JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2016; 05(02): 49
DOI: 10.1055/s-0042-101610
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

Michaela Müller
,
Karin Jäckle
,
Katrin S Rohde
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Publication Date:
07 April 2016 (online)

Zeit gehört zum Wertvollsten, was wir anderen geben können.

Zeit ist wie ein Nebel, der alles und jeden umgibt. Nach hinten verschwinden langsam die Konturen, nach vorn können wir nicht wirklich etwas erkennen. Das Jetzt, das Heute ist präsent. Zeit ist jetzt, Zeit kann vorbei sein, Zeit ist so wertvoll, dass wir sie bezahlen, nutzen, gestalten und verwalten. Und dann gibt es da die Erinnerung, die uns – wie immer wieder gezeigt werden kann – täuschen kann, sich verändert, auch um uns das Leben zu erleichtern.

Im heutigen Pflegealltag wird die kostbare Zeit zugeteilt. In der ambulanten Pflege werden für die einzelnen Pflegeverrichtungen Zeitfenster bezahlt. Wer länger braucht oder noch ein ermutigendes Wort an den Patienten richtet, eine ungeplante, aber notwendige Aufgabe übernimmt, kommt unter Zeitdruck. Zeit, die nicht mehr zur Verfügung steht, muss dann mit erhöhter Anstrengung an anderer Stelle eingespart werden. In der Klinik ist je nach Diagnose schon festgelegt, wann die Versorgung des Patienten im Krankenhaus nicht mehr bezahlt wird. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Die richtige Diagnose überprüfen, Anamnese erheben, Therapien einleiten, durchführen, überprüfen und hoffen, dass keine Komplikationen eintreten, keine zusätzlichen Störungen auftreten und der Patient punktgenau die Klinik wieder verlässt. Die Form der Pflege, für die viele einst ihre Ausbildung begonnen haben, können sie kaum anbieten, weil keine Zeit dazu verbleibt – trotz rückläufiger Liegezeiten. Die Personalschlüssel sind knapp bemessen, da Personalkosten ein hoher Kostenfaktor sind. Und die Wirksamkeit von zeitlicher Zuwendung ist bekannt, aber wissenschaftlich so schwer zu bemessen. Wenn Kinder auf ihre Eltern warten, kann die Zeit lang werden und es braucht Konzepte, sie darin zu begleiten, ebenso wenn sie längere Zeit nicht zur Schule gehen oder ihre sozialen Kontakte pflegen können.

Ein Kennzeichen unserer Kultur ist Beschleunigung. Der Wettlauf gegen oder eigentlich mit der Zeit ist – auch bezogen auf Therapien etc. – so kaum zu gewinnen. Was bleibt, ist die Relevanz des zwischenmenschlichen Kontakts und der kompetenten Betreuung. Zum Wertvollsten, was wir geben können, gehört die Zeit, die wir anderen geben: zum Gespräch, zum Zuhören, zur tätigen Hilfe.

In den CNE Beiträgen dieser Ausgabe kommen unterschiedliche Aspekte des Zeiterlebens vor. Von grundsätzlichen und auch philosophischen Gedanken zur Zeit über den Blick auf Familien, deren Zeitkonzept durch eine Frühgeburt „aus der Zeit fällt“, bis hin zu Familien, in denen Kinder lebenslimitierend erkrankt sind – und damit in gewissem Sinne ihrer Zukunft beraubt – laden wir Sie ein, verschiedene Zeitperspektiven einzunehmen.

Michaela Müller, Karin Jäckle, Katrin S. Rohde