Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2005; 40(10): 612-615
DOI: 10.1055/s-2005-870470
Mini-Symposium
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Notizen zur Physiologie und Pathophysiologie des Herzzeitvolumens

Notes on the Physiology and Pathophysiology of Cardiac OutputM.  Lichtwarck-Aschoff1
  • 1 Department of Surgical Sciences, Universitätsklinik Uppsala, Schweden und Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Klinikum Augsburg
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Publication Date:
27 October 2005 (online)

Das Herzkreislaufsystem im einfachen Pumpenmodell

Soll ein Sauerstoffmolekül die Distanz von einem Meter mit Hilfe der Diffusion zurücklegen, dann braucht es dafür 5 Jahre. Denselben Meter legt es mit Hilfe der Konvektion in 30 Sekunden zurück. Um so stattliche Organismen wie, sagen wir, Nilpferde, Großstadtmenschen oder Buckelwale hervorzubringen, musste die Evolution also zusätzlich zur Diffusion ein System der Konvektion bereitstellen. Nur so kann der Stofftransport zur diffusiven Endtransportstrecke hin über vergleichsweise weite Distanzen hinweg in einer Geschwindigkeit erfolgen, die große Organismen überhaupt erst lebensfähig macht. Ein solches Transportsystem besteht im einfachsten Fall aus einer Pumpe und einem an diese Pumpe gekoppelten Kreislauf, in den die Pumpe Volumen hineinpumpt und aus dem sie Volumen wieder aufnimmt.

Während der diastolischen Füllungsphase des Herzens fällt der Druck nicht unter Null ab. Das bedeutet: Das Herz füllt sich nicht dadurch, dass es Blut aktiv ansaugt (= einen Unterdruck erzeugt), sondern das Herz wird passiv gefüllt. Es setzt dieser Füllung wegen seiner begrenzten Dehnbarkeit sogar einen zunehmenden Widerstand entgegen (deswegen steigt der diastolische Druck an). Wenn das Herz sich nicht selber füllt, sondern gefüllt wird - woher stammt der Füllungsdruck? Im weitesten Sinne natürlich aus der Pumpaktion des Herzens selber. Aber wie kann eine Pumpe, ausgestattet mit Einwegventilen und angeschlossen an ein peripheres Gefäßsystem, sich selber füllen? Die Herzpumpe kann sich nur selber füllen, wenn das periphere System (siehe Abb. [1 a]) nicht starr ist.

Es muss einen dehnbaren Kreislaufabschnitt (Abb. [1 b]) geben, in dem das systolisch gepumpte Blut vorübergehend und unter Dehnung des Gefäßabschnitts aufgenommen wird. Diastolisch fließt das Blut dann, unter Nutzung der vorher gespeicherten potenziellen Energie, in Richtung (Herz-)Pumpe ab.

Abb. 1 a Eine Pumpe, deren Volumen in dem nach Art einer Ziehharmonika gefalteten Balg durch Druck auf den Hebel (Pfeil) verkleinert werden kann. Einwegventile regeln die Flussrichtung. Wenn Pumpe und Kreislaufsystem gefüllt sind, kann kein noch so energisches Drücken des Pumpenhebels irgendeinen Fluss im Kreislauf erzeugen. Wird auf die inkompressible Flüssigkeit gedrückt, so herrscht dieser Druck gleichmäßig überall im System, ohne Druckdifferenz kommt kein Fluss zustande. b Dem Kreislauf wurde ein „offener” Abschnitt hinzugefügt. Flüssigkeit wird durch Betätigung des Pumpenhebels zunächst in den offenen Abschnitt befördert, um anschließend, entsprechend dem hydrostatischen Druck, den die Flüssigkeitssäule in dem offenen Abschnitt besitzt, in Richtung Pumpe hin abzulaufen, die im nächsten Schritt dann wieder gefüllt werden kann. Der offene (im realen Kreislauf: der dehnbare periphere Gefäßabschnitt) ermöglicht erst die Entstehung eines Flusses im Kreislauf.

Literatur

  • 1 Guyton A C. Circulatory Physiology: Cardiac Output and its Regulation. Philadelphia, PA; Saunders 1963
  • 2 Berne R M, Levy M N. Cardiovascular Physiology. St. Louis; Mosby, Inc 2001
  • 3 Brengelmann G L. A critical analysis of the view that right atrial pressure determines venous return.  J Appl Physiol. 2003;  94 849-859
  • 4 Magder S, de Varennes B. Clinical death and the measurement of stressed volume.  Crit Care Med. 1998;  26 1061-1064
  • 5 Lichtwarck-Aschoff M, Zeravik J, Pfeiffer U J. Intrathoracic blood volume accurately reflects circulatory volume status in critically ill patients with mechanical ventilation.  Intensive Care Med. 1992;  18 142-147
  • 6 Perel A, Pizov R, Cotev S. Systolic blood pressure variation is a sensitive indicator of hypovolemia in ventilated dogs subjected to graded hemorrhage.  Anesthesiology. 1987;  67 498-502

Michael Lichtwarck-Aschoff

Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin

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