Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2001; 36(4): 250-252
DOI: 10.1055/s-2001-12752
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Fragen und Antworten in AINS

Questions and Answers in AINSCh. Fürstenau1 , W. Ullrich2
  • 1Stuttgart
  • 2Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Diakoniekrankenhaus, Schwäbisch Hall
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Frage

Kasuistik

Ein 22-jähriger Patient musste sich bei einem seit dem 13. Lebensjahr bestehendem M.Crohn und mehrfachen Voroperationen im Bauchraum einer elektiven Transverso-Ileostomie unterziehen. Bei bekanntem Verwachsungsbauch war von einem erhöhtem Blutverlust und langer OP-Zeit auszugehen. Wir entschlossen uns zu einem erweiterten Monitoring mit Anlage eines ZVK, einer arteriellen Kanüle (A.radialis) und einem großlumigen peripheren Zugang am Unterarm. Aus diesem Grunde wurde der linke Arm ausgelagert. Zur Vermeidung von Nervenschäden erfolgte die Abduktion nur bis 80 °, wurde der Arm im Ellenbogen leicht gebeugt und die bekannten kritischen Druckstellen sorgfältig abgepolstert. Um jederzeit an den arteriellen und venösen Zugang gelangen zu können, lagerten wir den Arm außenrotiert, so dass die Volarseite der Hand nach oben und der Ellenbogen auf der Armbank zu liegen kam.

Die Anästhesie wurde als Intubationsnarkose in balancierter Technik (Thiopental/Sevofluran, Rocuronium/Pancuronium, Sufentanil, DHB) in Kombination mit einem thorakalen Periduralkatheter (Th10, Ropivacain 0,75 % + 20 ug Sufentanil) durchgeführt, die Kreislaufverhältnisse waren zu jeder Zeit stabil.

Wie erwartet gestaltete sich die Präparation im Bauchraum äußerst schwierig, so dass die Operation insgesamt 5 Stunden und 10 Minuten andauerte. Während dieser Zeit blieb der linke Arm in der oben beschriebenen Weise ausgelagert. Am OP-Ende wurde der Patient extubiert und zur weiteren Überwachung auf die Intensivstation verlegt.

Nachdem der Patient nach ca. 2 Stunden aufgeklart war, fiel ihm eine Gefühllosigkeit und Lähmung des linken Armes auf. Die neurologische Untersuchung ergab einen kompletten motorischen und sensiblen Ausfall der Nervi radialis und musculocutaneus, sowie einen sensiblen Ausfall des N. medianus und ulnaris. Wir begannen eine antiphlogistische (150 mg Diclofenac) und hochdosierte neurotropische (Vit. B1/B6/B12 ) Therapie sowie eine begleitende Physiotherapie.

Unter dieser Therapie war die Symptomatik am nächsten Tag deutlich rückläufig, der N. radialis, ulnaris und medianus hatten sich weitestgehend erholt. Lediglich der N. musculocutaneus zeigte weiterhin einen sensiblen und motorischen Komplettausfall. Aus forensischen Gründen wurde jetzt ein Neurologe hinzugezogen, der einen aktuellen differenzierten neurologischen Status erhob und die bereits begonnene Therapie bestätigte.

36 Stunden nach der Operation hatte sich auch der N. musculocutaneus fast vollständig erholt, es imponierte lediglich noch eine gewisse Schwäche der groben Kraft aller Armmuskeln. Die restitutio ad integrum war nach 5 Tagen erreicht.

Anatomie

Der Plexus brachialis zieht in seinem distalen Teil unter dem M. pectoralis unmittelbar am Caput humeri vorbei nach distal. Durch Außenrotation tritt der Hummeruskopf nach ventral aus der Frontalebene heraus, da die Rotationsachse des Humerus hinter dem Humeruskopf liegt. Der dem Humeruskopf benachbarte Plexus brachialis kann dadurch unter leichten Druck kommen. Durch Abduktion des Armes gerät der Plexus in Abhängigkeit vom Winkel zunehmend unter Spannung.

Diskussion

Nervenschäden der oberen Extremität durch unsachgemäße Lagerung sind prinzipiell vermeidbar. Sie sind für die Patienten und die Verursacher äußerst belastend, insbesondere weil nicht immer von einer Rückbildung ad integrum ausgegangen werden kann.

Zur Vermeidung wird die Beachtung einiger Grundsätze empfohlen. So darf der Arm nicht über 90 ° abduziert werden, soll der Ellenbogen um ca. 15 ° gebeugt und die kritischen Druckstellen (Sulcus ulnaris, Humerusschaft) gepostert werden oder frei zu liegen kommen.

Um speziell den N. ulnaris zu schonen ist es gängige Praxis, den Arm außen zu rotieren, so dass der Ellenbogen aufliegt und der N. ulnaris frei zu liegen kommt. Dieses Vorgehen wird auch im Lehrbuch von Larsen nicht eindeutig abgelehnt. Zwar schreibt Larsen im Text, dass der Arm prinzipiell innen zu rotieren sei, in der dazugehörigen Abbildung ist aber ein Patient mit außenrotiertem Arm zu sehen. In unserem Fall war darüberhinaus die außenrotierte Lage erforderlich, um an die entsprechenden Zugänge schnell heranzukommen. Warum es zu der eingetretenen Plexusschädigung kam, ist nicht ganz klar. Ein übermäßiger Zug am Plexus durch Elevation des Armes über die Horizontale scheidet aus. Einzig denkbare Erklärung ist der Druck des Humeruskopfes auf nervale Strukturen oder blutversorgende Gefäße mit nachfolgender nutritiver Problematik im Sinne eines komprimierten Kapillarbettes. Dies wird durch die Tatsache unterstrichen, dass die am stärksten betroffenen Nerven (M. musculocutaneus und radialis) dem Humeruskopf am nächsten liegen, sich hier also ein Druck auf das Kapillarbett am stärksten auswirkt.

Aus dem oben geschilderten Fall ergeben sich mehrere Fragen:

  1. Ist der Erklärungsversuch (nutritives Problem) für den Plexusschaden schlüssig und gibt es ähnlich gelagerte Fälle?

  2. Nach welcher Zeit ist mit Nervenausfällen durch nutritive Schäden zu rechnen und kann diesen durch intermittierende Innenrotation vorgebeugt werden?

  3. Müsste, wenn es durch Außenrotation zu einem derartigen Schaden kommen kann, von einer solchen Lagerung nicht prinzipiell abgeraten werden statt diese zu propagieren?

Dr. Ch. Fürstenau, Dornhaldenstr. 10, 70199 Stuttgart

christian.fuerstenau@web.de

Literatur

  • 1 Alvine F G, Schurrer M E. Postoperative ulnar-nerve palsy, are there predisposing factors?.  J Bone Joint Surg. 1987;  69 (A 2) 255-259
  • 2 Dawson D M, Karup C. Perioperative nerve lesions.  Arch Neural. 1989;  46 1355-1360
  • 3 Havagim A R, Backus W W, Manecke G, Lagasse R, Sidhu U, Poppers P J. Pulse oximetry and patient positioning: a report of 8 cases.  Anesthesiology. 1989;  71 ((3)) 454-456
  • 4 Kienzle F, Ullrich W, Krier C. Lagerungsschäden in Anästhesie und operativer Medizin (Teil 2).  Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther. 1997;  32 72-86
  • 5 Martin J T. Compartment Syndroms: Concepts and perspectives for the anesthesiologist.  Anesth Anal. 1992;  75 275-283
  • 6 Ullrich W, Biermann E, Kienzle F, Krier C. Lagerungsschäden in Anästhesie und operativer Medizin (Teil 1).  Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther. 1997;  32 4-20

Dr. med. Wolfgang Ullrich

Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin
Diakoniekrankenhaus

Diakoniestraße 10

74523 Schwäbisch Hall

Email: wullrich@diaksha.de

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