Neonatologie Scan 2012; 01(02): 126-127
DOI: 10.1055/s-0032-1325848
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Prognose neonataler Risikopatienten
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Risikoanalyse: Entwicklungsstörungen von Frühgeburten

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Publication Date:
01 December 2012 (online)

Bereits ab der 22. Schwangerschaftswoche beginnt der Reifeprozess des später automatisierten Saugens und Schluckens. Durch eine frühe Frühgeburt wird die adäquate Entwicklung des Gaumens gestört, mit Folgekomplikationen, die Kauen, Schlucken und Sprechen beeinflussen. Eine Fall-Kontrollstudie aus Frankreich ermittelt die Risikofaktoren.

Die Raten der sehr frühen Frühgeburten ( < 33. Schwangerschaftswochen, SSW) schwanken europaweit zwischen 0,8 – 1,4 % der Gesamtgeburten. Frühgeborene werden heute bestmöglich versorgt und so ist die Mortalität in den letzten Jahrzehnten dramatisch zurückgegangen, das Risiko von Folgekomplikationen persistiert nach wie vor auf einem hohen Niveau. Dazu gehören auch Gaumenstrukturen, die nicht den gut entwickelten „romanischen Bogen“ zeigen, sondern einen stark gewölbten Oberkiefer, möglicherweise mit einer Gaumenspalte. Bereits in der 22. Schwangerschaftswoche trinkt der Fötus, durch pharyngeales Schlucken ohne Saugen, das Fruchtwasser. Die Qualität des Schluckakts verändert sich während der Gestationswochen. Durch saugende Bewegungen und Zungenvorwärtsbewegungen wird das Fruchtwasser in die Mundhöhle aufgenommen, durch eine schröpfende Zungenbewegung gegen den Gaumen hinter die Zunge gebracht. Durch eine Kontraktion des Pharynx wird die Mundhöhle geleert. Dieser Reifeprozess des koordinierenden Saugens und Schluckens wird durch eine sehr frühe Frühgeburt abgebrochen, zu einem Zeitpunkt, wo der gegen den Alveolarfortsatz gerichtete Druck der Zunge wichtig für die adäquate Entwicklung des Gaumens ist. So finden sich bei frühgeborenen Kindern veränderte Gaumenstrukturen mit möglichen Auswirkungen auf Kauen und Sprechen. Hinzu kommen ästhetische Aspekte.

Im Rahmen der EPIPAGE-Studie (Etude Epidémiologique sur les Petits Ages Gestationnels), bei der 2901 Lebendgeburten zwischen der vollendeten 22. und 32. Schwangerschaftswoche und eine Referenzgruppe von 667 Kindern, die zwischen der 39. und 40. Schwangerschaftswoche geboren wurden, analysiert und nachbeobachtet wurden, erfolgte bei insgesamt 1711 frühgeborenen Kindern im Alter von 5 Jahren eine Untersuchung des Gaumens. Speziell für dieses Studienprojekt geschulte Mediziner, die allerdings keine Informationen zu den Umständen der Geburt der Kinder hatten, beurteilten den Gaumen durch eine einfache visuelle Inspektion. Die Häufigkeit veränderter Gaumenstrukturen betrug 3,7 % im gesamten untersuchten Kollektiv, mit einer Prävalenzrate von 5,1 % bei den Jungen und 2,2 % bei den Mädchen. Je früher die Kinder geboren wurden, desto größer war das Risiko. Ein erhöhtes Risiko einer veränderten Gaumenmorphologie war mit SGA („Small for Gestational Age“), sowie einer Intubation der Kinder über 28 Tage hinaus assoziiert. Darüber hinaus fanden sich veränderte Gaumenstrukturen gehäuft in Fällen mit Zerebralparese und neuromotorischer Dysfunktion.