Gesundheitswesen 2004; 66: 47-51
DOI: 10.1055/s-2004-812767
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

PCB in Innenräumen - ein relevantes Gesundheitsrisiko?

PCB in Interiors - a Relevant Health Risk?H. Drexler1 , G. Kerscher2 , B. Liebl2 , J. Angerer1
  • 1Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
  • 2Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz, München
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Publication Date:
21 September 2005 (online)

Zusammenfassung

Polychlorierte Biphenyle (PCB) wurden zwischen 1929 und 1989 produziert und vielfältig als Arbeitsstoffe eingesetzt. Sicher nur ein kleiner Teil der PCB-Produktion wurde für Weichmacher in Kunststoffen verwendet. PCB-belastete Kunststoffe finden sich u. a. in großen öffentlichen Gebäuden. PCB sind ubiquitär in der Umwelt vorhanden und werden hauptsächlich über die Nahrung aufgenommen. Die inhalative Aufnahme polychlorierter Biphenyle hat nur in Ausnahmefällen eine Bedeutung.

In einer Nürnberger Schule wurden Ende der 90er-Jahre hohe PCB-Konzentrationen in der Raumluft gemessen. Der Eingreifswert von 3000 ng/m3 Luft wurde bei mehreren Messungen überschritten. Im Sommer 2001 erfolgte eine PCB-Blutuntersuchung bei Schulkindern dieser Schule durch einen von der Stadt beauftragten niedergelassenen Laborarzt. Die Befundinterpretation war deswegen so problematisch, weil Referenzwerte für die entsprechende Alterspopulation nicht zur Verfügung standen und ein Kontrollkollektiv nicht untersucht wurde. Die Nachweisbarkeit von PCB im Blut von Schulkindern wurde in den öffentlichen Medien einer PCB-Vergiftung gleichgesetzt. Angesichts der erheblichen Beunruhigung der betroffenen Eltern und Lehrer gab der Bayerische Staatsminister für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz eine neutrale Studie in Auftrag. Bei Studienplanung, Durchführung und Auswertung wurden Vertreter der betroffenen Eltern und der Lehrerschaft einbezogen. Neben den betroffenen Schulkindern wurde ein vergleichbares Kontrollkollektiv aus einer nicht PCB-belasteten Schule untersucht.

Die Untersuchung wies niedrig chlorierte PCB im Blut der Kinder der belasteten Schule häufiger und in höherer Konzentration nach. Bei den hoch chlorierten PCB zeigte sich ein derartiger Unterschied nicht. Ein an der Vergleichspopulation definierter Referenzwert (95. Perzentil) wurde bei Schülern der PCB-belasteten Schule nicht häufiger überschritten als bei Schülern der Kontrollschule. Da somit die Belastung der Raumluft nicht zu einer wesentlichen Mehrbelastung der Kinder mit PCB geführt hat, kann auch kein wesentlich erhöhtes Gesundheitsrisiko durch den Aufenthalt in der PCB-belasteten Schule abgeleitet werden.

Die vergleichende Bewertung der PCB-Belastung ermöglichte die Abschätzung der zusätzlich aufgenommenen PCB-Menge und damit eine rationale Risikoabschätzung. Die transparente Studienplanung und -durchführung unter Beteiligung der Betroffenen waren die Basis für die Akzeptanz der Studienergebnisse und deren Interpretation und führten letztendlich zu einer Beruhigung bei einem Großteil der betroffenen Eltern.

Abstract

Polychlorinated biphenyls (PCB) were manufactured between 1929 and 1989. Due to their great chemical persistence, these substances have been used for many different purposes. These chemical properties, however, caused PCB to accumulate in the food chain and resulted in background exposure of the general population. PCB has also been used as plasticizer for sealants in prefabricated buildings, thus causing problems to the present date.

At the end of the 90ies in a school in Nuremberg, Germany, elevated PCB concentrations were measured in indoor air. Some of these results were higher than 3,000 ng/m³ which means decontamination according to the German “PCB directive”. Press coverage made these results a matter of public debate, so that teachers, school children and parents were highly worried because of possible health effects.

The Bavarian Minister for Health, Nutrition and Consumer Protection asked us to examine school children and teachers with regard to their internal PCB exposure and health complaints. A group of school children from a non-contaminated school served as controls. For the determination of PCB levels the plasma samples were blinded before analysis.

Lower chlorinated PCB (PCB 28, 52, 101) were detected more often and in higher concentrations in plasma samples of school children of the contaminated school compared to the controls. The plasma levels of the higher chlorinated PCBs (PCB 138, 153, 180) did not show similar differences between exposed and non-exposed school children. The relative PCB doses additionally taken up in the contaminated school were less then 5 % of the background exposure of the children. That is why it could finally be concluded that no appreciable additional health risk may result from inhalation of PCB contaminated indoor air in this school. Due to the design, performance and interpretation of this study, including representatives of parents and teachers, these results were widely accepted by most of the parents who initially had been very concerned about possible health effects.

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H. Drexler

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Schillerstraße 25/29

91054 Erlangen

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