Geburtshilfe Frauenheilkd 1999; 59(2): 70-76
DOI: 10.1055/s-1999-14163
Originalarbeit

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zur Vorhersagbarkeit einer schweren intrapartalen Azidose (NapH < 7,00) bei reifen Neugeborenen und deren Auswirkungen auf die frühkindliche Entwicklung

Prediction of Severe Acidosis at Birth in Term Fetuses and their Neurodevelopmental Outcome at 18 Months of AgeE. Beinder1 , B.  Kevecordes2 , D. Wenzel2 , M. Überall2 , Ch. Kändler3 , W. Frobenius1 , F. Heller1 , N. Lang1
  • 1Universitäts-Frauenklinik Erlangen
  • 2Abteilung für Kinderneurologie
  • 3Neonatologische Intensivstation der Klinik für Kinder und Jugendliche, Universität Erlangen-Nürnberg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 1999 (online)

Zusammenfassung

Fragestellung: Die peripartale Asphyxie bzw. schwere Azidose gilt als bedeutender Risikofaktor neonataler Morbidität und späterer neurologischer Schäden. Trotzdem sind wichtige Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Krankheitsbild bisher relativ wenig und nur an kleinen Kollektiven untersucht. In der vorliegenden Arbeit wird deshalb folgenden Fragen nachgegangen: 1. Gibt es Schwangerschaftsrisiken, deren Beobachtung das Auftreten einer schweren fetalen Azidose unter der Geburt relativ wahrscheinlich macht? 2. Lassen sich prädiktive Faktoren für das Auftreten neurologischer Auffälligkeiten im Alter von 18 Monaten bei Kindern mit schwerer Azidose unter der Geburt nachweisen?

Methode: In diese epidemiologisch prospektive Untersuchung wurden Daten von 25 reifen Neugeborenen aus Einlingsschwangerschaften ohne asphyxierelevante Fehlbildungen einbezogen, die zwischen Januar 1990 und Mai 1996 mit einem Nabelschnurarterien-pH-Wert (NapH) < 7,00 in der Universitäts-Frauenklinik Erlangen zur Welt gekommen sind. Es handelt sich dabei um dokumentierte Schwangerschaftsrisiken (Mutterpaß, Geburtsjournal), das Ergebnis der postpartalen Blutgasanalyse (NapH-Wert, Basendefizit), die Apgar-Werte nach 1, 5 und 10 min, sowie um Häufigkeit und Ausprägung einer hypoxämisch-ischämischen Enzephalopathie (HIE) im Neugeborenenalter. Mit Ausnahme eines im Alter von 15 Monaten verstorbenen Kindes wurde das gesamte Kollektiv mindestens bis zum Alter von 18 Monaten entsprechend einem standardisierten Untersuchungsprotokoll neuropädiatrisch nachuntersucht.

Ergebnisse: Die Schwangerschaften, bei denen es zu einer schweren peripartalen Azidose kam, wiesen präpartal ein ähnliches Risikoprofil auf wie die übrigen in unserer Klinik betreuten Graviditäten und die bayernweit beobachteten Schwangerschaften (Bayerische Perinatalerhebung). Von den 25 Kindern mit schwerer Azidose verstarb eines im Alter von 15 Monaten an den Folgen einer schweren HIE. Ein zweites wies im Alter von 18 Monaten eine Hemiparese auf. Fünf weitere Kinder zeigten eine leichte Entwicklungs- und/oder Koordinationsstörung. Unauffällig waren 18 der 25 Kinder im Alter von 18 Monaten. Als prognostisch günstig erwiesen sich folgende Parameter: 1-Minuten-Apgar > 7, Basendefizit ≤ 16 mmol/l und das Ausbleiben einer HIE in der Neonatalzeit.

Schlußfolgerung: Die Prognose schwerer peripartaler Azidosen bei reifen Einlingen ist im Einzelfall grundsätzlich offen: Von einem zwangsläufig auftretenden neurologischen Spätschaden darf unabhängig von der Ausprägung der Azidose und des Basendefizits nicht ausgegangen werden.

Abstract

Purpose: Intrapartum severe acidosis is a risk factor for neonatal morbidity, but the impact on subsequent neurologic dysfunction in childhood is still unclear. We aimed at clarifying the following questions: 1. Is it possible to predict severe intrapartum acidosis from prepartum risk factors? 2. Are there predictive factors of neurological outcome at 18 months in term fetuses with severe acidosis at birth?

Methods: We assessed data of 25 term fetuses (singleton pregnancies) without major congenital abnormalities born between January 1990 and May 1996 in the University Hospital of Erlangen/Germany with an umbilical arterial cord pH of < 7.00. The antepartum risk factors were collected from the medical records. Postpartum the result of the blood gas analysis in the umbilical artery (pH, base deficit), the APGAR-values at 1, 5 and 10 min and the occurrence of hypoxaemic-ischaemic encephalopathy (HIE) in the newborn were registered and compared with the neurodevelopmental status in these children at the age of 18 months.

Results: No apparint difference in antepartum risk factors was observed in pregnancies with severe intrapartum acidosis in comparison to all pregnancies in the University Hospital of Erlangen and in the state of Bavaria. Neurological assessment found 18 of the 25 term fetuses with severe intrapartum acidosis to be free from neurological deficits at the age of 18 months, while 5 demonstrated mild developmental delays or tone abnormalities. One had major motor defects and one child died at the age of 15 months. The highest proportion of unimpaired children was found when either the base deficit in the umbilical artery was ≤ 16 mmol/L, the APGAR-score at 1 min was > 7 or HIE was not observed in the neonatal period.

Conclusion: Severe intrapartum acidosis in healthy term infants occurs most often without apparent risk factors in pregnancy. A prognosis of unfavourable neurodevelopmental outcome in the individual case cannot be made on the basis of severe intrapartum acidosis at birth.

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