Gesundheitswesen 2013; 75(12): 789-796
DOI: 10.1055/s-0033-1333728
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gesundheitsreformen und Versichertenpräferenzen. Eine Clusteranalyse mit Daten der bevölkerungsrepräsentativen KBV-Befragung 2010

Health-Care Reforms and Insurees’ Preferences: A Cluster Analysis with Data from the Representative KBV Survey 2010
S. Schnitzer
1   Institut für Medizinische Soziologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin
,
U. Grittner
2   Institut für Biometrie und Klinische Epidemiologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin
,
K. Balke
3   Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
,
A. Kuhlmey
1   Institut für Medizinische Soziologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin
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Publication History

Publication Date:
06 March 2013 (online)

Zusammenfassung

In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, wie bekannt verschiedene Neuregelungen des deutschen Gesundheitssystems sind (elektronische Gesundheitskarte, Kostenerstattungstarif usw.) und wie diese bewertet werden. Weiterhin wird der Frage nachgegangen, inwieweit sich verschiedene Gruppen von Versicherten mit ähnlichen Präferenz- und Kenntnismustern finden lassen. Grundlage der Analyse bildet eine bevölkerungsrepräsentative Versichertenbefragung der KBV (Kassenärztlichen Bundesvereinigung) im Jahr 2010, in der 6 065 Personen zwischen 18 und 79 Jahren interviewt wurden. 4 verschiedene Gruppen von Versicherten können unterschieden werden: Die „Qualitätsorientierten“, die „Uninformierten“, die „Internetversierten“ und die „Informierten“. Auffälligstes Ergebnis ist, dass die „Uninformierten“ mit dem niedrigsten Kenntnisstand über neuere Reforminhalte überwiegend formal hoch Gebildete, erwerbstätige Männer im mittleren Alter sind. Um Neuregelungen im Gesundheitswesen erfolgreich implementieren und Informationen hierüber zielgruppenspezifisch verbreiten zu können, empfiehlt es sich, neben der Berücksichtigung einzelner sozialer Determinanten, die Gesamtheit der Lebensumstände bzw. Lebenslagen der Versicherten zu betrachten.

Abstract

This study examines insurees’ knowledge of and attitudes towards a number of recent reforms of the German healthcare system (electronic health insurance card, reimbursement tariff, etc.). It further examines whether it is possible to identify groups of respondents with similar patterns of preferences and knowledge. The analysis draws on a representative survey conducted by the German National Association of Statutory Health Insurance Physicians (Kassenärztliche Bundesvereinigung, KBV, 2010), in which 6 065 respondents aged between 18 and 79 years were interviewed. 4 groups of respondents can be distinguished: the “quality oriented,” the “uninformed,” the “internet savvy,” and the “informed.” The most striking finding is that members of the “uninformed” group, who knew the least about recent reforms, tended to be employed middle-aged men with a high level of formal education. To foster the successful implementation of reforms in the health-care system and their communication to specific target groups, it is recommended to take into account not only specific social determinants, but the full personal circumstances and situation of insurees.

 
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