Viszeralchirurgie 2001; 36(1): 41-42
DOI: 10.1055/s-2001-11142
DAS VISZERALCHIRURGISCHE PRÜFUNGSGESPRÄCH
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kalter Schilddrüsenknoten und Karzinom

M. Brauckhoff, H. Dralle
  • Universitätsklinik für Allgemeinchirurgie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Fall 1

Bei einem 14-jährigen Mädchen ist es nach antithyreoidaler Therapie zu einem Hyperthyreose-Rezidiv eines Morbus Basedow mit endokriner Orbitopathie gekommen. In der drittgradigen Struma liegt ein kalter Knoten im rechten unteren Schilddrüsenpol vor, der sonographisch noch echoärmer als die übrige Struma imponiert. Aktuelle Schilddrüsenlaborparameter unter Thyreostase mit 10 mg Thiamazol: TSH < 0,05 mU/l, FT4 22 pmol/l, FT3 8 pmol/l, TRAK 21 U/l, TG 34 ng/ml.

Frage: Welche Behandlungsoptionen sind möglich?

Antwort: Grundsätzlich kommen beim Hyperthyreoserezidiv eines Morbus Basedow nach thyreostatischer Therapie zwei thyreoablative Strategien in Betracht. Kleine homogene Schilddrüsen sprechen gut auf eine Radioiodtherapie an. Vorteile dieser Methode sind die Vermeidung eines operativen Eingriffs einschließlich der hierbei möglichen Risiken. Nachteile sind die verzögerte Rückbildung der Funktionsstörung sowie die fehlende Möglichkeit einer histologischen Untersuchung und die u. U. unzureichende Verkleinerung der Struma. Insbesondere größere Basedow-Strumen mit solitären Knoten sollten daher vor einer Radioiodtherapie zytologisch abgeklärt bzw. posttherapeutisch engmaschig kontrolliert, am besten aber operiert werden. Die Thyreoidektomie bietet den Vorteil der sofortigen Beseitigung der funktionellen Symptomatik, der kompletten Gewebeentfernung sowie der histologischen Diagnose, so dass im vorliegenden Fall die Thyreoidektomie die Therapie der Wahl darstellt.

Frage: Welche diagnostischen und operationsvorbereitenden Maßnahmen sollten im Falle einer operativen Behandlung durchgeführt werden?

Antwort: Erforderlich sind eine Punktionszytologie des kalten Knotens, bei zytologischem Verdacht auf ein medulläres Schilddrüsenkarzinom zusätzlich die Bestimmung des Serumcalcitonins, eine indirekte Laryngoskopie sowie eine ophthalmologische Untersuchung. Präoperativ ist durch eine antithyreoidale Medikation eine euthyreote Stoffwechsellage herzustellen, ggf. kann zusätzlich eine Plummerung mit Iodlösungen (Lugolsche Lösung, Amerikanische Iodlösung) über 4 - 5 Tage durchgeführt werden.

Frage: In der Punktionszytologie wird eine follikuläre Neoplasie diagnostiziert. Welche therapeutische Strategie sollte eingeschlagen werden?

Antwort: Die follikuläre Neoplasie bedeutet in der Regel eine Operationsindikation, da aus zytologischer Sicht eine Dignitätsbeurteilung meist erst am definitiven Gewebeschnitt durch Ausschluss bzw. Nachweis einer Kapsel- und/oder Gefäßinfiltration möglich ist und wiederholte Punktionszytologien nur im Ausnahmefall eine Berechtigung haben. Eine Schnellschnittuntersuchung ist vor allem dann indiziert, wenn makroskopisch Karzinomverdacht besteht. Bei der Kombination einer follikulären Neoplasie mit einem M. Basedow stehen zwei Operationsverfahren zur Wahl: (a) die ipsilaterale Hemithyreoidektomie und kontralateral subtotale Resektion mit kleinem Rest (< 2 g) oder (b) die totale Thyreoidektomie. Die Entscheidung über das Ausmaß der kontralateral zur follikulären Neoplasie gelegenen Lappenresektion (subtotal mit kleinem Rest oder total) sollte, wenn makroskopisch oder schnellschnitthistologisch kein Karzinomverdacht besteht, von der Intensität des Autoimmunprozesses abhängig gemacht werden, da es bislang keinen überzeugenden Nachweis für eine erhöhte Inzidenz und/oder Aggressivität von Karzinomen in einer Basedow-Struma gibt. Wenn bei der intraoperativen Schnellschnittdiagnostik ein Schilddrüsenkarzinom nachgewiesen wird, erfolgt eine Karzinomoperation entsprechend den hierfür vorliegenden Empfehlungen. Dies gilt auch dann, wenn aufgrund der postoperativen histologischen Diagnose eine Komplettierungsoperation indiziert ist. Im eigenen Vorgehen wird unabhängig vom Vorhandensein von Knoten in einer Basedow-Struma, wie auch von anderen Autoren bei Vorliegen einer endokrinen Orbitopathie und klinisch und laborchemisch aktivem Autoimmunprozess insbesondere bei jungen Patienten empfohlen, eine totale Thyreoidektomie angestrebt.

Prof. Dr. Henning Dralle

Direktor der Univ.-Klinik für AllgemeinchirurgieMartin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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