Rehabilitation (Stuttg) 2002; 41(5): 329-335
DOI: 10.1055/s-2002-34566
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die psychologische Bedeutung medizinischer Aufklärung am Beispiel der Rehabilitation Querschnittgelähmter

Psychological Implications of Medical Information for Patients - Considerations in Rehabilitees with Spinal Cord Injuries J.  Lesky1
  • 1Rehabilitationszentrum Tobelbad der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, Tobelbad, Österreich
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Publication Date:
08 October 2002 (online)

Zusammenfassung

Nach einer theoretischen Herleitung der Notwendigkeit medizinischer Aufklärung auch bei schwer Verletzten - wobei das Konzept der subjektiven Krankheitstheorie eine gewichtige Rolle spielt - werden empirisch ermittelte Befunde angeführt, die auf einen günstigen Zusammenhang zwischen subjektiv zufrieden stellender Aufklärung und verschiedenen psychischen Aspekten in der Rehabilitation Querschnittgelähmter, insbesondere solche der Befindlichkeit und Lebenszufriedenheit, hinweisen. Die Untersuchung ist retrospektiv angelegt und analysiert post hoc die Daten einer Fragebogenerhebung; die Stichprobe umfasst 71 Querschnittgelähmte. Mögliche Ursachen des immer noch relativ geringen Anteils gut informierter Patienten (Rehabilitanden) bei gleichzeitig sehr hohem Informationsbedürfnis werden diskutiert, Argumente gegen „schonendes Betrügen” angeführt.

Abstract

The article describes the necessity of medical information also in patients with severe injury, as a conclusion of subjective illness theory (“lay theory”) and other theoretical considerations. Analysing the data of a retrospective questionnaire investigation, 71 persons with spinal cord injuries were explored concerning psychological issues of rehabilitation. The results show empirical evidence of expected positive psychological correlations if patients are satisfied with their medical information. There is a low rate of well-informed patients as well as a high need for this particular information about diagnosis and prognosis; possible reasons are discussed and the lack of information is argued.

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1 Eine neuerliche Erhebung aktuelleren Datums (September 2001) in unserer Einrichtung erbringt nun eine Aufklärungsrate bei Querschnittgelähmten von knapp 80 % (n = 29) hinsichtlich des momentanen Zustandes und knapp 70 % hinsichtlich der Prognose. Möglicherweise hat hier die Auseinandersetzung mit der Thematik zu einer vermehrten Aufklärungsarbeit geführt.

Dr. phil. Jürgen Lesky

Rehabilitationszentrum der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA)


Dr. Georg Neubauerstraße 6

A-8144 Tobelbad

Email: juergen.lesky@auva.sozvers.at

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