Laryngorhinootologie 2002; 81(7): 534-536
DOI: 10.1055/s-2002-33283
Aktuelle Habilitation
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Experimentelle Untersuchungen zu Gentherapie und Gentransfer bei Kopf-Hals-Karzinomen im Rahmen eines multimodalen Therapiekonzeptes

Experimental Research on Gene Therapy and Transfer on Head and Neck Cancer in the Course of a Multimodal Therapy ConceptS.  Lang1
  • 1Klinik und Poliklinik für HNO-Kranke, Klinikum Großhadern, München
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Publication Date:
12 August 2002 (online)

Die in den letzten Jahrzehnten trotz verbesserter chirurgischer, strahlen- oder chemotherapeutischer Behandlungsverfahren nahezu gleichbleibend schlechte Prognose für Patienten mit Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs (SCCHN) bei gleichzeitig profundem Wissenszuwachs auf den Gebieten der Immunologie und Molekularbiologie mit der Perspektive neuer immuntherapeutischer Ansätze war Anlass zu der vorliegenden experimentellen Arbeit.

Die Gentherapie, d. h. der Transfer von genetischem Material in lebende Zellen, um dort bestimmte Genprodukte zu exprimieren, stellt eine mögliche Therapiestrategie dar, um bei Karzinompatienten das Immunsystem zu aktivieren. Studienziel war deshalb die Analyse der für die antitumorale T-Zellaktivierung essenziellen Oberflächenmoleküle auf SCCHN und ein Rückschluss auf eine diesbezügliche mögliche gentherapeutische Intervention. Darüber hinaus wurde untersucht, ob eine derart supprimierte antitumorale Immunantwort durch gentherapeutische Rekrutierung von Immuneffektorpopulationen mittels B7.1-, Interleukin-2- (IL-2) oder GM-CSF-kodierender DNA in vitro positiv-regulatorisch beeinflussbar ist. Ein weiteres Ziel war die Analyse von Immundefekten bei SCCHN-Patienten in vivo, die sich durch eine zusätzliche Therapiestrategie positiv-regulatorisch restaurieren lassen, um so die Effizienz der Gentherapie im Rahmen eines multimodalen Therapiekonzeptes zu verbessern.

Die immunhistochemischen Färbungen von Malignom-Biopsien sowie die durchflusszytometrische Analyse von SCCHN-Zellinien ergaben, dass die Tumorzellen positiv für ICAM-1, LFA-3, CD40 und MHC-Klasse-I sind, demgegenüber wurden MHC-Klasse-II sowie die für eine T-Zellaktivierung essenziellen kostimulatorischen Moleküle B7.1 und B7.2 nicht exprimiert. Dies bedeutet, dass Immuneffektorzellen SCCHN-Antigene zwar über eine MHC-Klasse-I/TCR-Interaktion erkennen und über ICAM-1 und LFA-3 auch Adhäsionsvorgänge möglich sind. Die zur erfolgreichen Induktion einer antitumoralen Immunantwort essenziellen kostimulatorischen B7-Moleküle werden jedoch - im Gegensatz zum CD40-Rezeptor - nicht exprimiert und können als ursächlich für eine lymphozytäre Anergisierung mit konsekutiv fehlender Tumorzellelimination betrachtet werden.

Die gentherapeutische Einschleusung des B7.1-Gens in Tumorzellen vermochte hingegen über den entsprechenden CD28-Rezeptor auf T-Zellen eine supprimierte T-Zellantwort positiv regulatorisch zu beeinflussen: So konnte erstmalig für SCCHN belegt werden, dass die Transfektion des B7.1-Gens in humane Tumorzellen die in Gegenwart parentaler oder LacZ-Kontroll-transfizierter Malignomzellen in vitro signifikant supprimierte Proliferationskapazität allogener und autologer T-Zellen vollständig zu restaurieren vermag.

In vitro konnte modellhaft das therapeutische Potenzial der Gentherapie, nämlich die Rekrutierung von Effektorpopulationen der Immunantwort, gezeigt werden: Durch Transfektion von B7.1-cDNA in Tumorzellen gelang eine Stimulation von Lymphozyten, über GM-CSF-Plasmide wurden Antigen-präsentierende Zellen aktiviert und IL-2 erhöhte die Zytotoxizität von Lymphozyten und natürlichen Killerzellen-Strategien, die bei jedem Ansatz in einer signifikant gesteigerten Tumorzellyse resultierten.

Weiterhin wurde untersucht, ob Monozyten von SCCHN-Patienten einer Immunsuppression unterliegen, die eventuell einer Restauration mittels Cyclooxygenasehemmern im Rahmen eines multimodalen, die Gentherapie ergänzenden Therapiekonzeptes zugänglich ist. Dabei konnte belegt werden, dass Monozyten von Tumorpatienten im Gegensatz zu Normalspendern in vivo eine signifikante Herabregulation der für eine suffiziente Immunfunktion notwendigen Oberflächenrezeptoren CCR5 und CD11b aufweisen. Dies resultierte in einer signifikant eingeschränkten monozytären Adhäsionsfähigkeit. Die Konsequenz dieser In-vivo-Beobachtungen im Kontext mit bereits publizierten Daten, die erfolgreich eine In-vitro-Restauration der eingeschränkten Monozytenfunktion durch Cyclooxygenasehemmer belegen, ist die Gabe von NSAIDs zur Senkung immunsuppressiver PGE2-Spiegel bei dieser Patientenklientel, um über eine Stärkung des Immunsystems Wegbereiter für ein besseres Ansprechen zukünftiger gentherapeutischer Strategien im Rahmen eines multimodalen Therapiekonzeptes zu sein. Darüber hinaus könnte aber auch bei Personen, die ein erhöhtes Karzinomrisiko aufweisen, im Sinne einer Chemoprävention die Karzinominzidenz bzw. bei therapierten SCCHN-Patienten die Rezidivrate gesenkt werden.

„The war against cancer is far from over.” Dies stellten Bailar und Gornik in Anbetracht der steigenden Sterblichkeit an Krebs kürzlich ernüchternd fest. Gentherapeutische Strategien als neue, erfolgversprechende Ansätze könnten im Rahmen eines multimodalen Therapiekonzeptes in Zukunft helfen, die Mortalität der malignen Erkrankungen zu senken.

Dr. med. Stephan Lang

Klinik und Poliklinik für HNO-Kranke · Klinikum Großhadern ·

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