Journal Club Schmerzmedizin 2013; 2(4): 179
DOI: 10.1055/s-0034-1364289
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Liebe Leserin, lieber Leser,

Wolfgang Koppert
,
Christian Maihöfner
,
Michael Pfingsten
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Publication Date:
09 January 2014 (online)

haben Sie sich selbst schon einmal unvermutet in der Patientenrolle wiedergefunden – und dabei wertvolle Erkenntnisse gewonnen? So erging es im letzten Jahr Prof. Dr. Philip Pizzo. Der renommierte Pädiater und Onkologe berichtet im New England Journal of Medicine (2013; 369: 1092–1093), wie er zum chronischen Schmerzpatienten wurde – kurz vor dem Ende seiner akademischen Karriere als Dekan der medizinischen Fakultät an der Stanford University.

Es fing an mit einem Zwicken im Rücken. Harmlos, vermutete Pizzo, schließlich war er körperlich fit und lief jährlich 2–3 Marathons. Doch der Schmerz kam wieder und wurde stärker. Er wanderte tiefer, in die linke Gesäßhälfte, später zum Sitzbeinhöcker. Kein Sitzen, Stehen, Gehen oder Liegen half. Der immer optimistische, beliebte und stressresistente Professor war nun selbst Patient – und darauf angewiesen, dass andere seine Schmerzen ernst nahmen, eine Ursache oder zumindest eine wirksame Therapie fanden. Pizzo verbrachte Monate mit Physiotherapie, Akupunktur, Injektionen, Massagen und mehreren MRTs – alles ohne Erfolg. Der Schmerz strahlte in den linken Oberschenkel aus und wurde so dominierend, dass Pizzo begann, unter depressiven Symptomen zu leiden.

Basierend auf EMG-Untersuchungen wurde schließlich die Diagnose eines „Piriformis-Syndroms“ gestellt. Eine entsprechende Operation war tatsächlich erfolgreich und untermauerte retrospektiv noch einmal die Richtigkeit dieser Diagnose. Aber die Opioid-Therapie führte in den Tagen danach zu einer Atemdepression, sodass Pizzo sogar noch auf die Intensivstation musste. Er schreibt, er wisse nun, wie lähmend chronischer Schmerz sein kann: „It can take over one's life, sap one's energy, and negate or neutralize joy and well-being.“ Und noch eine Beobachtung ist ihm wichtig: Viele Experten, die er konsultierte, hätten vorschnell eine Diagnose aus ihrem jeweiligen Fachgebiet gestellt und sich nicht interdiziplinär darüber ausgetauscht.

Genau zu diesem Blick über den fachlichen Tellerrand, den Pizzo vermisste, möchten wir auch mit dieser Ausgabe des Journal Clubs wieder beitragen!

Wolfgang Koppert, Christian Maihöfner & Michael Pfingsten