Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(8): 223
DOI: 10.1055/s-2001-11315
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Herausgabe von Krankenhaus-entlassungsberichten an Krankenkassen und den Medizinischen Dienst der Krankenkassen

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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Rieger hatte in einem Aufsatz [3] dargelegt, dass die Herausgabe von Krankenhausentlassungsberichten, auf Anforderung durch die gesetzlichen Krankenkassen bzw. deren Medizinischem Dienst (MDK), im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht (§ 203 StGB) nicht bedenkenlos erfolgen darf. Daraufhin wurden zwei Leserbriefe dazu veröffentlicht: des stellvertretenden Vorsitzenden der AOK Baden-Württemberg, Dr. Hoberg [1], und des Fachbereichsleiters Chirurgie und Arzthaftpflichtfragen der MDKN Hannover, Prof. Paquet [2]. Diese Stellungnahmen sind nicht geeignet, die von Dr. Rieger gezogenen Schlussfolgerungen zu entkräften.

Zunächst ist zu sagen, dass sich strafrechtliche Probleme bei der Herausgabe der Entlassungsberichte in der Praxis kaum ergeben. Bei Verstoß gegen § 203 StGB handelt es sich um ein Vorsatzdelikt. Der Täter, hier der Arzt, muss wissen, dass es in den Berichten um Geheimnisse geht, deren Geheimhaltung der Patient vermutlich will. Ein Vorsatz entfällt, wenn er sich irrtümlich zur Offenbarung für befugt hält. Ein solcher Irrtum liegt im Fall der Weitergabe von Entlassungsberichten an den Träger der Sozialversicherung nahe, weil das Sozialgesetzbuch den Austausch von so genannten Sozialdaten zwischen behandelndem Arzt und Arzt des MDK vorsieht.

Wenn Hoberg zu dem Ergebnis kam, dass die Weiterleitung von »Krankenhausentlassungsberichten« durch den behandelnden Arzt datenschutzrechtlich (!) zulässig und sogar zwingend sei, die Anforderung von »kompletten Krankenhausentlassungsberichten« aber nur in begründeten Einzelfällen zulässig ist, dann vermisst man die Abgrenzung von »Krankenhausentlassungsbericht« zu »komplettem Krankenhausentlassungsbericht«. Gemeint sind mit letzterem vermutlich die kompletten Krankenblätter, mit denen sich Rieger in seinem Beitrag aber nicht befasst hatte. Gegen die Ausführungen von Hoberg [1] gibt es mehrere Einwände. Zunächst wird nicht ausreichend beachtet, dass die Weitergabe von Geheimnissen im Sinne von § 203 StGB auch dann unbefugt ist, wenn sie zwischen Personen erfolgt, von denen jede selbst der Schweigepflicht unterliegt, wie im Falle des behandelnden Arztes und des Arztes des MDK. Weiter bedeutet eine im Sozialgesetzbuch enthaltene Befugnis des MDK zur Einholung von Arztberichten nicht zugleich auch eine Verpflichtung des Arztes zur Herausgabe von Befunden seines Patienten und befreit nicht den Arzt von der Wahrung des Patientengeheimnisses. Auch ist zu bedenken, dass Entlassungsberichte Angaben enthalten können, die für die Prüfung der Leistungspflicht des Versicherungsträgers bedeutungslos sind, deren Bekanntgabe der Patient aber nicht wünscht. Es können Angaben über Dritte, z.B. Ehepartner, darin enthalten sein, die ohne Beziehung zu dem Versicherungsträger sind. Schließlich darf selbst bei Entbindung von der Schweigepflicht der Arzt nicht mehr offenbaren, als der Träger der Sozialversicherung zur Durchführung seiner Aufgaben benötigt. Geht der Arzt über das Erforderliche hinaus, so handelt er unbefugt, selbst bei Entbindung von der Schweigepflicht.

Paquet [2] behandelte in seiner Zuschrift einen Sonderfall, nämlich das Tätigwerden des MDK bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler. Er schreibt, dass der MDK in solchen Fällen meist alle Krankenblattunterlagen benötigt. Mit diesem Problem hatte sich Rieger jedoch nicht befasst. In Verdachtsfällen dürfte es nicht schwierig sein, die Zustimmung des Patienten zur Anforderung von Krankenunterlagen einzuholen. Dann sollte korrekterweise aber auch der behandelnde Arzt bzw. die klinische Einrichtung auf den Verdacht eines Behandlungsfehlers hingewiesen werden und nicht durch die Beziehung des Krankenhausentlassungsberichtes bei dem niedergelassenen Arzt eine Beurteilung versucht werden, wogegen sich Rieger gerade gewandt hatte.

Im ärztlichen Alltag sollte daher den Hinweisen von Rieger gefolgt werden, dass ein Krankenhausentlassungsbericht bei dem entsprechenden Leistungserbringer (Krankenhaus) angefordert werden sollte. Dabei gilt, dass die routinemäßige Anforderung von Krankenhausentlassungsberichten, durch Krankenkassen und ihren MDK, bei Krankenhäusern einen Verstoß gegen geltendes Recht darstellt. Eine Einsichtnahme in Krankenunterlagen von Krankenhäusern muss auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Niedergelassene Ärzte sind zur Herausgabe von Krankenhausentlassungsberichten an den Sozialleistungsträger nicht verpflichtet, wenn ihnen nicht eine aktuelle Erklärung des Patienten über die Entbindung von der Schweigepflicht vorliegt.

Literatur

  • 1 Hoberg R. Zuschrift zum Artikel Herausgabe von Krankenhausentlassungsberichten an Krankenkassen und den Medizinischen Dienst der Krankenkassen.  Dtsch med Wschr. 2000;  125 1026-1027
  • 2 Paquet K -J. Zuschrift zu Herausgabe von Krankenhausentlassungsberichten an Krankenkassen und den Medizinischen Dienst der Krankenkassen.  Dtsch med Wschr. 2000;  125 1027-1028
  • 3 Rieger H -J. Herausgabe von Krankenhausentlassungsberichten an Krankenkassen und den Medizinischen Dienst der Krankenkassen.  Dtsch med Wschr. 1999;  124 403-404

PD Dr. med. F. M. Reinhardt

Neurologische Klinik mit Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg

Schwabachanlage 6

91054 Erlangen

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