Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(41): 1157-1158
DOI: 10.1055/s-2001-17741-2
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Erwiderung

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Publication Date:
28 April 2004 (online)

Wie von Görge zurecht konstatiert, handelt es sich bei der aktuellen Publikation zur Behandlung der therapierefraktären Angina pectoris mit Spinal-cord-Stimulation um ein bedeutendes Therapieproblem in Zeiten steigender Koronarinterventionen und kardiovaskulärer Erkrankungszahlen. Die therapierefraktäre Angina pectoris ist somit kein seltenes, eher in seiner Zahl ansteigendes Problem, dieses wird, dies hat auch Görge festgestellt, in der Arbeit von Zobel und Mitarbeiter [3] sehr ausgewogen und fundiert dargestellt. Auf die gestellten ergänzenden Fragen zur praktischen Umsetzung dieser neuen Therapieform darf ich im Folgenden Stellung nehmen:

1. Die Durchführung Placebo-kontrollierter Studien zum Ausschluss eines Placebo-Effektes scheint in der Tat bei dieser neuartigen und sehr effektiven Therapieform zur Behandlung der Patienten mit therapierefraktärer Angina-pectoris-Symptomatik schwierig zu sein. Zum einen fordert die Therapieform die Initiierung einer Kribbelparästhesie im entsprechenden Dermatom zur Lokalisation des für den Patienten bekannten Schmerzes, also die Mitarbeit des Patienten; andererseits soll gerade im Rahmen einer FDA-geführten Studie dieses Problem angegangen werden: Bei Patienten soll nach Implantation des Neurostimulators eine fixe Stimulation im subtherapeutischen Bereich, d. h. mit Frequenzen durchgeführt werden, die zu keiner Dermatomreizung führen. Aber auch dies ist, zugegebenermaßen, kein sicherer Ausschluss eines Placebo-Effektes. Aber, und dies sei hier betont, bei der Behandlung dieser Patienten haben wir es mit einer therapierefraktären Situation zu tun, d. h. Patienten, die wiederholt Nitrokörper, oft auch Opiate zu sich nehmen, um den Angina pectoris-Schmerz zu kupieren. Diese Patienten sind in ihrer Lebensqualität hochgradig eingeschränkt, durch die Neurostimulation kann nicht nur die Schmerzsymptomatik, sondern auch die Belastbarkeit verbessert werden, und beides hat höchstwahrscheinlich Einfluss auf die Herzfunktion selbst.

2. Görge führt zurecht aus, dass die transmyokardiale Laser-Revaskularisation bei weitem nicht den Therapieerfolg erreichen konnte, wie man es primär vermutete. Die in Placebo-Untersuchungen durchgeführte perkutane Laser-Revaskularisation zeigte in zwei großen Studien keinen Benefit im Vergleich zur Placebo-Wirkung. In einer jüngst während des American College of Cardiology vorgestellten Studie konnte zumindest in der Gruppe mit geforderter Verbesserung der CCS-Klassifikation von mehr als zwei Stufen ein Benefit im Vergleich zur Placebo-Gruppe erreicht werden. Ich kann Görge nur zustimmen, das gerade für Hochrisikopatienten mit hochgradig eingeschränkter Pumpfunktion und sehr hohem weiteren Interventionsrisiko die Neurostimulation favorisiert werden sollte.

3. Für diesen Hinweis bin ich sehr dankbar! Im Herzzentrum der Universität zu Köln wird den Patienten mit therapierefraktärer Angina eine Implantation und Therapie mit Neurostimulator angeboten; dies allerdings in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen den Kollegen der Herzchirurgie, Neurochirurgie und Kardiologie im Rahmen einer Studie. Fordert nicht gerade der Terminus »therapierefraktäre Angina« die bestmögliche Evaluierung des Zustandes und der Therapiemöglichkeiten für den Patienten. Sie stellten zurecht fest, dass dies nur interdisziplinär geschehen kann. Alle diese Patienten sollten in einer gemeinsamen Konferenz vorgestellt und besprochen werden.

4. Auch dies ist ein sehr wichtiger Punkt. In unserer derzeit laufenden Studie zur Behandlung von Patienten mit therapierefraktärer Angina haben wir mehr als 15 Patienten mit dieser Erkrankung mit einem Neurostimulator versorgt. Da die Therapieform auf die Kooperation des Patienten angewiesen ist, sollte erst versucht werden, ob der Patient mit der ihm angebotenen Therapieform adäquat umgehen kann und zurechtkommt. Hierzu empfehlen auch wir eine Implantation und Stimulation probeweise für 3 Tage, dann kann das System definitiv implantiert werden. Lassen Sie mich noch darauf hinweisen, dass zu jedem Zeitpunkt eine Explantation des Systems wieder vorgenommen werden kann.

5. Die hier gestellte Problematik ergänzt sich zu dem o. g. Punkt. Auch wir gehen davon aus, dass die Handhabung für den Patienten 2 - 3 Tage getestet werden sollte. Dies kann - und so führen wir dies durch - durch Anschluss an einen externen Stimulator für diese Zeit geschehen. Alternativ ist sicher auch eine Tense denkbar.

6. Die eigenen Erfahrungen zeigen, dass die überwiegende Mehrzahl der Patienten mit der sehr einfachen Bedienung des externen Initiierungsgerätes zurechtkommt. In Einzelfällen mag dies problematisch sein. In der in Köln durchgeführten Implantationstechnik im Rahmen der durchgeführten Studie führen wir eine Basisstimulation morgens und abends durch und erlauben eine Initiierung immer dann, wenn der Patient Angina-pectoris-Beschwerden hat.

7. Görge weist zurecht darauf hin, dass es sich um chronisch kranke Schmerzpatienten handelt. Gerade diese Patienten bedürfen einer engen Arzt-Patienten-Beziehung und -führung; dies bedeutet zum einen einen konstanten Ansprechpartner und zum zweiten möglicherweise auch psychosoziale Betreuung.

8. Die Kostensituation für die Implantation bei Patienten mit therapierefraktärer Angina ist derzeit nicht geklärt. Auch aus diesem Grund ist eine strenge Indikationsstellung und Evaluierung der Patienten in einem interdisziplinären Therapieansatz gefordert, um dem Kostenträger transparent den Nutzen der Therapieform für den individuellen Fall zu dokumentieren. Ich kann nur hoffen, dass neuere Geräte mit längerer Lebensdauer und kostengünstigere Geräte auf den Markt kommen. Dies dürfte vor allem dann auch der Fall sein, wenn mehrere Anbieter zur Verfügung stünden.

9. Sicher wäre im Sinne der Evidence based-Therapieform, die wir heute so gerne zitieren und anwenden sollen, eine Mortalitätsstudie hier wünschenswert! Wir sollten bei dieser Forderung aber nicht vergessen, dass gerade dieses Kriterium für nur ganz wenige Therapieformen und noch wenige eingesetzte Medikamente derzeit erfüllt wird. Da es sich bei diesen Patienten um chronisch kranke Schmerzpatienten handelt, die eine hochgradige Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit und damit auch ihrer Lebensqualität durch die Angina pectoris erfahren, glaube ich, dass auch ohne eine Mortalitätsstudie eine Therapie zur Schmerzlinderung und damit Symptomverbesserung gerechtfertigt ist.

Zu allerletzt wird ein wunder Punkt der Neurostimulation angesprochen, gerade im Indikationsspektrum eines Kardiologen, der ja gewohnt ist, in engen Kausalitätsketten zu denken. Die Therapieform ist wirksam und zeigt eine signifikante Verbesserung der Belastungstoleranz, der schmerzfreien Belastungszeit, eine Reduktion des Nitratverbrauches und eine Verbesserung der Lebensqualität, wir wissen aber nicht exakt um den Wirkmodus dieser neuen Therapieform. Zum einen sind direkt neuronale Einflussnahmen über afferente wie auch über efferente Fasern denkbar und zum zweiten ist eine Reduktion der sympathoadrenergen Aktivierung alleine aufgrund der verminderten Schmerzepisoden vorstellbar. Wesentlich scheint mir aber auch, dass eine verbesserte Belastbarkeit der Patienten auch Funktionsparameter des Myokards günstig beeinflussen kann. Dies haben in eindrucksvoller Weise Arbeiten an Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie und eingeschränkter Pumpfunktion zeigen können [1] [2].

Die potenziellen Wirkmechanismen näher zu diskutieren, wird Ziel einer erneuten Arbeit meiner Forschergruppe sein, auch wir sind gerade an der Evaluierung möglicher Ansätze hierfür interessiert.

Und ich denke, dass gerade diese neue Therapieform, die ja interdisziplinär zum Einsatz kommen sollte, in Zentren durchzuführen ist, die möglichst diese Erfahrungen auch im Sinne von prospektiv angelegten Studien dokumentieren - nur so können wir in der Behandlung dieser Patientenklientel weiterkommen.

Literatur

  • 1 Belardinelli R, Georgiou D, Ginzton L, Cianci G, Purcaro A. Effects of moderate exercise training on thallium uptake and contractile response to low-dose dobutamine of dysfunctional myocardium in patients with ischemic cardiomyopathy.  Circulation. 1995;  92 1-179 (Suppl I))
  • 2 Hambrecht R, Wolf A, Gielen S, Linke A, Hofer J, Erbs S, Schoene N, Schuler G. Effect of exercise on coronary endothelial function inpatients with coronary artery disease.  N Engl J Med. 2000;  17 454-460
  • 3 Zobel C, Diedrichs H, Schwinger H J, Deutsch H J. Epidurale Rückenmarkstimulation zur Behandlung der therapierefraktären Angina pectoris.  Dtsch Med Wochenschr. 2001;  126 180-183

Priv.-Doz. Dr. med. R. H. G. Schwinger

Universität zu Köln, Klinik III für Innere Medizin, Kardiologie-Angiologie-Pneumologie, und internistische Intensivmedizin

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