regionale Lymphadenektomie der Lymphstationen an der Aorta und V. cava, der V. mesenterica superior und der Pfortader mit einschließen. Zusätzlich wird das lymphatische Gewebe in und um das Lig. hepatoduodenale, an der A. mesenterica superior und des Truncus coeliacus komplett entfernt. In den vorliegenden randomisiert-kontrollierten Untersuchungen zeigte sich kein Vorteil im Hinblick auf das Überleben, aber potenziell eine erhöhte Morbidität und geringere Lebensqualität für die erweitere Dissektion. Dies bedeutet, dass die erweiterte Lymphknoten-Dissektion nicht mehr (bzw. nur im Rahmen von Studien) durchgeführt werden sollte.

9. Was ist der Stellenwert der neoadjuvanten und adjuvanten Therapie beim Pankreaskarzinom?

Das Ziel der neoadjuvanten Therapie ist es unter anderem, ein Downstaging zu erreichen, also bei primär nicht resektablen Patienten einen Zustand der Resektabilität zu erreichen. Es gibt aktuell mehrere Phase-I / II-Studien und retrospektive Analysen zur neoadjuvanten Therapie, allerdings keine randomisiert-kontrollierte Studie mit der Fragestellung alleinige operative Therapie im Vergleich neoadjuvante Therapie und anschließende Operation. Daher gibt es momentan noch keinen Standard für die neoadjuvante Therapie des Pankreaskarzinoms und auch keine gesicherte Evidenz für deren Nutzen, sodass diese nur im Rahmen von Studien angewandt werden sollte.

Der derzeitige Standard der adjuvante Therapie nach Resektion beim Pankreaskarzinom beruht vor allem auf den Ergebnissen der ESPAC-1 (European Study Group for Pancreatic Cancer) Studie. Hier konnte gezeigt werden, dass die adjuvante Gabe von 5-FU / FA das Überleben signifikant steigert. Eine kürzlich durchgeführte große Multizenter-Studie konnte ähnliche Ergebnisse für Gemcitabine nachweisen. Eine Radiochemotherapie ist nach aktueller Studienlage nicht wirksam und sollte - wenn überhaupt - nur im Rahmen von klinischen Studien eingesetzt werden. Das bedeutet, dass Patienten nach Resektion eines Pankreaskarzinoms eine adjuvante Chemotherapie (5-FU / FA oder Gemcitabine) erhalten sollten, jedoch keine Radiotherapie / Radiochemotherapie.

10. Wie ist das Vorgehen bei zystischen Pankreasläsionen?

Die Diagnostik bösartiger und gutartiger zystischer Läsionen des Pankreas ist eine Herausforderung. Die häufigsten Läsionen sind seröse Zystadenome mit sehr geringem Entartungspotenzial und muzinöse Zystadenome und IPMN mit einer relevanten Tendenz zur malignen Entartung. Daher ist eine Unterscheidung wichtig, um die Patienten herauszufiltern, die von einer entsprechenden Operation profitieren. Studien zur Differenzierung seröser und muzinöser Läsionen durch endosonografischen Ultraschall und CT zeigten eine unzureichende Sensitivität und Spezifität und konnten somit keinen Aufschluss geben, ob regelmäßige Kontrollen ausreichen oder eine Resektion notwendig ist. Außerdem sind beide Verfahren ungeeignet sicher festzustellen, ob bereits eine maligne Entartung vorliegt. Eine Analyse des Zystenpunktates (insbesondere des CEA-Wertes) bringt eine höhere Spezifität bei der Unterscheidung von muzinösen und serösen Läsionen, aber auch hier lässt sich oftmals nicht eindeutig die Dignität klären. Da Pankreasoperationen in spezialisierten Zentren heutzutage mit sehr niedriger Mortalität und Morbidität durchgeführt werden können, empfiehlt sich im Zweifel die operative Entfernung.

11. Wann ist ein operatives Vorgehen bei chronischer Pankreatitis indiziert und welche Verfahren gibt es?

Die chronische Pankreatitis ist zunächst eine Domäne der konservativen Therapie. Indikationen zur Operation sind ein konservativ nicht zu beherrschendes chronisches Schmerzsyndrom und erkrankungsspezifische Komplikationen wie Gallengangstenose, Duodenalkompression durch die Pankreaskopfvergrößerung, Pankreaspseudozysten oder der Verdacht auf Malignität. Es werden dränierende und resezierende Verfahren unterschieden. Dränierende Verfahren führen nur bei wenigen Patienten zu einer zufriedenstellenden Reduktion der Schmerzsymptomatik, das heißt diese Verfahren sollten nur bei ausgewählten Patienten eingesetzt werden. Den resezierenden Verfahren der Kausch / Whipple-Operation sowie der pyloruserhaltenden Variante kommt als primär onkologische Operationsverfahren nur noch wenig Bedeutung zu. Standardoperationen bei chronischer Pankreatitis mit inflammatorischer Kopfvergrößerung sind organerhaltende Verfahren wie die Duodenum-erhaltende Pankreaskopfresektion (DEPKR) und deren Variationen. Studien haben eindeutig gezeigt, dass die organerhaltenden Verfahren sicher durchgeführt werden können, dass sie endokrine und exokrine Funktion erhalten, und dass sie zu einer deutlichen Schmerzlinderung führen.

12. Was zeichnet eine autoimmune Pankreatitis (AIP) aus und wie ist das diagnostische / therapeutische Vorgehen?

Die Erstmanifestation einer autoimmunen Pankreatitis ist ähnlich der des Pankreaskarzinoms. Häufig werden Oberbauchschmerzen oder ein schmerzloser Ikterus als Leitsymptom angeführt. Da die meisten Patienten keine Risikofaktoren für eine chronische Pankreatitis aufweisen besteht initial oftmals der Verdacht auf ein Pankreaskarzinom. Die AIP ist nicht selten mit anderen Autoimmunerkrankungen assoziiert (z. B. Sjögren-Syndrom, primär sklerosierende Cholangitis, Colitis ulcerosa, M. Crohn). In der Serumdiagnostik gilt als spezifischster Marker eine Erhöhung der IgG 4-Subklasse, allerdings scheint dieser Marker regional unterschiedlich sensitiv zu sein. CT morphologisch fehlen die typischen Zeichen einer chronischen Pankreatitis (Gangdilatation, Kalzifikationen), es kommt lediglich zu verzögerten Enhancement des gesamten Organs, sowie einer fokalen oder diffusen Schwellung des Pankreas. Pankreasgangdarstellungen zeigen oft diffuse oder segmentale Verengungen. Im Unterschied zu fast allen Erkrankungen des Pankreas kann die AIP sehr gut medikamentös (Steroide) therapiert werden. In Fällen wo eine AIP vermutet wird und ein Pankreaskarzinom sehr unwahrscheinlich ist, kann also eine Steroidtherapie versucht werden. Bei nicht auszuschließendem Verdacht auf ein Karzinom sollte eine Resektion in jedem Fall durchgeführt werde. Wichtig ist insgesamt an die Differenzialdiagnose AIP zu denken, um Patienten eine unnötige Resektion zu ersparen.

Prof. Dr. med. H Friess

Abteilung für Allgemein-, Viszeral-, und Unfallchirurgie · Chirurgische Klinik · Universität Heidelberg

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