Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(42): 2195-2199
DOI: 10.1055/s-2003-42973
Aktuelle Diagnostik & Therapie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Obligate Paraneoplasien der Haut[1]

Obligatory paraneoplasias of the skinA. Blum1 , S. Röhm1 , S. Großmann1 , M. Röcken1
  • 1Universitäts-Hautklinik Tübingen (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. med. M. Röcken)
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Publikationsverlauf

eingereicht: 3.3.2003

akzeptiert: 31.7.2003

Publikationsdatum:
16. Oktober 2003 (online)

Bei paraneoplastischen Syndromen der Haut handelt es sich um eine heterogene Gruppe von Hauterkrankungen, die mit dem Auftreten maligner Tumoren innerer Organe assoziiert sind. Man unterscheidet obligate Paraneoplasien, die mit sehr großer Wahrscheinlichkeit mit Neoplasien einhergehen, von den weniger häufig malignomassoziierten fakultativen Paraneoplasien [10] [14] [15]. Des weiteren kennt man eine große Gruppe von Genodermatosen, bei denen mit unterschiedlicher Koinzidenz Malignome innerer Organe auftreten können.

Pathophysiologisch handelt es sich bei Paraneoplasien nicht um Metastasen eines Malignoms, sondern um Hauterkrankungen, die entweder direkt durch Freisetzung von Mediatoren sowie Peptiden oder Hormonen aus Tumoren hervorgerufen werden; andererseits können auch durch Tumorantige induzierte immunologische Abwehrreaktionen gegen Strukturen der Haut im Sinne einer Kreuzreaktion („molecular mimicry”) auftreten. Ein weiterer Mechanismus kann die Immunkomplexablagerung von Tumorantigen-Antikörper-Komplexen an der Basalmembran sein [10] [15].

Der Verlauf ist zum Teil sehr unterschiedlich: Die Hauterkrankungen können dem klinisch diagnostizierbaren Tumor vorausgehen oder zeitgleich auftreten. Dadurch kann die kutane Paraneoplasie zum Malignom weisen und zu dessen frühzeitiger Behandlung führen. Bei gleichzeitigem Auftreten von Tumor und Paraneoplasie kann die Abheilung einer Hauterkrankung auf die Wirksamkeit einer Therapie hinweisen. Ein Wiederauftreten oder eine Progression der Hauterkrankungen weist auf ein Tumorrezidiv oder ein metastatisches Geschehen hin. In diesem Sinne besitzen die paraneoplastischen Symptome eine Signalwirkung. Die Kenntnis der wichtigsten paraneoplastischen Erkrankungen der Haut kann daher einen entscheidenden Faktor in der frühen Diagnose maligner Tumoren darstellen.

Tab. 1 Obligate Paraneoplasien und assoziierte Malignome 10 15. Obligate Paraneoplasie Malignome/weitere Erkrankungen Acanthosis nigricans maligna Häufig: Adenokarzinom des Gastrointestinaltraktes Selten: Adenokarzinom der Lunge, des gynäkologischen Bereiches, Lymphome Tripe Palms Häufig: Bronchialkarzinom Selten: Karzinom des Magens Acrokeratosis paraneoplastica Bazex Häufig: Karzinom des oberen Gastrointestinaltraktes und Respirationstraktes Erythema gyratum repens Gammel Häufig: Bronchialkarzinome Selten: Adenokarzinom (Mamma, Gastrointestinaltrakt), Hämato-onkologische Erkrankung, Nierenzellkarzinom Hypertrichosis lanuginosa acquisita Häufig: Lungenkarzinom, Kolonkarzinom Paraneoplastischer Pemphigus Häufig: Hämato-onkologische Erkrankungen Selten: Castleman-Tumor Erythema necrolyticum migrans Häufig: Glukagonom Selten: Leberfunktionsstörungen

In diesem Teil werden die obligaten Paraneoplasien (Tab. [1]) und die Genodermatosen mit assoziierten Malignomen tabellarisch (Tab. [2] und [3]) dargestellt. Im zweiten Teil werden die fakultativen Paraneoplasien der Haut besprochen.

kurzgefasst: Paraneoplasien der Haut sind mit dem Auftreten maligner Tumoren innerer Organe assoziiert. Pathophysiologisch können von den Tumoren ausgeschüttete Mediatoren, Peptide und Hormone oder durch Tumorantigene induzierte immunologische Abwehrreaktionen oder Immunkomplexablagerungen aus Tumorantigenen und Antikörpern in Frage kommen.

1 Der Beitrag „Fakultative Neoplasien der Haut” erscheint im nächsten Heft (Nr. 43).

Literatur

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1 Der Beitrag „Fakultative Neoplasien der Haut” erscheint im nächsten Heft (Nr. 43).

Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Blum

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