Laryngorhinootologie 2002; 81(11): 773-774
DOI: 10.1055/s-2002-35779
Hauptvortrag
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Mikrochirurgie des Mittelohres

Microsurgery of the Middle EarH.  Hildmann1
  • 1Direktor der Univ.-HNO-Klinik, St.-Elisabeth-Krankenhaus, Bochum
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Publication Date:
29 November 2002 (online)

Einleitung

1950 beschrieb Moritz die Verwendung eines gestielten Lappens, um ein Mittelohr bei Abschluss der sanierenden Maßnahmen abzuschließen und damit eine Schallprotektion des runden Fensters herzustellen. 1951 erschien die Arbeit von Zöllner über die Radikaloperation mit besonderem Bezug auf die Hörfunktion. 1952 beschrieb Wullstein „funktionelle Operationen im Mittelohr mit Hilfe des freien Spaltlappentransplantates”. Plester hat die Entwicklung der Ohrchirurgie in der Frühzeit der Tympanoplastik begleitet und mitbestimmt. Zunächst als Mitarbeiter von Wullstein in Siegen hat er später an der Düsseldorfer Klinik bei Meyer zum Gottesberge in ständigem internationalem Austausch eine eigene konsequente Operationstechnik entwickelt, die die Ohrchirurgie in Deutschland und in vielen anderen Ländern maßgeblich prägt. Klare Prinzipien ohne Starrheit erlauben eine effiziente Tympanoplastik mit reproduzierbaren Ergebnissen.

Anlässlich des Ehrenvorsitzes der Sitzung Otochirurgie auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie im Jahre 2002 in Baden-Baden soll ein kurzer Rückblick über die Entwicklung der Ohrchirurgie unter dem Einfluss von Plester dargestellt und anschließend analysiert werden, warum die von ihm beschriebenen Techniken und Prinzipien derartig breite Anwendung finden.

Heute ist die stürmische Entwicklung der Ohrchirurgie langsamer geworden. Die Entwicklungskurve wird deutlich flacher, obwohl einige Modifikationen oder Ergänzungen nach wie vor die Behandlungsmöglichkeiten verbessern.

Als Trommelfellverschlussmaterialien haben sich neben der Temporalisfaszie, an deren Einführung Plester maßgeblich beteiligt war, Perichondrium, Knorpel und Knorpelperichondriumtransplantate etabliert, wobei nach wie vor die Faszie das am meisten benutzte Material bleibt.

Über Kettenrekonstruktionen wird heute neben patienteneigenen Gehörknöchelchen alloplastisches Material verwendet, nachdem wegen der Gefahr der Infektionsübertragungen homologes Material praktisch ausscheidet. In Deutschland und in zunehmenden Maße auch international haben sich Titanimplantate bei den Fremdmaterialien in den Vordergrund geschoben wegen ihres geringen Gewichtes und ihrer elegant leichten Manipulierbarkeit. Auch hier hat Plester in Kooperation mit Kurtz die ersten Anregungen gegeben. Plester und seine Schüler haben die Entwicklung der Ersatzmaterialien mit ausgedehnten Studien wissenschaftlich begleitet und abgesichert.

Die Diskussion um die Erhaltung der hinteren Gehörgangswand ist immer noch nicht beendet. Derzeitig wird der offenen Höhle oder der Rekonstruktion mit Knorpel der Vorzug gegeben.

Frühzeitig hat Plester den Begriff des „pflegeleichten Ohres” entwickelt, das eine gute Behandlungsleitlinie ist.

Die Zugangswege zum Mittelohr erfolgen enaural in Fällen, wo das Operationsgebiet durch den kleineren Zugang gut überblickbar ist, und retroaurikuliär, wenn Fräsarbeiten im Knochen zu erwarten sind, insbesondere bei größeren Cholesteatomen, wo sich in manchen Fällen eine Verkleinerung durch Abtragen des äußeren Knochens und der Mastoidspitze anbietet.

Grundsätzlich wird das Trommelfelltransplantat in einer Unterlagetechnik verwendet. Auf diese Weise kann eine Lateralisation des Trommelfelles, ein Abstumpfen des vorderen tympanomeatalen Winkels und ein Anuluscholesteatom vermieden werden. Zu bedenken ist dabei, dass die Distanz zwischen Spitze des Hammergriffes und Promontorium äußerst variabel ist und Verwachsungen zwischen Transplantat und Mukosa des Promontoriums vermieden werden müssen, sei es durch Lateralisation des Hammergriffes nach Durchtrennen der Tensasehne, sei es durch Interposition von Silikonfolien. Zum Einbringen von Materialien in das Mittelohr, sei es zur Unterstützung des Trommelfelltransplantates bei großen Perforationen oder zur Verhinderung von Verwachsungen, gilt nach wie vor die Grundregel „in das Mittelohr gehört nichts als Luft”.

Wichtige Regeln sind die: die kritische Indikation bei der Operation des letzthörenden Ohres, die Begleitung neuer Techniken durch experimentelle Untersuchungen und in der Klinik das Prinzip, dass die schwierigsten Fälle von dem erfahrensten Operateur übernommen werden.

Prof. Dr. med. Henning Hildmann

Direktor der Univ.-HNO-Klinik, St.-Elisabeth-Krankenhaus, Bochum

Bleichstraße 15 · 44787 Bochum

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