Zentralbl Chir 2013; 138(03): 234-241
DOI: 10.1055/s-0033-1349253
Rechtliches – Urteile und Hintergründe
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Laparoskopische Cholezystektomie – Leckage des rechten Hauptgallenganges

Entstehung der Komplikation und Komplikationsmanagement
A. Thiede
,
Hans- Joachim Zimmermann
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
02. Juli 2013 (online)

Medizinischer Sachverhalt

Bei einer 30-jährigen Patientin wird mit eindeutiger symptomatischer Cholezystolithiasis am 27.01.2004 in einem Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung eine laparoskopische Cholezystektomie vorgenommen. OP-Bericht vom 27.01.2004:

OP-Diagnose: Cholezystolithiasis. Therapie: Laparoskopische Cholezystektomie.

Bei der Patientin waren Gallensteine nachgewiesen und die Indikation zur Operation gegeben. Diese wird in Intubationsnarkose in Rückenlage durchgeführt. Nach steriler Abdeckung erfolgt die Anlage des Pneumoperitoneums durch einen kleinen infraumbilicalen Hautschnitt mit der Verres-Nadel – dies gelingt ohne Probleme. Anschließend wird die 10-er Optik eingeführt, unter Sicht werden dann die übrigen Zugänge gelegt. Bei der Durchsicht zeigt sich kein wesentlicher auffälliger Befund. Die Gallenblase kann ohne Probleme mit einer 5-er Klemme gefasst und mit der Leber nach cranial angehoben werden; eine zweite wird am Infundibulum gesetzt. Dieses zeigt sich als prall mit Steinen gefüllt; es gelingt aber dann doch, die Gallenblase zu fassen und das Calot’sche Dreieck aufzuspannen. Abschieben vom visceralen Peritoneum, das recht derb herangeschwielt ist. Es kommt zu kleineren Blutungen, jedoch gelingt es, den Ductus cysticus einwandfrei darzustellen. Er ist sehr kurz und wird zum Choledochus hin mit einem resorbierbaren Clip, zur Gallenblase hin mit einem Metallclip verschlossen.

Durchtrennen des Cysticus, retrogrades Herausschälen, wobei auch distal im Infundibulum eine derbe Verschwielung zur Leber hin besteht. Weiter zum Leberrand lässt sich die Gallenblase leichter herauspräparieren. Nach Schnitterweiterung wird die Gallenblase infraumbilical entfernt, hier wird die Fascie und das Peritoneum mit einer Z-Naht verschlossen, ansonsten Coriumnähte und sterile Verbände.

Bei glattem Verlauf konnte die Patientin am 02.02.2004 entlassen werden. Am 04.02.2004 wurde die Patientin mit Zeichen eines akuten Abdomens wieder aufgenommen und unter der Annahme einer galligen Peritonitis relaparoskopiert.

OP-Bericht vom 04.02.2004

Diagnose: Gallige Peritonitis bei Fistel eines aberrierenden Gallengangs.

Operation: Laparoskopische Revision und Fistelverschluss, Drainage.

Eine Woche zuvor ist eine laparoskopische Cholezystektomie vorausgegangen. Am späten Abend treten akute Abdominalschmerzen auf. Klinisch bretthartes Abdomen, Leukozytose, sonographisch etwas Flüssigkeit am unteren Leberrand. Röntgenologisch gibt es keinen Anhaltspunkt für freie Luft. Unter dem Befund eines akuten Abdomens Indikation zur Laparoskopie.

Rückenlagerung nach Desinfektion. Eröffnen der infraumbilicalen Incision, wobei sich ein Resthämatom entfernen lässt. Dieses wirkt nicht infektiös. Das Abdomen wird eröffnet, wobei ein Trokar in offener Technik eingeführt wird. Es zeigt sich gallige Flüssigkeit im Abdomen. Zur weiteren Revision werden breite Trokare über die vorausgegangenen Incisionen nach Cholezystektomie eingebracht. Die Gallenblasenabsetzungsregion wird dargestellt. Die beiden Kunststoffclips für D. cysticus und der A. cystica lassen sich problemlos aufsuchen – sie wirken fest, intakt und unauffällig. Es lässt sich jetzt, etwas oberhalb zum Gallenblasenbett hin, ein kleines Lumen erkennen, aus dem sich gallige Flüssigkeit entleert (Fotodokumentation). Es handelt sich offenbar um einen aberrierenden Gallengang. Aufgrund der bestehenden Verklebungen lässt sich nicht genau erkennen, ob es sich hier um einen größeren Gang handelt, der oberflächlich nur eröffnet ist, oder um ein endständiges Lumen. Man entschließt sich dazu, die Öffnung mit einer tangential oberflächlich gestochenen, clipgesicherten PDS-Naht zu verschließen. Dies lässt sich problemlos durchführen (Fotodokumentation).

Es erfolgt die ausgiebige Spülung des Abdomens mit Kochsalzlösung; anschließend Einlage einer Drainage in die Fistelregion mit Ausleitung über die Drainage im rechten Oberbauch. Die Trokare werden unter Sicht entfernt. Incisionsverschlüsse, Pflasterverbände. Im weiteren Verlauf kommt es zu einem erheblichen Gallefluss (500–1.000 ml / die) über die liegende Drainage und zu einem Bilirubin-Anstieg auf 2,46 mg%.

Weitere Maßnahmen

10. Februar:
ERCP: Darstellung des Cysticusstumpfes, des Ductus hepaticus mit linksseitigen Leberästen. Im Bereich des Ductus hepaticus rechts Leckage ohne Darstellung der rechtsseitigen Leberäste.
11. Februar:
Verlegung in die Gastroenterologische Abteilung einer Universitätsklinik. Dort Stent-Einlage ohne sichere vollständige Abdichtung der Gallengangsleckage im Verlauf.
18. Februar:
Biliodigestive Anastomose in der Visceralchirurgischen Klinik der Universität bei erheblich galliger Peritonitis im rechten Oberbauch.
23. Februar:
Relaparotomie bei Arrosionsblutung aus der Arteria hepatica dextra bei Minileckage an der biliodigestiven Anastomose. Übernähung und Abdichtung der Arrosionsblutung. 14-tägiges Lavage-Programm, intensiv-medizinische Betreuung und Dauerbeatmung.
08. März:
Definitiver Bauchdeckenverschluss.
18. März:
Verlegung auf Normalstation, Mobilisierung und Kostaufbau.
26. März:
Entlassung und Reha-Behandlung.
Klage vor dem Landgericht:
Es erfolgte eine Klage vor dem Landgericht W. gegen die primäre Behandlung im erstbehandelnden Krankenhaus.

 
  • Literatur

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