Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(10): 524-525
DOI: 10.1055/s-2002-20937-2
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Diagnostik der Lungenarterienembolie

Zuschrift Nr. 2
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Publication Date:
12 May 2004 (online)

Mit Hinweis auf eine nur wahrscheinlichkeitsgewichtete Diagnose wird in dieser Übersicht [8] der Beitrag der Szintigraphie zur Diagnostik der Lungenembolie in nur drei Sätzen und mit einem Literaturzitat aus dem Jahre 1990 besprochen.

In der Tat wird der Szintigraphie eine Übersensitivität mit der Folge falsch-positiver Befunde unterstellt. Auch bei Einbeziehung klinischer Daten soll nur bei knapp der Hälfte der untersuchten Patienten eine eindeutige Aussage möglich sein.

Dieses Ergebnis ist einerseits aus klinischer Sicht unbefriedigend, tritt andererseits aber nur bei Bezug auf die Pulmonalisangiographie als Referenz auf. Diese wird nach wie vor als Goldstandard der Lungenemboliediagnostik angesehen, obwohl sie, wie die Autoren richtig zitieren, niemals gegen einen unabhängigen Goldstandard evaluiert wurde. Auch in DSA-Technik gelingt der geforderte Direktnachweis des Embolus bereits bei segmentalen und größeren Embolien nur bei 60 % der Patienten [1], ab Subsegmentebene treten zunehmende Unsicherheiten auf. Vom methodischen Ansatz her ist die Szintigraphie der Pulmonalisangiographie beim Nachweis auch kleiner Emboli zweifelsfrei überlegen, der Embolus wird anhand der wesentlich größeren Folgeerscheinung, dem regionalen Perfusionsausfall, erkannt. Eine Schnittbildtechnik (SPECT) bringt gegenüber planaren Ansichten nochmals einen Zugewinn an Sensitivität, insbesondere auf Subsegmentebene.

Die Spiral-CT hebt ähnlich wie die Angiographie auf einen Direktnachweis des Embolus ab, kann aber die Ergebnisse des Goldstandards bezüglich Sensitivität (53 - 100 %) und Spezifität (81 - 100 %) beim Embolusnachweis noch nicht erreichen. Trotzdem halten die Bestrebungen an, die Szintigraphie in der klinischen Routinediagnostik durch die Spiral-CT zu ersetzen. Die hierbei suggerierte Sicherheit ist trügerisch.

Wird anstelle der Pulmonalisangiographie auf ein multimodales Nachweisverfahren zurückgegriffen (Spiral-CT, Ventilations-/Perfusions-Szintigraphie (nur sichere Befunde), D-Dimer, Dopplersonographie der tiefen Beinvenen in Kombination), so wird der einzeiligen Spiral-CT eine Sensitivität von nur 70 - 73 % bescheinigt [5] [7]. Die Rate falsch-positiver Befunde der Szintigraphie reduziert sich hierbei auf tolerable 1 % [5]. Aus den Originaldaten zurückgerechnet ergeben sich für die einzeilige Spiral-CT folgende Sensitivitäten für den Nachweis einzelner Emboli: Lappen-ebene 96 %, Segmentebene 66 % und Subsegmentebene 16 %, Gesamtsensitivität wiederum 70 % [6].

Bessere Ergebnisse liefert die zwar praxisferne, aber extrem hochauflösende Elektronenstrahl-Computertomographie (EBT). Diskrepanzen zwischen Szintigraphie und EBT reduzieren sich auf 10 - 15 % [3] [4]. Die Rate falsch-negativer Szintigraphiebefunde beträgt nur 1 - 2 % [3] [4], bedingt durch isolierte, nicht- oder nur teilokkludierende Emboli, die szintigraphisch stumm bleiben.

Hieraus lassen sich folgende Ergebnisse ableiten:

Die Sensitivität der Szintigraphie beträgt 98 - 99 %, die der einzeiligen Spiral-CT 70 - 73 %, die der mehrzeiligen Spiral-CT dürfte unterhalb der von EBT (85 - 90 %) liegen, verwertbare Ergebnisse liegen hierfür noch nicht vor. Die Spezifität der szintigraphischen Befunde ist weit höher als bisher vermutet, bei der unkomplizierten Lungenembolie werden bis zu 99 % erreicht [5]. Für die klinische Routine ergeben sich folgende Konsequenzen:

Die Szintigraphie ist von allen bildgebenden Verfahren für die Ausschlussdiagnostik am besten geeignet. Hierfür könnte jedoch zukünftig auch die Bestimmung von D-Dimer eingesetzt werden. Ein normaler D-Dimer-Spiegel schließt eine Lungenembolie mit hinreichender Sicherheit aus. Bei positivem Ausfall des Tests ist dagegen ein hochsensitives bildgebendes Verfahren gefordert, das die Lungenembolie entweder ausschließt oder bestätigt. Isolierte Befunde auf Segmentebene sind ungeachtet der Ergebnisse älterer Vergleichsstudien mit der Pulmonalisangiographie uneingeschränkt als Lungenembolie zu diagnostizieren und auch zu therapieren. Ein Drittel der Emboli auf Segmentebene wird durch die einzeilige Spiral-CT übersehen. Isolierte Befunde auf Subsegmentebene weisen auf Residuen einer Lungenembolie hin. Im Vergleich mit der V/Q-Szintigraphie werden über vier Fünftel der Emboli auf Subsegmentebene durch die einzeilige Spiral-CT nicht erkannt.

Die Vorzüge der Spiral-CT sollen demgegenüber nicht unerwähnt bleiben. So diagnostiziert die Spiral-CT auch den Lungeninfarkt (Häufigkeit 5-10 %) und kann in gewissem Grade zwischen der akuten und der alten, persistierenden Embolie unterscheiden. Begleitende Erkrankungen der Lunge oder des Herzens werden ebenso wie eine Rechtsherzbelastung erkannt.

Bei verbesserter Verfügbarkeit der mehrzeiligen Spiral-CT könnte es längerfristig zu einer Arbeitsteilung kommen, indem Patienten mit auffälligem Röntgen-Thoraxbild der Spiral-CT und solche mit unauffälligem Röntgen-Thoraxbild der Szintigraphie zur weiteren Diagnostik zugeführt werden. In dieser ausgesuchten Patientengruppe reduziert sich die Rate unsicherer szintigraphischer Befunde von 50 auf 9 % [2] selbst bei Anwendung bisheriger Auswertealgorithmen.

Literatur

  • 1 Cauvain O, Remy-Jardin M, Remy J, Petyt L, Beregi J P, Steinling M, Duhamel A. Spiral CT angiography in the diagnosis of central pulmonary embolism: Comparison with pulmonary angiography and scintigraphy.  Rev Mal Respir. 1996;  113 141-153
  • 2 Forbes K P, Reid J H, Murchison J T. Do preliminary chest X-ray findings define the optimum role of pulmonary scintigraphy in suspected pulmonary embolism?.  Clin Radiol. 2001;  56 397-400
  • 3 Kettner B, Enzweiler C, Sandrock D, Ivancevic V, Munz D L. Vergleich von Elektronenstrahl-Computertomographie und Perfusions-Ventilationsszintigraphie in der Diagnostik der akuten Lungenembolie.  Nuklearmedizin. 2000;  39 A40
  • 4 Lehmann K J, Weisser G, Naser M, Denk S, Willingsdorfer W J, Georgi M. Wertigkeit der EB-CT in der Diagnostik der akuten Lungenembolie - Vorstellung eines neuen Untersuchungsprotokolls.  Fortschr Röntgenstr. 1999;  171 364-371
  • 5 Lorut C, Ghossains M, Horellou M H, Achkar A, Fretault J, Laaban J P. A noninvasive diagnostic strategy including spiral computed tomography in patients with suspected pulmonary embolism.  Am J Respir Crit Care Med. 2000;  162 1413-1418
  • 6 Otmani A, Tribouilloy C, Leborgne L, Vermes E, Trojette F, Beckers C, Remond A, Fonroget J, Rey J L, Lesbre J P. Diagnostic value of echocardiography and thoratic spiral CT angiography in the diagnosis of acute pulmonary embolism.  Ann Cardiol Angeiol. 1998;  47 707-715
  • 7 Perrier A, Howarth N, Didier D, Loubeyre P, Unger P F, de Moerloose P, Slosman D, Junod A, Bounameaux H. Performance of helical computed tomography in unselected outpatients with suspected pulmonary embolism.  Ann Intern Med. 2000;  235 88-97
  • 8 Reißig A, Richartz B, Kroegel C. Diagnostik der Lungenarterienembolie.  Dtsch Med Wochenschr. 2001;  126 857-863

Prof. Dr. C. Schümichen

Universität Rostock, Klinik und Poliklinik für, Nuklearmedizin

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