Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(48): 1379
DOI: 10.1055/s-2001-18648
Fragen aus der Praxis
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Radontherapie des Morbus Bechterew: Nutzen und Risiko

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Publication Date:
29 November 2001 (online)

Frage: Welchen Stellenwert hat die Radon-Therapie in der Behandlung des Morbus Bechterew und weiterer Erkrankungen sowie in der Prävention von Lungen-karzinomen?

Antwort: Die primären Ziele der Behandlung des Morbus Bechterew sind die Schmerzreduktion und der Erhalt der Beweglichkeit. Obwohl der langfristige Erfolg einer gezielten Bewegungstherapie bisher noch nicht im Sinne der Evidence-based medicine belegt ist, besteht in der Rheumatologie Konsens, dass dies die Basis einer jeden langfristigen Behandlung des Morbus Bechterew sein muss.

Nichtsteroidale Antirheumatika, Kortison und Opioide führen zur Schmerzlinderung, sind jedoch mit den bekannten Nebenwirkungen behaftet. Auf der Suche nach weiteren Möglichkeiten der Schmerzreduktion wenden sich die Patienten mit Morbus Bechterew seit Jahrzehnten zunehmend der Radontherapie zu, die in Form von Bädern oder unter speläotherapeutischen Bedingungen (in Höhlen) durchgeführt wird.

Bei degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen und der rheumatoiden Arthritis liegen inzwischen randomisierte kontrollierte Doppelblindstudien vor, die den signifikant besseren Erfolg einer Behandlung unter Einschluss von Radonbädern in den Monaten nach der Therapiephase belegen ([3], [5]).

In einer randomisierten kontrollierten Studie wurden Patienten mit Morbus Bechterew im Rahmen einer dreiwöchigen stationären Rehabilitationsmaßnahme zusätzlich im Radonstollen von Bad Kreuznach bei Indifferenztemperatur (Radonkonzentration zwischen 30 und 130 kBq/m3) oder in der Sauna (Kontrollgruppe) behandelt. Mehrere Parameter, darunter das Schmerzausmaß sowie der Medikamentenverbrauch, zeigten in den Monaten nach der Behandlungsphase einen signifikant größeren Erfolg der zusätzlichen Radontherapie [4].

Eine randomisierte kontrollierte Studie untersuchte den Nutzen einer Radonthermalbehandlung im Gasteiner Heilstollen (durchschnittliche Radon222-Aktivität 44 kBq/m3, Temperatur 38 bis 41,5 ˚C, relative Luftfeuchtigkeit 70 bis 100 %). Niederländische Patienten mit Morbus Bechterew wurden randomisiert drei Gruppen zugeteilt. Während die Kontrollgruppe zu Hause blieb und die wöchentliche Gruppengymnastik weiterführte, absolvierten die beiden Interventionsgruppen ein dreiwöchiges komplexes Rehabilitationsprogramm unter Einschluss von Gruppengymnastik, Haltungskorrektur, Hydrotherapie und Sporttherapie in Arcen/Niederlande bzw. in Bad Hofgastein/Österreich. Zusätzlich wurde die Gruppe in Arcen 10-mal in der Sauna behandelt, die österreichische Gruppe 10-mal im Gasteiner Heilstollen. Der Bath Ankylosing Spondylitis Functional Index (BASFI), das Gesamtwohlbefinden des Patienten, die Schmerzintensität und die Dauer der Morgensteife wurden zu einem Pooled Index of Change (PIC) als primärem Zielparameter zusammengefasst. Nach der Behandlungsphase fand sich im Vergleich zu den Ausgangswerten in beiden Interventionsgruppen eine signifikante Besserung, während die zu Hause gebliebene Kontrollgruppe keine Veränderung aufwies. 6 bzw. 9 Monate nach Studienbeginn war der Pooled Index of Change (primärer Zielparameter) nur noch in der Gasteiner Gruppe (mit Radonthermaltherapie) signifikant besser als in der Kontrollgruppe, während die zweite Interventionsgruppe (ohne Radontherapie) keinen signifikanten Unterschied mehr zeigte (6).

Somit bestätigen diese kontrollierten Studien die positiven Erfahrungsberichte der Patienten. Dennoch sind selbstverständlich weitere kontrollierte Untersuchungen zur zusätzlichen Absicherung und zur Therapieoptimierung notwendig.

Andererseits wird immer wieder vor einem potenziell erhöhten Lungenkrebsrisiko nach Radonexposition gewarnt. Diese Bedenken beruhen auf der nachgewiesenen Gefahr hoher kumulativer Radondosen, wie sie Uranbergarbeiter bis in die 50er Jahren ausgesetzt waren. In diesen höchsten Dosisbereichen zeigt sich ein linearer Zusammenhang zwischen kumulativer Radondosis und Lungenkrebsinzidenz. Im Bereich des Strahlenschutzes wurde dieser lineare Zusammenhang - aus Mangel an eindeutigen Ergebnissen - auch auf niedrige Dosisbereiche, wie sie in der Balneologie üblich sind, übertragen.

Gegen die Anwendung dieses mathematischen Modells zur Risikoabschätzung niedrig-dosierter Radonexposition sprechen jedoch mehrere epidemiologische Studien, die im niedrigen Dosisbereich sogar eine negative Assoziation aufzeigten, dh. bei immer geringerer Strahlenexposition ein ansteigendes Krebsrisiko fanden [1]. Für diesen protektiven Effekt niedrig dosierter ionisierender Strahlung (nach [2] bis zu einer Dosis von 0,2 Gy), der auf eine Aktivierung zellulärer Repairmechanismen zurückzuführen ist, wurde der Begriff der Strahlenhormesis geprägt. Derzeit besteht jedoch noch immer eine kontroverse Diskussion in Fachkreisen, welche der Theorien (Linearitätstheorie oder Hormesistheorie) zutrifft. Erfreulicherweise wird diese Erörterung in den letzten Jahren sachlicher.

Literatur

  • 1 Cohen B L. Validity of the linear-no threshold theory of radiation carcinogenesis in the low-dose region. Peter Lang, Frankfurt In: Deetjen P, Falkenbach A (Hrsg): Radon und Gesundheit, Radon and Health 1999: 13-37
  • 2 Feinendegen L E, Bond V P, Sondhaus C A. Low-dose irradiation appears to reduce endogeneous DNA damage. Frankfurt: Peter Lang In: Deetjen P, Falkenbach A (Hrsg): Radon und Gesundheit, Radon and Health 1999: 39-58
  • 3 Franke A, Reiner L, Pratzel H G, Franke Th, Resch K L. Long-term efficacy of radon spa therapy in rheumatoid arthritis - a randomised, sham-controlled study and follow-up.  Rheumatology (Oxford). 2000;  39 894-902
  • 4 Lind-Albrecht G. Einfluss der Radonstollentherapie auf Schmerzen und Verlauf bei Spondylitis ankylosans. Dissertation, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz 1994
  • 5 Pratzel H G, Legler B, Aurand K, Baumann K, Franke T. Wirksamkeitsnachweis von Radonbädern im Rahmen einer kurortmedizinischen Behandlung des zervikalen Schmerzsyndroms.  Phys Rehab Kur Med. 1993;  3 76-82
  • 6 van Tubergen A, Wolter N, Falkenbach A, Goei Thè H, van der Heijde D, Hidding A, Landewé R, van der Linden S. Efficacy of spa therapy in patients with ankylosing spondylitis.  Z Rheumatol (Abstract). 2000;  59 III/16 (Suppl. 3))

Priv.-Doz. Dr. med. Albrecht Falkenbach

Kranken- und Kuranstalt

Gasteiner Heilstollen

A-5645 Bad Gastein-Böckstein