Z Gastroenterol 2004; 42(8): 703-704
DOI: 10.1055/s-2004-813441
Leitlinie

© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Diagnostik und Therapie der akuten und chronischen Hepatitis-C-Virusinfektion sowie der viralen Hepatitis bei Kindern und Jugendlichen - Ergebnisse einer evidenzbasierten Konsensuskonferenz der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten und des Kompetenznetzes Hepatitis

Diagnosis and Treatment of Acute and Chronic Hepatitis-C-Virus InfectionW. E. Fleig1 , P. Krummenerl1 , J. Leßke1 , H. P. Dienes2 , S. Zeuzem3 , W.-H Schmiegel4 , D. Häussinger5 , M. Burdelski6 , M. P. Manns7
  • 1Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
  • 2Institut für Pathologie, Klinikum der Universität Köln, Köln
  • 3Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg
  • 4Medizinische Klinik, Ruhr-Universität Bochum, Bochum
  • 5Klinik für Gastroenterologie und Infektiologie, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf
  • 6Universitäts-Kinderklinik Hamburg, Hamburg
  • 7Medizinische Hochschule Hannover, Abt. Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Hannover
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Publication Date:
16 August 2004 (online)

Die Hepatitis C ist eine weltweit verbreitete Infektionskrankheit und in Deutschland meldepflichtig. Laut WHO sind etwa 170 Millionen Menschen, das entspricht 2 - 3 % der Weltbevölkerung, chronisch mit Hepatitis C infiziert. Während in Westeuropa die Infektionsrate durchschnittlich bei 1 % der Bevölkerung liegt, beobachtet man in Deutschland eine Prävalenz der HCV-Antikörper von 0,4 - 0,7 %. Geht man von einem chronischen Verlauf der Hepatitis-C-Infektion in 50 - 80 % der Fälle aus, entspricht dies 400 000 bis 500 000 Virusträgern in Deutschland. Trotz einer verbesserten Prävention insbesondere bei der Übertragung des Virus durch Blutprodukte etabliert sich die Hepatitis C aufgrund der langen Laufzeit der Erkrankung zu einem der Hauptrisikofaktoren für die Entwicklung einer Leberzirrhose und eines hepatozelluären Karzinoms. Die chronische Hepatitis C gilt zudem bereits als häufigste Indikation zur Lebertransplantation und ein steigender Bedarf wird prognostiziert. Durch die direkten und indirekten Krankheitskosten der Hepatitis C ergibt sich somit eine erhebliche Belastung des Gesundheitssystems. Ein Aufhalten dieser Entwicklung kann nur durch den Einsatz innovativer Therapiestrategien gelingen [1] [2] [3] [4] [5] [6].

Zur Behandlung der Hepatitis C liegt in Deutschland seit 1997 eine Leitlinie der DGVS vor. In den letzten Jahren ist jedoch eine Vielzahl von neuen Studien veröffentlicht worden. Insbesondere die Einführung der pegylierten Interferone konnte die Therapieerfolge wesentlich verbessern. Die Fülle der Studiendaten, aber auch die noch immer unvollständigen Erkenntnisse zum Spontanverlauf der Hepatitis C erschweren die Behandlung vor allem für den nicht speziell hepatologisch bzw. virologisch Erfahrenen.

Im Januar 2003 tagte in Berlin erneut eine Konsensuskonferenz der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten in Kooperation mit dem Kompetenznetz Hepatitis. Ziel der Konferenz waren die Überarbeitung und Aktualisierung der bestehenden Leitlinien zur Behandlung der akuten und chronischen Virushepatitis C sowie der viralen Hepatitiden bei Kindern und Jugendlichen. Die endgültigen Empfehlungen wurden auf der Basis einer systematischen Literaturrecherche und der eigenen Erfahrungen der beteiligten Experten erstellt. Unter den 99 Teilnehmern befanden sich neben klinisch tätigen oder niedergelassenen Gastroenterologen und Hepatologen, Pathologen, Virologen, Epidemiologen und Pädiatern auch Vertreter von Patientenorganisationen (Deutsche Leberhilfe e. V., Berliner Leberring e. V.).

Der Konsensuskonferenz ging eine mehrmonatige Vorbereitung nach den Richtlinien der evidenzbasierten Medizin voraus [7] [8]. Dies umfasste eine systematische Literatursuche mittels Medline und der Cochrane Library. Die relevanten Veröffentlichungen aus der Literatursuche wurden den Teilnehmern als Ergänzung zu eigener Literatur als Evidenzbasis zur Verfügung gestellt. Die Arbeitsgruppenleiter formulierten Fragebögen, die nach Beantwortung durch die Teilnehmer ausgewertet wurden (Delphi-Technik). Schließlich erstellten die Arbeitsgruppen Konsensusvorschläge für die Konferenz (nominale Gruppentechnik).

Am 25. Januar 2003 tagten alle Arbeitsgruppen zur Formulierung einer gemeinsamen Leitlinie, die am folgenden Tag im Plenum vorgestellt, diskutiert und gegebenenfalls modifiziert verabschiedet wurde. Die meisten Beschlüsse wurden im „Konsensus”, d. h. mit > 80 % Mehrheit verabschiedet, in Ausnahmefällen als „Mehrheit” mit > 60 %. Bei kontroverser Diskussion und fehlender Mehrheit wurde auf die Formulierung einer Empfehlung verzichtet. Die Einteilung der Literatur (Tab. [1]) erfolgte nach dem Schema der Agency for Health Care Policy and Research, diejenige der Empfehlungsklassen der Leitlinienempfehlungen (Tab. [2]) entsprechend der Ärztlichen Zentralstelle für Qualitätssicherung [9]. Somit entspricht die Entwicklung dieser Leitlinie den derzeit maßgeblichen Empfehlungen [9] [10] und erfüllt die Kriterien einer evidenzbasierten Leitlinie. Es ist das Anliegen der Gesellschaft, mittels des erarbeiteten Konsensus dem Arzt in seinen diagnostischen und therapeutischen Entscheidungen eine konkrete Hilfestellung zu geben. Die Leitlinie ist allerdings nur als Handlungskorridor anzusehen, von dem in begründeten Fällen abgewichen werden kann.

Tab. 1 Evidenzgrade zur Bewertung von Studien Härtegrad* Art der Evidenz Ia Evidenz aufgrund von Metaanalysen randomisierter, kontrollierter Studien Ib Evidenz aufgrund von mindestens einer randomisierten, kontrollierten Studie IIa Evidenz aufgrund von mindestens einer gut angelegten kontrollierten Studie ohne Randomisation IIb Evidenz aufgrund mindestens einer anderen Art von gut angelegter, quasiexperimenteller Studie III Evidenz aufgrund gut angelegter, nichtexperimenteller, deskriptiver Studien, wie z. B. Vergleichsstudien, Korrelationsstudien und Fallkontrollstudien IV Evidenz aufgrund von Berichten der Expertenausschüsse oder Expertenmeinungen und/oder klinischer Erfahrungen anerkannter Autoritäten (nach der Agency for Health Care Policy and Research [AHCPR])

Tab. 2 Einteilung von Empfehlungsklassen Klasse* Erläuterung (A)(Evidenzgrade la, lb) ist belegt durch schlüssige Literatur guter Qualität, die mindestens eine randomisierte Studie enthält (B)(Evidenzgrad lla, llb, lll) ist belegt durch gut durchgeführte, nicht randomisierte klinische Studien (C)(Evidenzgrad IV) ist belegt durch Berichte und Meinungen von Expertenkreisen und/oder klinischer Erfahrung anerkannter Autoritäten. Weist auf das Fehlen direkt anwendbarer klinischer Studien guter Qualität hin (nach der Ärztlichen Zentralstelle für Qualitätssicherung)

Die Konsensuskonferenz wurde durch die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten sowie durch das Kompetenznetz Hepatitis organisiert und finanziert.

Da Leitlinien bei immer neuen Erkenntnissen nur begrenzt gültig sind, ist eine Revision dieser Leitlinie für 2007 geplant.

Literatur

  • 1 Anonymous . Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten in Deutschland: Virushepatitis B, C, und D im Jahr 2002.  Epidemiologisches Bulletin. 2004;  2 11-22 (Übersicht)
  • 2 Gerlach J T, Diepolder H M, Gruener N H. et al . Natural course of symptomatic acute hepatitis C.  J Hepatol. 1999;  30 (Suppl.) 120 (Übersicht)
  • 3 Kenny-Walsh E. Clinical outcomes after hepatitis C infection from contaminated anti-D immune globulin.  N Engl J Med. 1999;  340 1228-1233 (III)
  • 4 Parana R, Vitvitski L, Andrade Z. et al . Acute sporadic non-A, non-B hepatitis in northeastern Brazil: etiology and natural history.  Hepatology. 1999;  30 289-293 (III)
  • 5 Giuberti T, Marin M G, Ferrari C. et al . Hepatitis C virus viremia following clinical resolution of acute hepatitis C.  J Hepatol. 1994;  20 666-671 (III)
  • 6 Villano S, Vlahov D, Nelson K. et al . Persistence of viremia and the importance of long-term follow-up after acute hepatitis C infection.  Hepatology. 1999;  29 908-914 (III)
  • 7 Raspe H, Stange E F. Evidence-based medicine: Kontext und Relevanz „evidenzgestützter Medizin”.  Z Gastroenterol. 1999;  37 525-533
  • 8 Selbmann H K. Kriterien für die Beurteilung von Konsensuskonferenzen in der Medizin.  Fortschr Med. 1992;  110 35-36
  • 9 Ollenschlaeger G, Oesingmann U, Thomeczek C. et al . Leitlinien und Evidence-based Medicine in Deutschland.  Münch Med Wochenschr. 1998;  38 502-505
  • 10 Selbmann K H. Entwicklung von Leitlinien in der Medizin - Kunst oder Können?.  Chirurg. 1996;  3 61-65

Prof. Dr. med. W. E. Fleig

Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Ernst-Grube-Straße 40

06120 Halle