Neonatologie Scan 2012; 01(01): 14-15
DOI: 10.1055/s-0032-1310174
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Ernährung und Gastrointestinaltrakt
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Entwicklung kognitiver Fähigkeiten – Positiver Einfluss des Stillens bis ins Vorschulalter belegt

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Publication Date:
23 August 2012 (online)

Gestillte Kinder erreichen in Studien zur mentalen und Intelligenzentwicklung bessere Ergebnisse als diejenigen, die Flaschennahrung erhalten. Ob dieser Effekt auf speziellen Inhaltsstoffen der Muttermilch wie Docosahexaen- und Arachidonsäure oder dem Stillen an sich beruht, wird kontrovers diskutiert. Jedrychowski et al. führten nun eine Langzeitanalyse zum Effekt des ausschließlichen Stillens durch. Dabei prüften sie auch, ob der Zuwachs kognitiver Fähigkeiten gestillter Kinder in den ersten Lebensjahren ein Prädiktor für die entsprechende Entwicklung in späteren Jahren ist.

Die Auswertung basiert auf Daten einer 7-jährigen Nachbeobachtungszeit von 468 Kindern, die zwischen 2001 und 2004 reif geboren wurden ( > 36. Schwangerschaftswoche). Folgende Bedingungen mussten erfüllt sein:

  • Einlingsschwangerschaften

  • Alter der Mütter > 18 Jahre

  • Nichtrauchen

  • kein Konsum illegaler Drogen oder beruflicher Kontakt zu entwicklungsgefährdenden Substanzen

  • kein Schwangerschaftsdiabetes

  • keine Hypertonie

Die Mütter wurden alle 3 Monate zum Beginn und zur Dauer des Stillens befragt.

Das 7-jährige Follow-up beinhaltete im 1. – 3. sowie im 6. und 7. Lebensjahr der Kinder Fragen zum allgemeinen Gesundheitszustand und Tests zur geistigen Entwicklung. Im 4. Jahr des Follow-ups absolvierten 293 Mütter einen Test für nichtverbale Intelligenz (Test of Nonverbal Intelligence, TONI-3). Die Kinder wurden in den ersten 3 Beobachtungsjahren mit dem Entwicklungstest BSID-II (Bayley Mental Scales of Infant Development – second Edition) untersucht. Im Alter von 6 und 7 Jahren folgte der Wechsler Intelligence Test for Children (WISC-R). Innerhalb des Beobachtungszeitraums fanden die Bewertungen der kognitiven Entwicklung bei 443 Kindern mindestens 2-mal, bei 425 Kindern 3-mal und bei 307 Kindern 5-mal statt.

Die Mehrheit der Kinder, 67,1 %, wurde ausschließlich gestillt. In dieser Gruppe betrug das Verhältnis Mädchen zu Jungen 52,9 zu 47,1 %. Mütter, die ihre Babys bis zu 3 Monaten stillten, waren älter, besser ausgebildet, hatten bereits ein Kind zur Welt gebracht und nahmen während der Schwangerschaft weniger zu. Deren Kinder erreichten gegenüber Kindern, die Flaschennahrung erhielten, in den BSID-II- und WISC-R-Tests zu jedem Untersuchungszeitpunkt im Durchschnitt 4 – 5 Punkte mehr. Der positive Effekt des ausschließlichen Stillens zeigte sich bei 1-jährigen Kindern, selbst wenn die Dauer des Stillen relativ kurz war.

Kinder, die mindestens 3 Monate ausschließlich gestillt wurden, hatten einen um 2,1 Punkte signifikant höheren Gesamt-IQ. Bei einer Stillzeit von 4 – 6 Monaten lag der Gesamt-IQ um 2,6 Punkte und bei > 6 Monate Stillen um 3,8 Punkte höher. Nahmen die Mütter während der Schwangerschaft > 17 kg Körpergewicht zu, erreichten deren Kinder 1,7 Punkte weniger als Kinder, deren Mütter weniger zunahmen. Im Schnitt hatten Mädchen einen um 2,7 Punkte höheren Gesamt-IQ als Jungen. Die Chance, im Alter von 7 Jahren einen hohen IQ zu erreichen war signifikant höher, wenn die Kinder > 6 Monate gestillt wurden (Odds Ratio = 2,51; 95 % Konfidenzintervall, 1,05 – 6,02).