Gesundheitswesen 2002; 64(8/9): 451-465
DOI: 10.1055/s-2002-33811
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Leitlinien zur sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung bei koronarer Herzkrankheit (KHK)

Guidelines for the Sociomedical Assessment of Performance in Patients Suffering from Coronary Heart Disease (CHD)E. Becker, G. Brunken-Lockemann, H.-J Buschmann, S. Horn, H. Irle, I. Knorr, C. Korsukéwitz, I. Pottins, M. Rohwetter, P. Schuhknecht, K. Timner
  • 1Alle Autoren sind bzw. waren Mitarbeiter des beratungsärztlichen Dienstes der Leistungsabteilung oder des Fachbereichs Medizin der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). Darüber hinaus erfolgte eine fachliche Beratung von Leitenden Ärzten von Rehabilitationskliniken der BfA (Prof. Dr. Ingomar-Werner Franz, Dr. Günter Haug, Prof. Dr. Thomas Wendt) und aus der Rehabilitationsabteilung der BfA (Dr. Karl-Walter Kertzendorff).
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Publication History

Publication Date:
04 September 2002 (online)

Zusammenfasung

Die vorliegenden Leitlinien wurden für den beratungsärztlichen Dienst der BfA entwickelt. Ausgehend von der täglichen Praxis wurden Kriterien und Entscheidungshilfen für eine Systematisierung der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung bei koronarer Herzerkrankung (KHK) zusammengestellt. Die Leitlinien sollen zur Standardisierung in der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung beitragen und Entscheidungsprozesse z. B. im Zusammenhang mit Anträgen auf Erwerbsminderungsrente transparenter machen.

Die Leitlinien zeigen auf, wie sich die KHK manifestieren kann und sie stellen die für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung erforderliche Sachaufklärung vor. Die notwendigen Beurteilungskriterien im Rahmen der Anamnese, der klinischen Untersuchung, der apparativen Diagnostik - insbesondere der Myokardfunktion - und der Beobachtungen während der Untersuchung werden deutlich gemacht. Die Beurteilung der individuellen Belastbarkeit unter Berücksichtigung der beruflichen Belastungsfaktoren wird dargestellt. Aus den ermittelten Funktionsstörungen werden die verbleibenden Fähigkeiten bzw. die Fähigkeitsstörungen abgeleitet, mit den berufsbezogenen Belastungsfaktoren verglichen und daraus wird auf die Belastbarkeit im Erwerbsleben geschlossen.

Abstract

The following guidelines were developed for the medical assessment services of the German Federal Insurance Institute for Salaried Employees (BfA). Starting from day-to-day practice criteria and attributes to guide decisions for a systemisation of the sociomedical assessment of performance in coronary heart disease (CHD) were compiled. The guidelines aim at standardising the sociomedical assessment of performance and help to make the decision-making process more transparent - e. g. for the assessment of applications for decreased earning capacity benefits.

The guidelines summarise typical manifestations of CHD and describe the necessary medical information for the sociomedical assessment of performance. Relevant assessment criteria for the medical history, clinical examination and for diagnostic tests - especially of myocardial functioning - are illustrated. The assessment of the individual’s capacity is outlined, taking occupational factors into account. Following the determination of dysfunctions the remaining abilities and disabilities, respectively, are deduced and compared with occupational demands. Finally inferences are drawn regarding the occupational capacity of the individual.

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1 VDR Statistik 1999

3 Heute weniger gebräuchliche Begriffe.

4 Die ICF ist die Nachfolgerin der „Internationalen Klassifikation der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen” (ICIDH) von 1980.

5 Bei der Ischämiediagnostik ist jedoch je nach Fragestellung eine Unterbrechung der herzwirksamen Medikation unverzichtbar.

6 Als submaximale Herzfrequenz bei ergometrischer Belastung wird in der Literatur „200 - Alter in Jahren” angegeben, teilweise mit dem Hinweis, das entspräche 85% des Maximalwertes. Als Ausbelastungsfrequenz wird „200 - Alter” oder „220 - Alter” angegeben, als maximale Herzfrequenz „220 - Alter” [1-6]. Bei einer Untersuchung im Liegen beträgt der Richtwert der Ausbelastungsherzfrequenz 80% der maximalen Herzfrequenz, die nach der Formel „220 - Alter” berechnet wird [7]. Die maximal mögliche Leistung im Sitzen ist um durchschnittlich 25 Watt höher als im Liegen.

7 Zu Befunddokumentation und Normwerten siehe Anlage.

8 [7]: 22 mm Hg in Ruhe als oberer Grenzwert.

11 Die Klassifizierung ventrikulärer Herzrhythmusstörungen nach Lown Grad 0-V hat rein deskriptiven Charakter und lässt für sich allein keinen Rückschluss auf die kardiale Funktion zu.

12 In Ruhe auftretende ventrikuläre Extrasystolen, die unter Belastung sistieren, sind in der Regel nicht organisch bedingt und führen zu keiner Leistungsminderung.

18 In der Rehabilitationsklinik Hochstaufen der BfA zugrunde gelegte Werte.

Dr. Manfred Rohwetter

Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Fachbereich Medizin

Ruhrstraße 2

10709 Berlin (Wilmersdorf)

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