Lege artis - Das Magazin zur ärztlichen Weiterbildung 2016; 6(04): 216-217
DOI: 10.1055/s-0042-107024
Selbstmanagement
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„Ich habe immer noch etwas Respekt vor der eigenen Courage!“ – Interview mit Dr. Corinna Geiger, Internistin

Corinna Geiger
,
Julia Hecht
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Publication Date:
16 September 2016 (online)

Wollten Sie schon immer eine eigene Praxis gründen?

Nein, überhaupt nicht! Aber Anfang des Jahres – gegen Ende meiner Weiterbildungszeit – habe ich überlegt, wie es weitergehen soll. Damals habe ich am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern vor allem Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen in einer Spezialambulanz betreut. Mir gefiel es, sie nicht nur zu sehen, wenn es ihnen gerade schlecht ging, sondern auch die stabilen Phasen in ihrem Krankheitsverlauf mitzubekommen. Dadurch entsteht ein starkes Vertrauensverhältnis, was bei chronischen Erkrankungen sehr wichtig ist! Diese Patienten kann ich jetzt in meiner eigenen Praxis betreuen und, wenn nötig, im Krankenhaus Hietzing selbst weiter behandeln, wo ich als Fachärztin angestellt bin. In Österreich ist es üblich, trotz Anstellung im Krankenhaus eine eigene Praxis zu haben.

Zum Zeitpunkt der Praxiseröffnung waren Sie noch kein Facharzt, und trotzdem konnten Sie sich schon niederlassen?

Meine deutsche Approbation entspricht in Österreich der Erlaubnis zur selbstständigen Berufsausübung. Damit darf man zwar keine Kassenverträge abschließen, aber eine sog. Privatordination oder Privatpraxis eröffnen. Mit dem Facharzt kann man mit jeder Krankenversicherung einen eigenen Vertrag eingehen – bei den großen Anbietern muss man darauf ohnehin eine ganze Weile warten. Das kann natürlich ein Nachteil sein, aber allen niedergelassenen Privatärzten, mit denen ich gesprochen habe, geht es bestens! Man muss dazu sagen, dass man als Kassenpatient in Österreich 80 % der Kassenleistung erstattet bekommt, wenn man in einer Privatpraxis war. Viele Patienten leisten es sich, zu einem Wahlarzt zu gehen, weil sie schneller einen Termin bekommen und die Ärzte sich meistens mehr Zeit nehmen.

War es schwierig, Praxisräume zu finden?

Ich hatte Glück: Ich habe mit einer Freundin über die Idee gesprochen, eine eigene Praxis zu eröffnen. Dabei stellte sich heraus, dass sie eine Bekannte mit einer neurologischen Praxis hat, in der noch Platz war. Ich habe mich vorgestellt, und wir waren uns gleich sympathisch. Also habe ich mich eingemietet. Alles, was man an Richtlinien beachten muss, war also schon erledigt. Sanitäranlagen, Computer usw. waren vorhanden, ich musste mich „nur noch“ um meine eigenen Geräte kümmern, beispielsweise für Ultraschalluntersuchungen, EKG, Blutgasanalysen etc.

Haben Sie sich beraten lassen, z. B. von einem Mentor?

Nein, und es war ein Sprung ins kalte Wasser! Natürlich habe ich mit erfahrenen Kollegen gesprochen und mich bei der Ärztekammer in Wien informiert. Außerdem habe ich eine gute Steuerberaterin und einen netten Versicherungsberater, die mir geholfen haben. Aber in erster Linie habe ich mir einfach überlegt, was mich als Ärztin ausmacht und wie die Patientenversorgung in meiner Praxis aussehen soll. Um das Finanzielle richtig zu beurteilen, hat es mir wirklich geholfen, einen Business Plan zu erstellen. Den habe ich zwar anhand einer Vorlage in irgendeinem Nachtdienst geschrieben, aber es hat wunderbar funktioniert und vieles klarer gemacht! Ich kann nur jedem empfehlen, über Dinge wie Marketingstrategie, Preiskalkulation und Alleinstellungsmerkmale nachzudenken!

Und welche Schwerpunkte setzen Sie?

Ich möchte meine Praxis so fortschrittlich und angenehm wie möglich für die Patienten gestalten: Terminvereinbarung online, Erinnerung daran per SMS, Sprechzeiten bis abends 20 Uhr, Integration von Gesundheitsapps in die Patientenakte … Außerdem biete ich Spezialsprechstunden für Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Darmerkrankungen und reisemedizinische Beratungen an.

Von der Idee Ihrer eigenen Praxis bis zur Eröffnung dauerte es nur 4 Monate – hätten Sie sich mehr Vorlaufzeit gewünscht?

Für mich persönlich war es gut so. Wenn ich nicht ausreichend Druck habe, dass etwas fertig werden muss, trödele ich so lange, bis es so weit ist – das war schon in der Schule so. Mit Facharztprüfung, Selbstständigkeit und Stellenwechsel musste ich natürlich an vielen Fronten gleichzeitig kämpfen, aber ich habe mich auf die Veränderung gefreut!

Was sollte man in Ihren Augen als erstes in Angriff nehmen?

Am wichtigsten ist, an irgendeinem Punkt überhaupt einmal anzufangen. Sich die Inhalte für eine Homepage zu überlegen, dauert meiner Erfahrung nach am längsten. Natürlich sollte man auch das Corporate Design nicht vernachlässigen, professionelle Fotos von sich und der Praxis machen lassen, sich bei der Ärztekammer anmelden … Viel Zeit kostet auch Geräte auszusuchen, und dann vor allem mit den Firmen einen möglichst niedrigen Preis auszuhandeln – da kann man viel mehr rausholen, als man denkt!

Was hat Sie in der Vorbereitung am meisten gefordert?

Einerseits der enorme Zeitaufwand, andererseits sich selbst so vermarkten zu müssen, z. B. auf der Homepage. Ich helfe meinen Patienten wirklich gerne, habe Spaß an meinem Job und kann gut mit Menschen umgehen, aber das können sicher ganz viele andere auch. Aus meiner Erfahrung fällt es mir leichter, Kontakte zu knüpfen, wenn ich mit Menschen ins Gespräch komme, z. B. auf Fortbildungen oder wenn ich als Notarzt unterwegs bin. Wenn ich dann von meinem Schwerpunkt erzähle, endet es ganz oft damit, dass ich meine Visitenkarte verteile und mein Gesprächspartner einen Patienten oder Bekannten mit gastroenterologischen Problemen zu mir schickt.

Wie gehen Sie mit dem wirtschaftlichen Risiko um?

Mit einer guten Berufshaftpflicht- und Strafrechtsversicherung sichert man sich natürlich rechtlich ab. Aber wenn keine Patienten kommen, kommen keine Patienten – das ist ein Problem. In erster Linie habe ich ja in Geräte investiert. Die kann man nach einem halben Jahr auch wieder mit geringem Verlust verkaufen, wenn es nicht läuft. Letztlich geht man als Selbstständiger aber immer ein Risiko ein – dessen man sich auch bewusst sein sollte – und Ärzte haben es da sicherlich vergleichsweise gut!

Wie machen Sie Patienten auf sich aufmerksam?

Das ist eine gute Frage! Ich habe zum einen eine Facebook-Seite, auf der ich werbe und Artikel schreibe. Zum anderen habe ich versucht, eine Art Zuweisernetzwerk aufzubauen: In dem Krankenhaus, in dem ich zuvor gearbeitet habe, werden z. B. keine H2-Atemtests durchgeführt, die ich aber anbiete. Im Idealfall schicken sie also ihre Patienten zu mir! So ergibt sich ein erster Kontakt. Außerdem ist es natürlich von Vorteil, mit einer Neurologin zusammenzuarbeiten, und wir haben auch noch einen Psychiater im Haus. Da macht es durchaus Sinn, sich gegenseitig Patienten zuzuweisen, z. B. bei einer diabetischen Polyneuropathie oder Patienten unter Neuroleptika-Therapie, die regelmäßig zur Kontrolle sollten usw. Es ergibt sich natürlich auch viel über Freunde und Bekannte. Meinen fixen Patientenstamm aus der Ambulanz habe ich auch mitgenommen. Zu guter Letzt haben wir vor, jedes Jahr in der Praxis ein Sommerfest zu veranstalten, zu dem wir Ärzte aus der Umgebung einladen, mit denen sich eine Zusammenarbeit anbietet. Das macht das gegenseitige Kennenlernen einfacher und netter.

Wie halten Sie sich wissenschaftlich auf dem Laufenden?

Ich arbeite weiterhin im Krankenhaus und strebe den Gastroenterologen an. Daher findet meine Aus- und Fortbildung in der Klinik weiterhin statt und ich profitiere sehr davon, Fälle mit erfahrenen Kollegen besprechen zu können! Außerdem besuche ich immer 4 fixe Veranstaltungen im Jahr: die Kongresse der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin und der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten sowie meistens das Infektio und das Gastro Update.

Inzwischen haben Sie schon einige Monate Erfahrung in der eigenen Praxis – wie läuft's?

Danke – soweit gut! Die Arbeit in der eigenen Praxis ist schon etwas Besonderes und macht sehr viel Spaß. In den letzten Wochen mussten noch einige Verbesserungen im Ablauf und der Praxisorganisation erfolgen, aber das merkt man eben erst, wenn der Betrieb läuft. Insgesamt bin ich aber sehr zufrieden damit, wie die ersten Monate verlaufen sind, und eins ist ganz klar: Die Entscheidung für eine eigene Praxis war goldrichtig!

Die Fragen stellte Julia Hecht.


Dr. med. Corinna Geiger

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ist seit August 2016 Fachärztin für Innere Medizin. Von 2011 bis Anfang 2016 war sie Assistenzärztin, zuletzt am Krankenhaus Barmherzige Schwestern in Wien. Inzwischen arbeitet sie in der I. Medizinischen Abteilung des Krankenhauses Hietzing in Wien. Seit Mai 2016 ist sie außerdem 2 Nachmittage pro Woche in ihrer eigenen Praxis in Wien zu finden:


http://www.schnellgesund.at E-Mail: info@schnellgesund.at

Informationen zur Praxisgründung

Ansprechpartner und Fördermöglichkeiten der einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen in Deutschland finden Sie gebündelt unter http://www.lass-dich-nieder.de

Beitrag online zu finden unter http://www.dx.doi.org/10.1055/s-0042-107024

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Sprechzimmer der Praxis mit gastroenterologischem Schwerpunkt.