Neonatologie Scan 2012; 01(01): 8-9
DOI: 10.1055/s-0032-1310125
Diskussion
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ventilatortherapie: Mehr getriggerte Atemzüge bei niedriger Back-up-Rate

Bei der Beatmung von Neugeborenen zielen getriggerte Modi darauf, die maschinelle Ventilation mit der Spontanatmung zu synchronisieren. K. I. Wheeler et al. untersuchten nun den Einfluss der Back-up-Raten auf die getriggerte Beatmung und die kardiorespiratorische Stabilität der Säuglinge.
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Publication History

Publication Date:
23 August 2012 (online)

J Perinatol 2012; 32: 111 – 116

Eingang in die Studie fanden 26 stabile Frühgeborene, bei denen eine maschinelle Beatmung im synchronisierten IPPV Modus (Intermittend-positive Pressure Ventilation) erforderlich war. Die Säuglinge wurden in Phasen zu 20 min in einer zufälligen Reihenfolge untersucht. Zwischen diesen Phasen lagen jeweils 10 min, um störende Effekte der vorherigen Phase auszuschließen. Die Autoren verglichen dabei Back-up-Raten von 30/min, 40/min und 50/min. Ziel war eine Sauerstoffsättigung zwischen 88 und 92 %. Während jeder Phase wurden unter anderem FiO2 (inspiratorische O2-Konzentration), Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz, Blutdruck und transkutaner CO2-Gehalt dokumentiert. Die Phasen wurden beendet, wenn der FiO2 um mehr als 0,2 oder der transkutane CO2-Gehalt um mehr als 20 mmHg (Millimeter Quecksilbersäule) anstiegen.

Das mediane Gestationsalter der Säuglinge lag bei 27 Wochen, das mediane Geburtsgewicht bei 840 g. Die mediane Back-up-Rate vor Studienbeginn betrug 50/min, der mediane PEEP (positiver endexpiratorischer Druck) 6,0 cm H2O und das mediane Ziel-Tidalvolumen 4,0 ml/kg. Die meisten Säuglinge hatten ein FiO2 von weniger als 0,3, der höchste Wert lag bei 0,6. Die Anteile aller getriggerten Atemzüge betrugen bei Back-up-Raten von 30/min, 40/min und 50/min durchschnittlich 85 %, 75 % und 61 %. Die Unterschiede waren hierbei statistisch hochsignifikant (p < 0,001 %). Bei einer Back-up-Rate von 30/min waren bei jedem Säugling mindestens 50 % der Atemzüge getriggert. Die Autoren konnten außerdem beobachten, dass mit zunehmender Back-up-Rate die gesamte Inflationsrate zunahm, und zwar von 56/min bei einer Back-up-Raten von 30/min auf 62/min bei einer Back-up-Rate von 50/min. Keine signifikanten Unterschiede fanden sich für den Spitzen-Inflationsdruck oder Veränderungen von transkutanem CO2-Gehalt, FiO2, Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz und Blutdruck.

Fazit Bei maschinell beatmeten Frühgeborenen erlauben niedrigere Back-up-Raten mehr getriggerte Atemzüge. Die kardiorespiratorischen Parameter waren bei allen Back-up-Raten stabil, so die Autoren.

Dr. med. Johannes Weiß, Bad Kissingen

1. Kommentar

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Prof. Gerhard Jorch

Zentrum für Kinderheilkunde,

Universitätsklinikum Magdeburg

Leipziger Str. 44

39120 Magdeburg

Die Entwöhnung beatmeter Frühgeborener vom Ventilator gehört zu den Routineprozeduren (SOP’s) einer neonatologischen Intensiveinheit. Sie sollte früh genug erfolgen, um unnötige Schäden durch die Beatmungstherapie zu vermeiden, darf aber keine zusätzlichen Risiken durch kardiorespiratorische Entgleisungen verursachen. Voraussetzungen für ein Gelingen der Entwöhnung sind seit jeher

  1. eine hinreichend gute Lungenfunktion (Compliance, Resistenz),

  2. hinreichende Kraft und Energieversorgung der Atemmuskulatur,

  3. Fehlen kritischer Obstruktionen in den oberen Atemwegen,

  4. ausreichender zentraler Atemantrieb.

Entwöhnen bedeutet nicht nur Trainieren der Spontanatmung, sondern auch Reduzierung des Beatmungsaufwandes auf das erforderliche Maß, um unnötiges Barotrauma zu verhindern. Beatmungstechniken mit Einsatz eines Triggers zum Abrufen alleiniger oder unterstützter Spontanatemzüge sind abhängig von der Qualität des Triggers, der Kompetenz des Patienten und der Einstellung des Ventilators.

Die Studie „Lower back-up rates improve ventilator triggering during assist-control ventilation: a randomized crossover trial“ (J Perinatol 2012, 32: 111 – 116) von Wheeler und Mitarbeitern aus der Arbeitsgruppe von Peter Davis in Melbourne, befasst sich mit der Einstellung des Ventilators und zwar speziell mit der Wahl der Back-up-Frequenz bei Entwöhnung mit dem Ventilator Dräger Babylog 8000plus mit einem Fisher und Paykel RT235 Schlauchsystem. Gewählt wurde der Assist-Control-Modus mit Volumengarantie (AC/VG). Der Trigger wurde auf die höchstmögliche Empfindlichkeit, der Systemflow auf 8 l/min und die Einatemzeit unabhängig von der Back-up-Frequenz auf 0,3 s eingestellt. Untersucht wurden relativ stabile beatmete Frühgeborene mit (interquartile range als Streumaß) 26 – 30 Schwangerschaftswochen, Körpergewicht 730 – 1300 g, Alter 4 – 19 Tage, FiO2 0,21 – 9,31, Beatmungsspitzendruck 13 – 21 mbar, Positive Endexpiratory Pressure (PEEP) 5 – 7 mbar, Ziel-Tidalvolumen 3,5 – 4,5 ml.

Es wurde nicht der Beweis geführt, dass die Reduzierung des Barotraumas letztendlich zu einem Vorteil für die Patienten geführt hat.

Es konnte in dieser professionell gemachten und gut kontrollierten klinischen Crossover-Studie gezeigt werden, dass genau unter diesen Bedingungen ein zügiges Absenken der Back-up-Frequenz im AC/VG-Modus von 60/min auf 30/min praktikabel ist und dadurch im Mittel Druckwerte erniedrigt werden, die als Risiko für ein Barotrauma gelten.

Dieses Vorgehen entspricht auch den eigenen Erfahrungen des Kommentators. Er weist allerdings darauf hin, dass diese Vorgehensweise eine besonders engmaschige und sorgfältige Überwachung durch erfahrenes Personal voraussetzt.

In dieser Studie wurde der Nutzen dieser Vorgehensweise nur für die beschriebenen Rahmenbedingungen gezeigt. Es wurde nicht der Beweis geführt, dass die Reduzierung des Barotraumas letztendlich zu einem Vorteil für die Patienten geführt hat. Entwöhnen bedeutet nicht nur Trainieren der Spontanatmung, sondern auch Reduzierung des Beatmungsaufwandes auf das erforderliche Maß, um unnötiges Barotrauma zu verhindern. Beatmungstechniken mit Einsatz eines Triggers zum Abrufen alleiniger oder unterstützter Spontanatemzüge sind abhängig von der Qualität des Triggers, der Kompetenz des Patienten und der Einstellung des Ventilators.

Die Studie "Lower back-up rates improve ventilator triggering during assist-control ventilation: a randomized crossover trial" (J Perinatol 2012, 32: 111 – 116) von Wheeler und Mitarbeitern aus der Arbeitsgruppe von Peter Davis in Melbourne, befasst sich mit der Einstellung des Ventilators und zwar speziell mit der Wahl der Back-up-Frequenz bei Entwöhnung mit dem Ventilator Dräger Babylog 8000plus mit einem Fisher und Paykel RT235 Schlauchsystem. Gewählt wurde der Assist-Control-Modus mit Volumengarantie (AC/VG). Der Trigger wurde auf die höchstmögliche Empfindlichkeit, der Systemflow auf 8 l/min und die Einatemzeit unabhängig von der Back-up-Frequenz auf 0,3 s eingestellt. Untersucht wurden relativ stabile beatmete Frühgeborene mit (interquartile range als Streumaß) 26 – 30 Schwangerschaftswochen, Körpergewicht 730 – 1300 g, Alter 4 – 19 Tage, FiO2 0,21 – 9,31, Beatmungsspitzendruck 13 – 21 mbar, Positive Endexpiratory Pressure (PEEP) 5 – 7 mbar, Ziel-Tidalvolumen 3,5 – 4,5 ml.

Es konnte in dieser professionell gemachten und gut kontrollierten klinischen Crossover-Studie gezeigt werden, dass genau unter diesen Bedingungen ein zügiges Absenken der Back-up-Frequenz im AC/VG-Modus von 60 /min auf 30 /min praktikabel ist und dadurch im Mittel Druckwerte erniedrigt werden, die als Risiko für ein Barotrauma gelten.

Dieses Vorgehen entspricht auch den eigenen Erfahrungen des Kommentators. Er weist allerdings darauf hin, dass diese Vorgehensweise eine besonders engmaschige und sorgfältige Überwachung durch erfahrenes Personal voraussetzt.

In dieser Studie wurde der Nutzen dieser Vorgehensweise nur für die beschriebenen Rahmenbedingungen gezeigt. Es wurde nicht der Beweis geführt, dass die Reduzierung des Barotraumas letztendlich zu einem Vorteil für die Patienten geführt hat.

E-Mail: gerhard.jorch@med.ovgu.de


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2. Kommentar

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PD Dr. Andreas W. Flemmer

Neonatologie der Kinderklinik am Perinatalzentrum der LMU-München, Großhadern

Marchioninistr. 15

81377 München

Seit vielen Jahren werden beatmete Frühgeborene mit getriggerter Beatmung unterstützt. Eine weit verbreitete Form der Unterstützung ist dabei, jeden einzelnen Atemzug zu unterstützen: Assist-Control (AC) oder Synchronised Intermittent Positive Pressure Ventilation (SIPPV). Dabei stellt sich die Frage, mit welcher hinterlegten Frequenz, Back-up-Rate (BUR), die Kinder beatmet werden sollten, wenn es zu einer Atempause kommt und so das Beatmungsgerät einen ungetriggerten, maschinellen Atemhub abgeben sollte. Die bisherige Praxis variiert hier zwischen Frequenzen von 45 – 60/min.

Diese Ergebnisse stützen frühere Empfehlungen, die in der Phase der Entwöhnung vom Respirator eine Reduktion der Back-up-Rate auf 25 – 30/min vorschlagen.

In der Studie „Lower back-up rates improve ventilator triggering during assist-control ventilation: a randomized crossover trial“ (J Perinatol 2012, 32: 111 – 116) von Wheeler und Mitarbeitern aus der Arbeitsgruppe von Peter Davis in Melbourne, Australien wurde nun der Einfluss verschiedener Back-up-Raten unter AC-Beatmung bei 26 Frühgeborenen der 26. – 30. Schwangerschaftswoche untersucht. Die Kinder wurden jeweils für 20 Minuten mit einer Back-up-Rate von 30/min, 40/min oder 50/min unterstützt, wobei die einzelnen Phasen durch jeweils 10 Minuten Ausgangsbeatmung unterbrochen waren. Dabei zeigte sich, dass die Patienten bei einer Back-up-Rate von 30/min im Vergleich zu 40/min oder 50/min weniger Atemzüge ungetriggert waren und die Kinder leichter das Beatmungsgerät triggern konnten, ohne dass dies zu Veränderungen des Gasaustausches führte.

Diese Ergebnisse stützen frühere Empfehlungen, die in der Phase der Entwöhnung vom Respirator eine Reduktion der Back-up-Rate auf 25 – 30/min vorschlagen. Ob die hier beschriebenen Beobachtungen jedoch einen langfristigen Einfluss auf die Entwicklung der Kinder, auf die Dauer der Beatmung oder die Entwicklung einer chronischen Lungenerkrankung haben, bleibt zu klären.

E-Mail: Andreas.Flemmer@med.uni-muenchen.de


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