JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2015; 04(02): 94
DOI: 10.1055/s-0035-1549128
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Höherer Betreuungsschlüssel in der Neonatologie

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Publication Date:
02 April 2015 (online)

Anlässlich des Weltfrühgeborenentages im November letzten Jahres mahnte der Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ e. V. Verbesserungen der in vielen Kliniken bisher nur unzureichend gelösten Betreuungssituation auf Frühgeborenen-Intensivstationen in Deutschland an.

„Moderne individuelle entwicklungsfördernde und familienzentrierte Frühgeborenenversorgung kann nicht effizient funktionieren, wenn das neonatologische Team nicht ausreichend qualifiziert und personell entsprechend gut aufgestellt ist,“ so Barbara Grieb, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes „Das frühgeborene Kind“ e. V.

Diese Einschätzung teilt auch das Gremium von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen in Deutschland – der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) –, das bereits im Juni 2013 eine entsprechende Strukturreform verabschiedet hatte. Diese sieht unter anderem eine verbindliche Erhöhung des Betreuungsschlüssels auf neonatologischen Stationen vor. Insbesondere sehr kleine und kranke Frühgeborene müssen in sogenannten Perinatalzentren der höchsten Versorgungsstufe demnach zukünftig von einer ausschließlich für den einzelnen kleinen Patienten zuständigen qualifizierten Pflegekraft betreut werden. Zurzeit betreut eine Pflegekraft in der Regel zwei oder drei dieser aufwendig zu versorgenden Kinder gleichzeitig. Die 1:1-Vorgabe muss mit einer Übergangsfrist spätestens ab 1. Januar 2017 von den Kliniken umgesetzt werden. Andernfalls droht der Verlust des Status als Perinatalzentrum.

„Wir begrüßen diese Vorgaben ausdrücklich,“ betont Barbara Grieb mit Verweis auf Erfahrungen von Kliniken, die ein solches 1:1-Betreuungsmodell bereits umsetzen. Wissenschaftliche Studien belegen zudem, dass die Infektionsrate bei der Betreuung von mehreren Patienten durch eine Pflegekraft erheblich ansteigt.

Kritiker der Strukturreform bemängeln die Vorgaben als utopisch und bis Januar 2017 allein aufgrund des Fehlens von entsprechend qualifiziertem Personal als nicht erfüllbar. Doch kann das ein Argument sein, um grundsätzlich richtige Schritte bei der qualitativ notwendigen Verbesserung der Frühgeborenenversorgung in Deutschland einfach auszusitzen?

Fakt ist, dass sich die momentane Versorgungssituation im Ergebnis verbessern muss. Dabei geht es schon lange nicht mehr ausschließlich um die Frage, ob ein Kind lebend nach Hause entlassen werden kann, sondern darum, wie seine weitere Lebensqualität aussieht. Das betrifft vor allem die Allerkleinsten, die als sogenannte Hochrisikopatienten besonders anfällig für lebensbedrohliche Komplikationen sind.

Dass sich eine solche Hightech-Versorgung nicht in jeder größeren Kreisstadt vorhalten lässt, versteht sich schon allein unter ökonomischen Gesichtspunkten und ist in anderen medizinisch hochspezialisierten Fachbereichen bereits seit Langem Realität, ohne dass dieser Umstand auch nur im Ansatz diskutiert würde. Daher wird man langfristig nicht um die grundsätzliche Frage einer Strukturreform der Versorgungslandschaft in Deutschland herumkommen.

In diesem Kontext ist auch die Politik in Bund und Ländern gefordert, maßgebliche Reformen und die Umsetzung bereits verabschiedeter Richtlinien im Gesundheitswesen aktiv zu unterstützen, damit zukünftige Frühchen-Generationen vom bestmöglichen Start ins Leben profitieren können – wovon letztendlich auch Deutschland im Hinblick auf stetig sinkende Geburtszahlen gesamtgesellschaftlich betrachtet nur profitieren kann, so der Appell des Verbandes an die Verantwortlichen in den zuständigen Schlüsselressorts.

Quelle: Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ e. V.