Lege artis - Das Magazin zur ärztlichen Weiterbildung 2015; 5(3): 168-174
DOI: 10.1055/s-0040-100275
Fachwissen
Titelthema: Das Reizdarmsyndrom
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das Reizdarmsyndrom – Alles andere als „Einbildung“

Thomas Frieling
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Publication Date:
27 July 2015 (online)

Abstract

Das Reizdarmsyndrom ist eine organische Erkrankung, die, historisch bedingt, als Kombination von Symptomen (Symptom-Cluster) ohne Kenntnis der Pathophysiologie beschrieben wurde. Nach der noch gültigen Rom-III-Konsensus-Definition muss eine Kombination von Bauchbeschwerden mit Stuhlgangveränderungen vorliegen. Die deutsche Definition ist freier und beinhaltet die Einschränkung der Lebensqualität, eine gynäkologische Untersuchung und eine Koloskopie zur Diagnosesicherung. Das Reizdarmsyndrom ist eine der häufigsten Gründe, warum Patienten einen Arzt aufsuchen und ist deshalb eine erhebliche sozioökonomische Belastung. Neuere Untersuchungen zeigen, dass das Reizdarmsyndrom mit verschiedenen strukturellen, molekularen, genetischen, immunologischen, nervalen und psychosozialen Veränderungen assoziiert ist und aus unterschiedlichen pathophysiologischen Subgruppen besteht. Es ist zu erwarten, dass in Zukunft klinisch einsetzbare Biomarker zur Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms etabliert werden. Die Diagnose des Reizdarmsyndroms ist in der Praxis in der Regel durch eine differenzierte Basisdiagnostik mit Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen möglich, sodass eine symptomorientierte Therapie eingeleitet werden kann. Bei Durchfall sollte bereits zu Beginn eine umfassende Diagnostik mit Stuhluntersuchungen und Koloskopie mit Stufenbiopsien erfolgen. Bei der Therapie spielt weiterhin die vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung, die Aufklärung über die organischen Ursachen des Reizdarmsyndroms und die Definition der Therapieziele eine große Rolle. Bei der medikamentösen Therapie ist zu berücksichtigen, dass nur wenige Medikamente für das Reizdarmsyndrom zugelassen sind. Die große Überlappung mit anderen Krankheitsbildern relativiert diese Einschränkung allerdings.

Ergänzendes Material

 
  • Literatur

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