Laryngorhinootologie 2018; 97(02): 138-139
DOI: 10.1055/s-0044-101037
Facharztfragen
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Fragen für die Facharztprüfung


Verantwortlicher Herausgeber dieser Rubrik: Dr. med. Gerlind Schneider, Jena
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
05. Februar 2018 (online)

Innenohr, Gleichgewichtssinn und Otobasis

Sprechen Sie über das Management einer anaphylaktischen Reaktion!

Antwort: Die anaphylaktische Reaktion ist eine akute allergische Sofortreaktion, die den ganzen Organismus erfassen und potenziell lebensbedrohlich sein kann. Prodromalsymptome können sein: Juckreiz bzw. Brennen an Handinnenflächen und Fußsohlen oder im Genitalbereich, ein metallischer Geschmack, Juckreiz an Gaumen und Zunge, Speicheln, inspiratorischer Stridor, Angstgefühl, Kopfschmerzen, Desorientiertheit, krampfartige Bauchschmerzen und Übelkeit. Bei Kindern stehen als Frühsymptome eher Unruhe, Rückzugsverhalten, Aggressivität und das „Gefühl drohenden Unheils“ im Vordergrund.

Anaphylaktische Reaktionen werden nach einer Schweregradskala von I-IV klassifiziert ([ Tab. 1 ]).

Tab. 1

Grad

Haut- und subjektive Allgemeinsymptome

Abdomen

Respirationstrakt

Herz-Kreislauf

Die Klassifizierung erfolgt nach den schwersten aufgetretenen Symptomen (kein Symptom ist obligatorisch).

I

Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angiooedem

II

Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angiooedem

Nausea, Erbrechen, Krämpfe

Rhinorrhoe, Heiserkeit, Dyspnoe

Tachykardie, Hypotension, Arrhythmie

III

Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angiooedem

Erbrechen, Defäkation

Larynxoedem, Bronchospasmus, Zyanose

Schock

IV

Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angiooedem

Erbrechen, Defäkation

Atemstillstand

Kreislaufstillstand

Es können Stadien übersprungen werden und zum Beispiel nach einem initialen Juckreiz mit Urtikaria sofort ein Herz-Kreislaufstillstand folgen. Deshalb muss jede anaphylaktische Reaktion als potentiell lebensbedrohlich betrachtet werden. In der Regel treten die Beschwerden innerhalb 30 min nach Allergenkontakt auf, so dass Patienten mit gezielter Allergenexposition (Testung, Desaktivierung) mindestens 30 min nach Exposition überwacht werden müssen.

Diagnostisch erfolgt nach einer kurzen Basisuntersuchung (Inspektion, Puls/RR, Atemfrequenz, Lokalbefund) eine Einschätzung des Schweregrades nach o. g. Kriterien. Als Basismaßnahmen erfolgen die Unterbrechung der Allergenzufuhr, Hilferuf und symptomorientierte Lagerung des Patienten. Das Monitoring der Vitalfunktionen (Pulsoxymetrie, Blutdruck) zielt darauf ab, frühzeitig eine Verschlechterung des klinischen Zustands rechtzeitig zu erkennen. Ab Grad II mit kardiopulmonalen Symptomen sollte Adrenalin i. m. als Notfallmedikament verabreicht werden. Dafür geeignete Autoinjektoren (z. B. Fastjekt Pen) sind in der Praxis und als Notfallset beim Patienten vorzuhalten und der Umgang von Personal, Patient und Angehörigen ist regelmäßig zu schulen.

Parallel dazu sollte immer die Anlage eines großlumigen i. v. Zuganges mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr erfolgen. Die Steigerung der Kapillarpermeabilität führt zu einem massiven Volumenabstrom vom Intravasalraum in interstitielle Kompartimente. Diesem Effekt muss schnellstmöglich durch die Gabe von Volumen entgegengewirkt werden.

Je nach Entwicklung oder höherem Schweregrad der anaphylaktischen Reaktion ist die i. v. Gabe von Adrenalin, Sauerstoffzufuhr bis zur kardiopulmonalen Reanimation mit Atemwegssicherung notwendig. Bei pulmonalen obstruktiven Beschwerden wird ein ß-Sympatomimetikum (z. B. Fenoterol, Salbutamol) inhalativ verabreicht. Antihistaminika (Dimentidin) werden als Saft/Tropfen oder bei höherem Schweregrad i. v. appliziert. Die Gabe von Glukokortikoiden hat in der akuten Notfallbehandlung wegen des verzögerten Wirkeintrittes eine zeitlich zurückgesetzte Indikation. Um die antiinflammatorischen Effekte zur erreichen, müssen höhere Dosierungen (z. B. normaler Erwachsener 500 mg) i. v. appliziert werden. Patienten mit einer Anaphylaxie >Grad III oder kardiopulmonalen Symptomen sollten mindestens 24 h stationär überwacht werden, da es im weiteren Verlauf zu einem erneuten Auftreten allergischer Symptome kommen kann.