physiopraxis 2016; 14(05): 63
DOI: 10.1055/s-0041-110096
mediathek
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Lymphologie – Aus zweierlei Sicht

Contributor(s):
Michaela Raderschall-Prompe

Subject Editor:
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Publication History

Publication Date:
20 May 2016 (online)

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Dieser Buchvergleich ergab sich aus dem fast gleichzeitigen Erscheinen beider Bücher. Jedes Buch hat zwar eigene Herausgeber, diese sind jedoch auch Autoren des jeweils anderen Buchs. Beide Bücher richten sich laut Klappentext und Vorwort an alle Beteiligten der Versorgungskette, haben aber unterschiedliche Gewichtungen: „Erkrankungen des Lymphgefäßsystems“ (grünes Buch) ist aus ärztlicher Sicht geschrieben, der „Leitfaden Lymphologie“ (gelbes Buch) aus physiotherapeutischer Sicht.

Beide Bücher beginnen mit der Anatomie und Physiologie, unterscheiden sich aber im Inhalt: Das grüne Buch geht auf die Molekularebene ein, ist ausführlicher und enthält viele Abbildungen. Das gelbe bleibt auf der Zellebene und untermauert kurz Wesentliches mit ausgewählten Abbildungen. Im weiteren Verlauf sind einzelne Krankheitsbilder jeweils in anderer Reihenfolge aufgeführt oder anders zugeordnet. So hat das grüne Buch ein eigenes Kapitel über die Lymphostatische Enteropathie, während im gelben mehrere Kapitel dazu Informationen bieten. Das grüne schult den kritischen Blick des Behandlers (wahrscheinlich des Arztes) bei Verdacht auf ein artifizielles (vom Patienten erzeugtes) Ödem. Das gelbe geht nicht darauf ein.

Beide Bücher beschreiben nur Vodder und Asdonk, wahrscheinlich weil die Autoren fast die gleichen sind. Dass sie Földi nicht mal erwähnen, ist verwunderlich, denn der „Griffestreit“ sollte seit längerem überwunden sein. Auf einzelne Griffe geht das grüne Buch nicht ein, das gelbe erklärt sie mit Fotos und Durchführung. Details zu technischen Geräten in der Diagnostik oder auch bei der apparativen Entstauung erläutern die Autoren im grünen Buch sehr ausführlich. Sie geben auch interessante Studien und ihre Diskussionen mit aktuellen Literaturangaben an, während das gelbe Buch keine Studien und Literaturangaben hat. So diskutieren die Autoren des grünen Buchs zum Beispiel ausführlich das Thema „Lymphtaping“ mit eigenen Studien, während die des gelben dazu den praxisnahen Hinweis „keine Evidenz“ geben! Interessant wird es bei den Krankheitsbildern, die mit der Komplexen Physikalischen Entstauungstherapie (KPE) behandelt werden sollen oder können. Die Autoren des grünen Buchs sind von der Bedeutung der KPE überzeugt und geben gelegentlich grob die Entstauungsrichtung an. Das gelbe Buch bietet praxisnah zu jedem Krankheitsbild Behandlungsschema (linke Seite) und Behandlungsaufbau in Stichpunkten (rechte Seite). Dies ist für den physiotherapeutischen Alltag wertvoll, da der Therapeut in der Behandlung die Seite aufgeschlagen neben den Patienten legen kann, um nichts Wichtiges zu vergessen.

In „Erkrankungen des Lymphgefäßsystems“ (grünes Buch) lernen Studierende der Physiotherapie die Arbeit des Arztes und evidenzbasierte Medizin kennen. Auch für „alte Hasen“ in lymphologischen Kliniken und der ambulanten Praxis ist das Buch interessant. Der „Leitfaden Lymphologie“ (gelbes Buch) ist praxisnäher und richtet sich an Physiotherapeuten, die mit der Lymphdrainage beginnen und sie durchführen wollen, sowie Ärzte, Pfleger und Mitarbeiter im Sanitätshaus, um Einblicke in physiotherapeutische Methoden zu erhalten.

Michaela Raderschall-Prompe,
Physiotherapeutin aus Bonn