Laryngorhinootologie 2002; 81(8): 594-595
DOI: 10.1055/s-2002-33368
Aktuelle Habilitation
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zur Herkunft des neuronalen Stickoxids der Cochlea

On the Origin of Neuronal Carbon Monoxide of the CochleaR.  Riemann1
  • 1Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkranke, Kopf-, Hals- und Plastische Chirurgie, Schlafmedizin im Städtischen Klinikum Frankfurt a. M.-Höchst
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Publication Date:
29 April 2004 (online)

Die Spülung des Innenohres mit Stickoxiddonatoren verändert im Tiermodell cochleäre Potenziale, was auf den Einfluss von Stickoxid (NO) auf die Physiologie des Hörens hinweist. NO wird im Körper von drei Isoformen des Enzyms Stickoxidsynthase (NOS) gebildet. Das Ziel der Arbeit bestand darin, neuronale Strukturen zu identifizieren, die als Herkunftsorte für neuronal gebildetes Stickoxid des Innenohres infrage kommen.

Im ersten Teil der Studie wurden die in das Innenohr projizierenden Nervenzellen durch unilaterale intracochleäre Injektion des retrograden Tracers Fluorogold bei Ratte und Meerschweinchen dargestellt und quantifiziert. Alle Neurone des Spiralganglions, 4 % des ipsilateralen oberen sympathischen Halsganglions, 2 % des ipsilateralen Trigeminalganglions und 12 % des oberen Olivenkomplexes projizierten zur Cochlea. Von den olivocochleären Neuronen zeigten 1/6 nach Doppeltracing, d. h. gleichzeitiger ipsilateraler Injektion eines zweiten retrograden Tracers in den Colliculus inferior, eine Doppelmarkierung. Diese bisher unbekannte Zellpopulation besitzt Kollateralen zum Colliculus inferior und zur Cochlea und gehört damit sowohl der aufsteigenden als auch der absteigenden Hörbahn an. Die weitere immunhistochemische Charakterisierung erlaubt den Rückschluss, dass es sich um exzitatorische Neurone handelt. Im zweiten Teil wurden Spiralganglien, Trigeminalganglien, obere Halsganglien und die oberen Olivenkomplexe nach retrogradem Fluorogold-Tracing aus der Cochlea histochemisch (NADPH-Diaphorase) und immunhistochemisch auf neuronale Stickoxidsynthase (nNOS) untersucht. 98 % der Spiralganglienzellen und 14 % der ipsilateralen trigeminocochleären Zellen waren nNOS-positiv. Im Gegensatz dazu wiesen cochleär projizierende Zellen des oberen sympathischen Halsganglions keine nNOS-Immunreaktivität auf. Im oberen Olivenkomplex, vor allem im medialen Trapezoidkörperkern, aber auch im medialen und lateralen oberen Olivenkern und in periolivären Kernen, fanden sich bei allen untersuchten Nagern nNOS-positive Nervenzellen, Zellfortsätze oder -enden. Ein Viertel der Zellen war nNOS-positiv, wobei etwa die Hälfte im medialen Trapezoidkörperkern lokalisiert war. Alle olivocochleären Neurone des lateralen oberen Olivenkerns enthielten nNOS. Ein Drittel der olivocochleären Neurone war nNOS-immunreaktiv.

Die Aufarbeitung des Cortischen Organs ergab Fluorogold- und nNOS-Kolokalisation in Afferenzen unterhalb der inneren Haarzellen. Vereinzelt fanden sich Kolokalisationen in Projektion auf Terminalen unterhalb der äußeren Haarzellen. Die Haarzellen waren nNOS-negativ.

Im Gehirn führt hochkonzentriertes NO über Glutamat-vermittelte Prozesse zu Nervenzelltod und Untergang von Nervenfasern. An allen cochleären Strukturen, die in dieser Studie als nitrerg erkannt wurden, ist Glutamat Neurotransmitter. Der Untergang von inneren Haarzellen und daran endender Dendriten wird als ein Genesefaktor für die Altersschwerhörigkeit vermutet. Die nitrergen Fasern unterhalb der Haarzellen könnten im Zusammenhang mit den cochleären Alterungsprozessen stehen. Im letzten Teil der Studie wurde die Anzahl nitrerger Neurone des oberen Olivenkomplexes von senilen Zwerghamstern mit der adulter Tiere verglichen. Im medialen Trapezoidkörperkern seniler Tiere fanden sich signifikant mehr nNOS-positive Zellen als bei adulten Tieren. Da 1. der obere Olivenkomplex das erste zentralnervöse Zentrum des räumlichen Hörens vor allem bei Störgeräuschen ist und 2. genau diese Hörqualitäten bei der Altersschwerhörigkeit beeinträchtigt sind, könnten die nitrergen Neurone des auditorischen Hirnstamms an der Entstehung von Altersschwerhörigkeit beteiligt sein.

Der bilaterale obere Olivenkomplex, das ipsilaterale Trigeminalganglion und das Spiralganglion kommen als Herkunftsorte für neuronal gebildetes Stickoxid des Innenohrs infrage. Die nNOS-positiven neuronalen Strukturen sind wahrscheinlich an der Bereitstellung von cochleärem Stickoxid beteiligt, das modulierend physiologische oder pathologische Prozesse des Hörens und die cochleäre Durchblutung beeinflusst.

Priv.-Doz. Dr. R. Riemann

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