Aktuelle Rheumatologie 2005; 30(3): 145-146
DOI: 10.1055/s-2005-858293
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

H. Michels1
  • 1Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie (Ärztlicher Direktor: Dr. H. Michels), Garmisch-Partenkirchen
Further Information

Publication History

Publication Date:
06 July 2005 (online)

Das Garmischer Symposium für Kinder- und Jugendrheumatologie, das im Januar 2005 zum 30. Mal durchgeführt wurde, hatte zwei Hauptthemen, die medikamentöse Therapie und die spezifischen Probleme bei rheumakranken Jugendlichen. Die hier publizierten Arbeiten sind auf der Grundlage der Vorträge des Symposiums entstanden.

Eine der wichtigsten Fragen aus der Sicht jugendlicher rheumakranker Patienten bezieht sich auf die Vererbbarkeit rheumatischer Erkrankungen. Herr Priv. Doz. Dr. Johannes Peter Haas, Leitender Oberarzt am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Greifswald, beschäftigt sich, nicht zuletzt wegen seiner zusammen mit Herrn Prof. E. Albert, München, durchgeführten umfangreichen HLA-Studien bei JIA, seit Jahren mit dieser Problematik. Bei der Entstehung der JIA handelt es sich um ein multifaktoriell gesteuertes Geschehen, wobei multiple genetische Faktoren sowie weitgehend unbekannte Umwelteinflüsse das Auftreten und den Verlauf der JIA beeinflussen. In der Familie eines JIA-Patienten besteht sowohl für die Eltern wie auch für Geschwister ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer rheumatoiden Arthritis bzw. einer JIA; es liegt jedoch erheblich unterhalb der Wahrscheinlichkeit autosomal-rezessiv vererbter Erkrankungen.

Herr Dr. Hartmut Michels, Garmisch-Partenkirchen, leitet den zweiten Themenschwerpunkt dieses Heftes mit einem Überblick über das Spektrum der rheumatischen Erkrankungen bei Jugendlichen und deren damit verbundene spezielle medizinische Probleme ein.

Der bekannt schwierige Übergang der jugendlichen Patienten von der Betreuung durch die Kinder- und Jugendrheumatologen in die Erwachsenenrheumatologie („Transition”) ist derzeit ein viel diskutiertes Thema. Frau Dr. Kirsten Minden, Oberärztin der II. Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Helios-Kliniken, Klinikum Berlin-Buch, beschäftigt sich seit Jahren mit dieser Problematik und stellt auf der Grundlage ihrer praktisch und wissenschaftlich gemachten Erfahrungen den derzeitigen Stand der Diskussion dar. Dabei behandelt sie sowohl die medizinischen als auch die psychosozialen Fragestellungen. Jeder dritte junge Erwachsene mit noch aktiver JIA wird entsprechend einer eigenen Untersuchung von Frau Dr. Minden an 215 Patienten unzureichend medizinisch versorgt mit gravierenden negativen Auswirkungen für die Betroffenen, aus ökonomischer Sicht aber auch mit erheblichen Mehrkosten für den Steuerzahler.

Frau Prof. Dr. Østensen, Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie/Allergologie der Universitätsklinik Bern, gilt als Institution, wenn es um Fragen von Sexualität und Schwangerschaft bei Rheumakranken geht, insbesondere auch hinsichtlich der Auswirkungen antirheumatischer Medikamente. Hier nimmt sie Stellung zu den im Zusammenhang mit Sexualität und Reproduktion aufkommenden Fragen bei adoleszenten Patienten mit JIA. Sie geht detailliert auf die Wirkungen der wichtigsten Antirheumatika auf Schwangerschaft und Spermiogenese ein und gibt präzise Hinweise, wie im einen oder anderen Fall konkret zu verfahren ist. Darüber hinaus werden die Auswirkungen der verschiedenen Subtypen der JIA auf eine Schwangerschaft besprochen.

Herr Dr. Gerd Ganser, Chefarzt der Abteilung für Kinder- und Jugendrheumatologie des St. Josef-Stiftes, Sendenhorst, berichtet über die vielfältigen Aspekte der Transition und über Lösungsansätze auf der Grundlage der in Sendenhorst gemachten Erfahrungen und gibt auch Hinweise auf Strategien in den angelsächsischen Ländern wie USA, Kanada oder England. In Sendenhorst werden junge Erwachsene auf einer „Transition-Station” interdisziplinär betreut. Wichtig ist in diesem Konzept zudem die Kommunikation zwischen den Patienten selbst. Herr Dr. Ganser weist auf die großen Defizite in diesem Bereich und auf den erheblichen, auf längere Sicht letztlich Kosten sparenden Nachholbedarf für eine verbesserte Betreuung dieser jungen Menschen hin.

In einem weiteren Beitrag stellt Frau Dr. Renate Häfner, DZKJR Garmisch-Partenkirchen, Übergangsstrategien für junge Erwachsene mit juvenilen rheumatischen Erkrankungen am Beispiel Garmisch-Partenkirchen vor, wo die Betreuung junger Rheumatiker in einem Team erfolgt, dem neben Kinder- und Jugendrheumatologen Physio- und Ergotherapeuten sowie ein erfahrenes Sozialdienstteam angehören. Erfahrungsgemäß verlassen die meisten Patienten die kinder- und jugendrheumatologische Betreuung spätestens mit Anfang 20, bei besonderen Problemen kann sich die endgültige Trennung noch einige Jahre hinziehen. Im Verbund mit dem Rheumazentrum Oberammergau sind weitere Verbesserungen in der Betreuung junger Erwachsener geplant mit dem Ziel einer möglichst problemlosen Transition in die Erwachsenenrheumatologie.

Frau Yasmin Gmelin, Reutlingen, berichtet als selbst betroffene rheumakranke junge Erwachsene über die Meinungen von 81 jungen erwachsenen Rheumatikern zum Thema „Transition”. Sie greift dabei auf eine mittels standardisiertem Fragebogen aus eigener Initiative durchgeführte Untersuchung zurück. Die meisten der 81 jungen Rheumatiker sind zwischen 18 und 24 Jahre alt. Alle sprechen sich dafür aus, dass in einer Klinik/Abteilung für Kinder- und Jugendrheumatologie (im vorliegenden Fall DZKJR Garmisch-Partenkirchen) eine Station für junge Erwachsene eingerichtet werden solle. Dabei wünschen sie sich auch die konsiliarische Betreuung durch einen Erwachsenen-Rheumatologen, wodurch dann die endgültige Transition in die Erwachsenenrheumatologie schrittweise vollzogen werden könnte.

Vieles könnte den Patienten erspart werden, wenn sich die zu erwartenden unerwünschten Wirkungen bereits vor Beginn der Therapie voraussagen ließen. Wie Herr Dr. Herbert Plischke, Humanwissenschaftliches Zentrum der Universität München (Generation Research Program Bad Tölz), ausführte, handelt es sich hier durchaus nicht nur um Sciencefiction. Für verschiedene Pharmaka, etwa für Azathioprin, ist dies bereits heute möglich. Die neue molekularbiologische Technologie verspricht allerdings künftig eine erhebliche Ausweitung unserer Möglichkeiten. Schnelle oder langsame Verstoffwechslung von Medikamenten wird auch von genetischen Variationen, so genannten „Single Nucleotide Polymorphisms” (SNPs), beeinflusst. Sie sind häufig und finden sich auch in den Genen, die für metabolisierende Enzyme kodieren, was die Funktion dieser Enzyme und somit die Wirkungsdauer von Medikamenten verändern kann.

Herr Dr. Hartmut Michels, Chefarzt des DZKJR Garmisch-Partenkirchen, referiert über die Probleme einer Therapie mit Glucocorticoiden im Kindes- und Jugendalter. Glucocorticoide sind nach wie vor unsere wirkungsstärksten antiphlogistischen Medikamente und in bestimmten Situationen unverzichtbar. Bei Dosen, die das Längenwachstum nicht beeinträchtigen, sind sie gut verträglich, in Notsituationen und bei schweren Verläufen werden jedoch höhere Dosierungen benötigt. Die Kunst einer Therapie mit Glucocorticoiden besteht darin, die Behandlungsziele zu erreichen, ohne auf längere Sicht irreversible Schäden in Kauf nehmen zu müssen.

Frau Dr. Renate Häfner, Oberärztin im Deutschen Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie (DZKJR) Garmisch-Partenkirchen, arbeitet auf der Grundlage des derzeitigen Wissensstandes und ihrer eigenen großen praktischen Erfahrungen die Indikationen einer Basistherapie für die verschiedenen Kategorien der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) heraus. Sodann stellt sie die Datenlage für die verschiedenen Medikamente in der Kinder- und Jugendrheumatologie dar und gibt eine Klassifizierung nach „Evidence-based-Medicine”-Kriterien.

Wann Etanercept bei Kindern und Jugendlichen mit JIA einzusetzen ist, ist die Thematik des Beitrags von Frau Dr. Petra Vogel, Oberärztin am DZKJR Garmisch-Partenkirchen. Seit 2000 ist Etanercept für Kinder mit polyarthritischer JIA ab dem 4. Lebensjahr zugelassen und hat sich in dieser Indikation vielfach bewährt. Entsprechend den Empfehlungen der AG für Kinder- und Jugendrheumatologie sollte es eingesetzt werden, wenn Methotrexat und ein weiteres Basistherapeutikum nicht ausreichend wirken. Die Indikation ist durch einen Kinder- und Jugendrheumatologen bzw. durch einen auf diesem Gebiet erfahrenen Kinder- und Jugendarzt zu stellen. Gegenüber den herkömmlichen Basistherapeutika ist die rasch einsetzende und dann nicht selten eindrucksvolle Wirkung hervorzuheben. Von den unerwünschten Wirkungen muss die verstärkte Gefährdung gegenüber Infektionen besonders beachtet werden.

Über 80 % der Patienten mit JIA haben Erfahrungen mit komplementären Therapien verschiedenster Art, seien es Antiphlogistika auf pflanzlicher Basis, homöopathische Medikamente, Akupunktur oder andere Verfahren wie das Tragen von Kupferringen. Frau Dr. Verena Miller, DZKJR Garmisch-Partenkirchen, gibt einen Überblick über das breite Spektrum dieser Möglichkeiten, insbesondere über Ernährung und Nahrungsmittelergänzung, Phytotherapeutika und chinesische Medizin einschließlich Akupunktur. Gleichzeitig wird die Datenlage für die verschiedenen Verfahren bewertet.

Dr. H. Michels

Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie

Gehfeldstr. 24

82467 Garmisch-Partenkirchen

Phone: 0 88 21/70 11 17

Fax: 0 88 21/70 12 01

Email: michels.hartmut@rummelsberger.net

URL: http://www.rheuma-kinderklinik.de

    >