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DOI: 10.1055/s-0032-1315683
Hämolytisch-urämisches Syndrom – Immunadsorption: positive Wirkung auf neurologische Symptomatik
Publication History
Publication Date:
31 May 2012 (online)
Im Mai 2011 kam es in Norddeutschland zu gehäuften Infektionen mit dem Shigatoxin-produzierenden Escherichia coli vom Serotyp O104:H4. Ein erheblicher Teil der Patienten erkrankte dabei nach der Enteritis-Symptomatik an einem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) mit thrombotischen Mikroangiopathien, die zu schweren neurologischen Komplikationen und Nierenversagen führten. Wegen des Auftretens des HUS etwa eine Woche nach der Erstsymptomatik wurde auf einen Antikörper-vermittelten Entstehungsmechanismus geschlossen. Basierend auf dieser Annahme führten 2 Arbeitsgruppen in Hannover und Greifswald bei den Patienten eine Immunadsorption durch.
The Lancet 2011; 378: 1166–1173
Eine IgG-Immunadsorptionstherapie kann bei Patienten mit schweren neurologischen Komplikationen aufgrund eines HUS sicher und schnell die verursachenden Antikörper aus dem Blut entfernen und so zu einer raschen Besserung der Symptomatik führen. Dieses Ergebnis erzielten die beiden Gruppen im Rahmen einer prospektiven, nicht-kontrollierten Studie bei insgesamt 12 Patienten.
Bei allen Erkrankten lagen schwere neurologische Defizite vor, wie Delir, schwere Halluzinationen, Status epilepticus u. a., die bei 9 der Patienten eine künstliche Beatmung erforderlich machten. Verfahren wie die Gabe von Eculizumab oder Plasmapherese waren sämtlich erfolglos geblieben. Daraufhin wurden bei den Patienten an 2 aufeinanderfolgenden Tagen zunächst 2 Immunadsorptionsbehandlungen zur Entfernung des körpereigenen Immunglobulins G (IgG) durchgeführt, wobei jeweils 12 l Plasma behandelt wurden; am Ende jeder Sitzung wurde IgG in einer Dosierung von 0,5 mg / kg Körpergewicht substituiert. Weitere Sitzungen (insgesamt 38) erfolgten nach Bedarf. Die Schwere der neurologischen Beeinträchtigung wurde mittels eines Punktsystems beurteilt, das Symptome wie Desorientiertheit, Halluzinationen, Koma, Sprachstörungen, Lähmungserscheinungen etc. berücksichtigte. Je schwerer die Beeinträchtigung, desto höher der Gesamtpunktwert.
Bei einigen Betroffenen besserte sich das neurologische Bild bereits während der Immunadsorption, bei allen Patienten nahm der Punktwert für die neurologische Beeinträchtigung ab: Der Mittelwert sank von 3,0 (vor der Behandlung) auf 1,0 (Tag 3 nach der Behandlung; p = 0,0006). In der Folge wurden 10 der Patienten ohne neurologisches Defizit entlassen; 2 Patienten waren zu diesem Zeitpunkt von leichten neurologischen Einschränkungen betroffen. Die Immunadsorption wurde dabei gut vertragen, schwere unerwünschte Wirkungen traten nicht auf.
Bei der Pathogenese der neurologischen Symptomatik bei HUS sind vermutlich Antikörper-vermittelte Mechanismen beteiligt. Die Entfernung von Immunglobulin G aus dem Patientenblut mittels Immunadsorption kann die verantwortlichen Antikörper beseitigen und so die Symptomatik rasch und anhaltend bessern. Auch wenn die Autoren letztlich nicht ausschließen können, dass bei der Immunadsorption möglicherweise auch andere pathogenetisch wirksame Moleküle entfernt wurden, scheint das Verfahren doch sinnvoll; bei zukünftigen Ausbrüchen von E. coli O104:H4 mit HUS könnte eine randomisierte Studie weitere Informationen liefern.
Dr. Elke Ruchalla, Trossingen