Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(47): 1348
DOI: 10.1055/s-2001-18566
Pro & Contra
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Intervention bei Nierenarterienstenose: In ausgewählten Fällen absolut sinnvoll

Intervention in renal artery stenosis: quite appropriate in selected cases
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Publication Date:
22 November 2001 (online)

Die Einstellung zur Intervention bei arteriosklerotischer Nierenarterienstenose (dies gilt nicht für die fibromuskuläre Nierenarterienstenose) hat in den letzten Jahren einen bemerkenswerten Wandel durchgemacht. Nachdem neue Methoden zur Intervention, spezifisch Nierenarterien-Dilatation mit oder ohne Stenting und neue diagnostische Verfahren, initial Captopril-Szintigraphie, später Spiral-CT und MRT-Angiographie, verfügbar wurden, herrschte eine Aufbruchstimmung. Die Indikation wurde sicher unangemessen und unkritisch weit gestellt. Mit den Ergebnissen einiger kontrollierter Studien ([1], [2]) ist das Pendel umgeschlagen, und der anfangs überschießende Optimismus ist einem gewissen therapeutischen Nihilismus gewichen. Es ist unsere Auffassung, dass nicht bei jeder nachgewiesenen arteriosklerotischen Nierenarterienstenose interveniert werden muss, dass es aber mit gesundem klinischem Menschenverstand durchaus möglich ist, rationale Indikationsstellungen zu erarbeiten, auch wenn zugegebenermaßen hierzu keine kontrollierten prospektiven Ergebnisse vorliegen.

Neben der chirurgischen Intervention hat in den letzten Jahren die perkutane transluminale Nierenarterien-Dilatation (PTNA) mit Stenting große Verbreitung gefunden. Sie ist technisch in einem hohen Prozentsatz erfolgreich ([3], [4]). Die arteriosklerotische Nierenarterienstenose ist ein in der Niere sich manifestierender Teilaspekt einer generalisierten Arteriosklerose. Die Progressionsrate wird nach neueren Untersuchungen allerdings deutlich geringer als früher angegeben. Darüber hinaus liegen kontrollierte Daten zum Effekt nicht-invasiver Therapien, vor allem von Lipidsenkung, Blutdruckkontrolle, Plättchenhemmer etc., auf die Progression der Nierenarterienstenosen derzeit bedauerlicherweise überhaupt nicht vor.

Für invasives Vorgehen sind zwei Indikationen zu diskutieren:

Therapie-refraktäre Hypertonie und eingeschränkte Nierenfunktion.

Die Holländische DRASTIC-Studie [1] zeigte, dass PTNA (in der Mehrzahl der Fälle allerdings ohne Stent) bei Patienten mit Therapie-refraktärer Hypertonie den Blutdruck nicht signifikant besser kontrollierte als medikamentöse Therapie. Als Therapie-refraktär wurde Hypertonie bei fehlender Normalisierung nach Gabe von drei Antihypertensiva klassifiziert. Allerdings wurde die Indikationsstellung sehr weit gestellt, d.h. Stenose mit Lumen-Einengung von 50% oder mehr. Dass in Einzelfällen die Intervention jedoch durchaus sinnvoll ist, wird belegt durch die Beobachtung, dass in Einzelfällen nur bei den Patienten eine Normalisierung des Blutdrucks erzielt werden konnte, bei denen eine PTNA erfolgt war. Da eine deutliche Beeinträchtigung der renalen Hämodynamik mit Minderperfusion jedoch erst ab einer Lumen-Einengung von mehr als 70% auftritt, glauben wir, dass die Indikation auf jeden Fall auf Patienten mit hochgradiger Nierenarterienstenose (»tight stenosis«) beschränkt werden sollte. Zur Verifizierung des Stenosegrades sind Druckmessung über die Stenose oder Flussprofilmessung mit MRT-Angiographie geeignet.

Tab. 1 Indikationen zur perkutanen transluminalen Nierenarterien-Dilatation (PTNA). erhebliche, auf antihypertensive Mehrfachtherapie refraktäre Hypertonie mit gesicherter hochgradiger (> 70% Lumeneinengung) Nierenarterienstenose oder bilaterale Nierenarterienstenose mit dokumentiertem raschem Kreatinin-Anstieg oder krisenhaft auftretende Episoden von Lungenödem, vor allem bei unter 60-jährigen Patienten ohne arteriosklerotische Manifestation in anderen Gefäßprovinzen und akzeptabler Lebenserwartung sowie bei Duplex-Sonographie resistance index L80 (6)

Noch unklarer ist die Indikation der Intervention zur Erhaltung der Nierenfunktion. Generell ist eine Einschränkung der Nierenfunktion nur bei bilateraler Stenose zu erwarten. Ferner zeigen neuere Untersuchungen, dass bei sicherem Vorliegen einer Stenose eine verminderte Nierenfunktion häufig durch zusätzliche Nierenfunktionsstörungen hervorgerufen wird, die einer PTNA nicht zugänglich sind (z.B. Cholesterin-Embolie, glomeruläre Schäden mit Proteinurie, Endothel-Dysfunktion) ([5]). Wegweisend ist hier eine neue noch nicht publizierte Studie aus Utrecht, wonach eine renale Funktionsverbesserung nur gesehen wurde, wenn in den 12 Monaten vor der Intervention ein deutlicher Kreatinin-Anstieg dokumentiert ist.

Ohne jeden Zweifel ist die Indikation zur Intervention gegeben bei Vorliegen von sogenanntem »flash pulmonary edema«, d.h. krisenhaft, meist nachts auftretendem Lungenödem ohne Linksherzinsuffizienz als Folge eines Renin-Exzesses.

Bei der Indikationsstellung zum invasiven Vorgehen müssen zwei Punkte bedacht werden, die gegen eine PTNA sprechen können: (a) Risiko von Nebenwirkungen (wie Cholesterin-Embolie, hohes Dissektions-Risiko) und (b) limitierte Lebenserwartung infolge arteriosklerotischer Komplikationen in anderen Gefäßprovinzen. Die mir sinnvoll erscheinenden Indikationen zur PTNA sind in der [Tab. 1] zusammengefasst.

Literatur

  • 1 Van Jaarsveld B C. et al. . The effect of balloon angioplasty on hypertension in atherosclerotic renal artery stenosis.  NEJM. 2000;  342 1007-14
  • 2 Plouin P F. et al. . lood pressure outcome of angioplasty in atherosclerotic renal artery stenosis.  Hypertension. 1998;  31 823-9
  • 3 Webster J. et al. . Randomised comparison of percutaneous angioplasty vs. continued medical therapy for hypertensive patients with atheromatous renal artery stenosis.  J Hum Hypertens. 1998;  12 329-35
  • 4 Van de Ven P J. et al. . Arterial stenting and balloon angioplasty in ostial atherosclerotic renovascular disease.  Lancet. 1999;  353 282-6
  • 5 Scoble J E. et al. . Atherosclerotic renovascular disease causig renal impairment - a case for treatment.   Clin Nephrol. 1998;  31 119-22
  • 6 Radermacher J. et al. . Use of Doppler ultrasonography to predict the outcome of therapy for renal artery stenosis.  N Engl J Med. 2001;  8 410-7

Korrespondenz

Prof. Dr. Eberhard Ritz

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